~Fianna~
Manchmal ist das Leben wie ein Kartenspiel. Und genauso kann man manchmal nichts richtig machen, egal welche Karte man legt.
...
Ein neuer Tag, aber ich heiße ihn nicht willkommen. Gestern ist so vieles passiert - und doch irgendwie wieder nicht. Ich grübele schon seit einer ganzen Weile darüber, ob - oder eher wie - ich Tristan sagen soll, dass seine kleine Schwester erschossen wurde. Er tut mir nicht leid, aber ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, ihm dieses Wissen zu verweigern. Ich an seiner Stelle würde das sicher erfahren wollen - auch wenn es keine schöne Nachricht ist. Also ziehe ich mich an und mache mich auf den Weg hinab zu den Zellen.
Schnell bin ich vor Tristans Zelle angelangt. Ich atme tief durch, obwohl ich weiß, dass ich das nicht müsste - nur das Sprechen verlangt danach zu atmen. Und da ich sozusagen tot bin, brauche ich ansonsten eigentlich keinen Sauerstoff mehr. Blut reicht.
Vorsichtig öffne ich die Tür, es wundert mich, dass vor Tristans Tür keine Wachen zu sehen sind. Sollte das hier nicht besser bewacht werden? Schulterzuckend schlüpfe ich dennoch hinein.
Und erstarre.
Tristan liegt einige Meter entfernt von mir am Boden - tot. Erdrosselt mit seinen eigenen Fesseln. Dunkelviolette Flecken sind überall auf der Haut an seinem Hals auszumachen. Seine Augen sind geschlossen und das helle Haar fällt ihm zerzaust ins Gesicht. Ich fühle mich, als müsste ich mich gleich übergeben. Mit zitternden Schritten nähere ich mich ihm. Es sieht absolut nach Suizid aus. Erst frage ich mich, wieso er so etwas tun sollte, aber eigentlich liegt es doch auf der Hand - egal wie tough er sich immer gegeben hat. Letztendlich wusste ich ja, dass er entsetzliche Angst hatte - vor Blake ... und vor mir. Zudem ist seine Kleidung ganz verdreckt und er scheint einiges an Gewicht verloren zu haben. Er sieht nur noch wie ein Schatten seiner selbst aus.
Jetzt erst fällt mein Blick auf das Blatt Papier neben ihm auf dem Steinboden - mit meinem Namen darauf. Kurz frage ich mich, woher er einen Stift und Papier hatte, aber die Frage verflüchtigt sich abrupt, als ich den Zettel lese.
Fianna,
Ich weiß, dass ich der Letzte bin, dem du einen Gefallen tun würdest - aber ich bitte dich, flehe dich an, mir diesen einen zu gewähren. Du weißt es vermutlich nicht, aber ich habe eine kleine Schwester und sie bedeutet mir einfach alles. Und es ist feige, dass ich ihr das nicht mehr selbst sagen werde, aber ich halte das nicht mehr aus. Jeden Tag, den ich hier eingesperrt bin, spüre ich immer mehr, wie ich auf den Abgrund zusteuere. Ich glaube, mein Leben hat eigentlich schon geendet, als ich hier eingesperrt wurde. Vielleicht hatte ich es auch verdient, aber ich kann das jetzt einfach nicht mehr. Ich muss das beenden. Aber ich will nicht, dass Aury darunter leiden muss. Sie ist ein tolles Mädchen, fürsorglich und warmherzig - anders als ich. Ich möchte nur, dass sie weiß, wie sehr ihr Bruder sie geliebt hat und dass sie nicht um ihn trauern soll. Ich will, dass sie ein schönes Leben hat.
Ich bettele auf den Knien darum, Fianna. Bitte.Tristan
Säure legt sich auf meine Zunge und bei jedem Wort verätzt sie sie mir. Wie grausam das Schicksal sein kann. Ich sinke auf den Boden, er fühlt sich rau unter meinen Händen an. Den Brief zerreiße ich, es ist mir einfach nicht möglich, das nicht zu tun. Das ist zu viel Schmerz und ich spüre, wie mein Herz entzwei bricht. Zwei Seelen - die eine, die ich hasste und die andere, die ich beschützen wollte. Beide hat der Tod mit sich gerissen, obwohl ihre Zeit noch nicht gekommen war.
Die Welt hat schlechte Karten für die beiden gelegt.
... Und ich kann nur hoffen, dass sie für mich bessere bereithält.
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Was denkst du über Tristans Tod? Hättest du den Brief ebenfalls zerrissen?
Bis zum nächsten Kapitel 👋
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Sign Of The Crescent Moon | Those Void Words
Fantasy𝔐𝔞𝔫𝔠𝔥𝔢 𝔐𝔢𝔫𝔰𝔠𝔥𝔢𝔫 𝔰𝔦𝔫𝔡 𝔴𝔦𝔢 𝔡𝔦𝔢 𝔖𝔬𝔫𝔫𝔢 𝔲𝔫𝔡 𝔰𝔱𝔯𝔞𝔥𝔩𝔢𝔫 𝔲𝔫𝔢𝔫𝔱𝔴𝔢𝔤𝔱. 𝔄𝔫𝔡𝔢𝔯𝔢 𝔰𝔦𝔫𝔡 𝔴𝔦𝔢 𝔡𝔢𝔯 𝔐𝔬𝔫𝔡, 𝔩𝔦𝔢𝔤𝔢𝔫 𝔦𝔪 𝔖𝔠𝔥𝔞𝔱𝔱𝔢𝔫 𝔲𝔫𝔡 𝔩𝔢𝔲𝔠𝔥𝔱𝔢𝔫 𝔫𝔲𝔯 𝔡𝔲𝔯𝔳𝔥 𝔄𝔫𝔡𝔢𝔯𝔢... ~~...