~24~

72 15 10
                                    

~Fianna~

Musik ist wie das Meer. Wunderschön und klar. Aber wenn du es geschehen lässt, kann sie dich fortreißen.

...

Es ist Mittwoch. Mein ›Training‹ gestern war zwar enttäuschend, aber vielleicht wird das heutige besser. Auch, wenn dieses nicht mit Phoenix stattfindet. Obwohl Blake mich gefragt hat, wie das Training war, habe ich ihm nichts von dem Sturz erzählt. Er braucht das nicht wissen.

Erst Recht nicht, nachdem er mir eben verboten hat, zum Fechten zu gehen. Ich hasse ihn dafür. Das Fechten ist alles, was mir in den letzten Jahren stets geblieben ist. Ohne es fühle ich mich ... leer. Sinnlos. Außerdem merke ich, wie sehr ich mein Smartphone vermisse. Nicht einmal Musik kann ich mehr hören. Mein letzter Fels in der Brandung. Fortgespült, durch die reißenden Wellen. Und so - in dem Glauben, eh nichts mehr verlieren zu können - gehe ich hinab zu den Zellen.

Tristans blaue Augen sehen mich irritiert an, als ich die Zelle betreten habe. Keine der Wachen hat mich aufgehalten, hierher zu gelangen, und das ist auch gut so, denn ich weiß nicht, wozu ich in meiner Wut und Verzweiflung fähig gewesen wäre.

»Was willst du?«, blafft Tristan mich an. »Ist es jetzt soweit? Wirst du mich jetzt auch töten?« Seine Stimme ist kratzig und klingt erschöpft. Trotzdem steht er auf und kommt so weit auf mich zu, wie die Ketten es ihm erlauben.

»Nein«, ist alles, was ich sage. Dann setze ich mich auf den Boden. Ich sage nichts und er auch nicht. Ich habe das auch nicht erwartet. Wenigstens lenkt es mich ab und ich bin nicht so ... allein. Der Steinboden ist rau. Er muss eisig kalt sein, aber das spüre ich nicht. Tristans Blick klebt auf mir, wie ein alter Kaugummi.

»Warum bist du dann gekommen?«, fragt Tristan in die Stille. Er klingt weniger aggressiv als eben.

»Das geht dich nichts an«, sage ich, schärfer als beabsichtigt.

Wieder kehrt Ruhe ein. Diese Stille, die ich seit Jahren kennen und lieben gelernt habe. Schweigen ist nicht schwer, reden hingegen schon. Ich habe ewig nicht mehr geredet und mich dabei auch wohlgefühlt.

»Es...«, sagt Tristan. Ich sehe nicht in seine Richtung. »Es tut mir leid, weißt du?« Meine Augenbrauen wandern nach oben. Er sagt das nur, damit ich ihm helfe. Das kann er vergessen. Für das, was er mir all die Jahre angetan hat, reicht keine Entschuldigung. Nichts kann das je wieder gut machen. »I-Ich bin ein Vollidiot, okay? Ich hatte Angst. Denk, was du willst darüber, aber es ist so.«

»Das hättest du früher sagen sollen. Jetzt ist es zu spät.« Meine Stimme klingt bitter, aber das soll auch so sein. Ich werde ihm nie verzeihen.

Ich stehe auf und komme auf Tristan zu. Sein blondes Haar ist komplett zerzaust und er stinkt, als hätte er Monate nicht mehr geduscht, dabei sind es erst ein paar Tage. Ich nehme seine Hand in meine, dann bewege ich mein Gesicht zu der Pulsader an seinem Handgelenk. Er wehrt sich nicht, auch nicht, als ich die Spitzen meiner Eckzähne daran setze. Ich beiße zu und Blut schießt hervor. Es lässt mich einen Moment vergessen. Den Schmerz und die Leere. Tristan tut nichts, und das ist der Grund, weshalb ich aufhöre, als er bewusstlos wird. Und auch, weil ich nicht noch jemanden töten möchte. Vielleicht schaffe ich es, Blake zumindest dazu zu überreden, ihm mehr Wasser und Lebensmittel bringen zu lassen. Denn seine kratzige Kehle kommt sicher daher, dass er kaum etwas zu trinken bekommt.

Zurück im Turmzimmer sehe ich aus dem Schießscharten ähnlichen Fenster und beobachte die Welt draußen. Der Palast liegt ganz am Rande der Stadt, weshalb zwar viele Autos vorbeikommen, aber nicht so viele, wie ich gewohnt bin. Allerdings sehe ich plötzlich eine Frau, die sich dem Palast nähert. Ihr dunkles Haar hat sie zu einem Zopf geflochten und in den Händen hält sie ein paar Geräte, die ich nicht identifizieren kann. Verwirrt beobachte ich, wie sie sich am Mauerwerk des Palastes zu schaffen macht. Wer ist sie und was hat sie hier zu suchen?

Sie braucht nur ein paar Minuten, bis sie wieder davon geht und in den Schatten der Häuser verschwindet.

Sie braucht nur ein paar Minuten, bis sie wieder davon geht und in den Schatten der Häuser verschwindet

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Sign Of The Crescent Moon | Those Void Words Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt