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~Fianna~

Hoffnung bringt dich nicht weit. Sie lehrt dich bloß, deine Träume zu zügeln.

...

Ich glaube manchmal, dass ich eine Pause brauche. Aber dann mache ich dennoch weiter. Weil mir nichts anderes übrig bleibt. Aber selbst wenn mein Leben mir selbst sinnlos scheint, so möchte ich doch weitermachen.

Momentan vor allem für Phoenix, er würde das auch für mich tun. Dessen bin ich mir sicher. Selten hat sich etwas je so gut angefühlt, wie diese Gewissheit, als ich sein Arbeitszimmer betrete. Doch seine Augen sehen mich auf eine Art an, die mich schaudern lässt. Ich sehe darin Schmerz und ... Angst. Wovor fürchtet er sich?

»Was ist passiert?«, frage ich sofort. Denn das irgendetwas passiert ist, liegt auf der Hand. Aber was?

Phoenix erhebt sich von seinem Platz hinter dem Arbeitstisch und kommt mit ein paar langen Schritten auf mich zu. Dann streckt er eine Hand nach meiner aus, zieht sie jedoch, kurz bevor sie mit meiner in Berührung kommt, zurück.

»Das ist nicht wichtig«, meint er und nimmt nun doch meine Finger. Ich kann sein warmes Blut durch seine Adern pulsieren spüren.

»Doch das ist es«, widerspreche ich ihm. »Bitte erzähl mir, was los ist.«

Phoenix beißt sich auf die Unterlippe. Sein Puls beginnt zu rasen, was ich nicht nur hören, sondern auch an seiner Halsschlagader sehen kann, wodurch es wirkt, als würden die tätowierten Flügel sich bewegen.

»Ich ... Ich kann nicht ... Es tut mir leid.« Er senkt den Kopf, löst seinen Griff um meine Hand und fährt sich nervös durch die Haare.

Ich sehe ihn mit einem Blick an, in dem er sehen muss, was er mir damit antut. Dass er mich verletzt. Dass es weh tut. Dass es schmerzt, dass er mir nicht anvertraut, was auf seinem Herzen lastet. Dabei dachte ich, er würde es mir schenken, doch mir gehört wohl nicht einmal ein Teil davon.

»Fia, es ist nicht so, wie du denkst«, setzt er an, vermutlich um mich zu beruhigen. Aber das funktioniert nicht, ich kenne solche Sätze. Bloß leere Worte. »Aber du darfst mir nicht vertrauen.«

»Das verstehe ich auch so«, sage ich so emotionslos wie möglich. Doch ich spüre die Emotionen, stärker, als ich dachte, dass ich noch fähig wäre zu fühlen. Ich sollte innerlich tot sein, meine Gedanken begraben, meine Gefühle vergangen, mein Herz verrottet. Aber das ist nicht so. Und das weiß ich ja auch. Eigentlich. Ich vergesse es nur manchmal. Lasse mich von dem verlockenden Klang der Stimme versprochenen Glücks verführen.

Ich löse meine Finger aus seinen und weiche einen Schritt zurück. Warum sieht er mich so an? Warum? Und warum tut es so weh? Es darf nicht so weh tun. Ich kenne ihn doch kaum. Ich wollte ihm nicht vertrauen, ich wollte ihn nicht gern haben, aber mein Herz ist ein Verräter, eine zweischneidige Klinge, eine geworfene Münze.

Dann verändert sich sein Ausdruck. Der Schmerz in seinen warmen Karamellaugen bleibt, aber mein Blick fällt auf seine zu Fäusten geballten Hände. Er riecht nach Angst, Schweiß und Adrenalin.

Ich drehe mich zum Ausgang, als die Panik mich überfällt. Phoenix ist allerdings schneller, packt mich am Handgelenk ohne jene Zärtlichkeit, die sonst seinen Berührungen innewohnt. Ein schmerzvoller Stich in meinem Arm lässt mich zucken. Ich sehe Phoenix wieder an, sehe jedoch nur verschwommen, mein Kopf pocht und es schmerzt, alles tut weh.

»W-Warum?«, ist das letzte Wort, das stotternd meine Lippen verlässt, bevor mein zitternder Körper auf den Boden sinkt. Ich kann noch leise den Aufprall in meinen Ohren nachhallen hören ... und plötzlich alles weg ist.

...

Der Geruch von Blut schwebt in der Luft, als Licht durch meine geschlossenen Lider dringt. Meine Finger sind schweißnass.

Verwirrt blinzele ich einige Male, bevor ich die Augen endgültig aufschlage. Ich sehe Phoenix' Schreibtisch verlassen vor mir und auch als ich meinen Kopf drehe, um mich in seinem restlichen Büro umzusehen, erblicke ich keine Spur von ihm. Aber das ist auch kein Wunder, denke ich, als mir wieder einfällt was passiert ist. Er hat mir irgendwas gespritzt und mich damit betäubt.

Ich sehe meine Hände an. Das, was ich für Schweiß hielt, ist Blut. Mein Blut. Das rieche ich. Doch egal, wo ich mich verletzt habe, die Wunde scheint schon wieder verheilt zu sein. Was viel schlimmer ist, ist, dass ich Phoenix nicht mehr trauen kann - und dass ich so schnell wie möglich von hier verschwinden muss.

Ich stütze mich mit beiden Händen auf dem blutigen Boden ab, während ich mich erhebe. Meine Beine zittern leicht, aber ich muss mich zusammenreißen. Wer weiß, wann Phoenix wiederkommt.

Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war, aber als ich aus dem Gebäude trete, scheint es schon früher Nachmittag zu sein. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich meinen Mantel bei Phoenix vergessen habe. Egal. Daran kann ich jetzt ohnehin nichts mehr ändern.

Während ich durch die Straßen renne, beginnt es in starken Schauern zu regnen und ich werde völlig durchnässt. Wenigstens wird die Sonne wohl kein Problem mehr sein. Meine nassen Schuhe schmatzen bei jedem Tritt, als ich ein Gebäude vor mir sehe, das einen Geruch verströmt, der mich innehalten lässt. Blut. Und zwar frisches. Dann halt ein Schrei in meinen Ohren nach, der sich anhört wie der eines Kindes.

Ich denke nicht mehr nach, ich muss da rein und diesem Kind helfen. Die Gänge riechen modrig und meine Schritte schallen laut durch die Gänge. Mit übernatürlicher Geschwindigkeit bin ich innerhalb weniger Sekunden dort, wo ich den Ursprung des Schreis vermute. Aber hier ... ist niemand. Nur dunkle, Höhe Wände aus altem Stein und ein paar Risse im Boden. Dann vernehme ich Schritte hinter mir.

Blitzartig wende ich mich um. Vor mir steht ein Sonnenkrieger. Der, der Blake attackiert hat. Stolz. Gefährlich. Gnadenlos.

Zephyr Bristol.

Ein Schatten huscht hinter ihm in einen anderen Gang, während ich wie gelähmt da stehe. Verdammt, ich muss hier weg! Aber in diesem Moment bohrt sich ein Speer durch meinen Magen und lässt mich unwillkürlich nach Luft schnappen, auch wenn ich diese nicht nötig habe. Gleichzeitig stolpere ich und lande unsanft mit dem Rücken auf dem harten Steinboden. Jetzt ist es nicht mehr der Schock, sondern der Schmerz, der mich lähmt.
Auch, wenn meine Sicht verschwimmt, sehe ich jetzt, wie Zephyr sich über mich beugt. Er wirft ein Messer mit dunkler Klinge einmal in die Luft, bevor er es wieder fängt. Der Schmerz breitet sich immer weiter aus und ich blinzele einige Male in dem Versuch, meine Sicht zu schärfen. Vergeblich.

»Süße Albträume, Prinzessin«, zischt er.

Dann fliegt das Messer, das unwiderlegbar aus Lavastein sein muss, auf mich zu, direkt auf mein Herz gerichtet.

Dann fliegt das Messer, das unwiderlegbar aus Lavastein sein muss, auf mich zu, direkt auf mein Herz gerichtet

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Sign Of The Crescent Moon | Those Void Words Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt