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~Phoenix~

Ich weiß, dass ich das nicht tun darf, aber es ist, als könnte ich gar nicht anders. Ich will Fia sehen, ich will sehen, wie sie trainiert. Sie muss ihre Gründe gehabt haben mich wegzuschicken und es fühlt sich wie ein Verrat an, ihre Bitte zu missachten. Doch ich kann sie nicht alleine lassen, nicht in dieser Stadt. Denn das ließe sich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

Also bin ich in den Nebenraum gegangen, habe die Treppe bestiegen, die sich in keiner neuen Trainingshalle mehr finden ließe, und bin auf einen der Balken geklettert. Und jetzt sitze ich hier und sehe, wie Fia sich mit dem Degen bewegt, und wie geschmeidig und gekonnt sie jeden Angriff ins Nichts vollführt. Ich bin kein Kämpfer, aber sie ist absolut eine Kämpferin. Das sehe ich in jedem aufmerksamen Blick und jeder schnellen Wendung. Sie muss nur noch lernen, auch nach oben zu blicken. Aber ihr Kampfstil scheint beinahe perfekt, wäre da nicht ihre Unsicherheit, von der ich nicht weiß, woher sie rührt.

Ich sehe ihr noch eine ganze Weile zu, jede Abfolge so exakt, dass ich mich wirklich frage, warum sie wollte, dass ich gehe. Ich werde es wohl nicht erfahren, besonders jetzt nicht, wo ich sie gegen ihren Willen beobachte. Aber es ist zu riskant. Jederzeit könnte ein Engel hier hereinschneien, und das würde ihren Tod bedeuten. Die Engel haben zwar ein Bündnis mit den Vampiren, jedoch hat dieses kaum noch Gewicht, seit der Ermordung der Königsfamilie. Es wäre ein schwieriges Unterfangen, wenn eine neue Königin auf dem Thron sitzen würde. Das Bündnis müsste wiederhergestellt werden. Und das würde den Engeln nicht gefallen, denn es würde wieder einen unnötigen Krieg zwischen ihnen und den Sonnenkriegern bedeuten, mit dem sie ansonsten nie etwas zutun gehabt hätten. Und genau deswegen wird es hier für Mord vermutlich keine Bestrafung geben. Jeder Engel bei Verstand würde sich dazu entscheiden sie zu töten, das wäre schlichtweg logisch. Deshalb kann ich sie nicht aus den Augen verlieren und vielleicht auch, weil ich mittlerweile etwas empfinde, dass mir zuletzt das Herz gebrochen hat. Es ist ein dummes Gefühl, das weiß ich, aber ich bin naiv. Ich bin so, und das möchte ich auch nicht ändern. Ich möchte nicht verbittert und kalt werden. Ich will mir von einem gebrochenen Herzen nicht mein restliches Leben vermiesen lassen. Es kann sein, dass ich nie gut genug für Fia sein werde. Aber ich möchte es versuchen, denn sonst werde ich nie erfahren, was hätte werden können.

Somit steige ich die Treppen wieder hinab, als ich sehe, dass Fia ihr Training beendet hat. Liebend gern, wäre ich einfach von dem Balken gesprungen, doch sterblich, wie ich jetzt nun mal bin, hätte mir das nichts weiter als einen qualvollen Tod bereitet. Schließlich erstreckt sich die Decke der Halle bis in dreißig Metern Höhe.

Mein Herz schlägt in einer Melodie, die ich jetzt noch nicht verstehe, aber als Fia mich anlächelt, wird diese immer schneller. Ich muss es ihr jetzt sagen, sie sollte es wissen.

»Und? Ist das Training gut gelaufen?«, frage ich, obwohl ich längst weiß, wie fantastisch sie kämpfen kann.

»Es wäre besser gelaufen, wenn ich ein Florett gehabt hätte«, sagt sie. Sie klingt etwas verärgert, allerdings merke ich, dass dieser Ärger nicht auf mich zurückzuführen ist. Sie muss frustriert und wütend sein, dass Blake ihr das Fechten verboten hat. Doch das sagt sie nicht. Sie sagt nie, wie sie sich fühlt.

Nachdem Fia den Degen zurückgeräumt hat, raffe ich alles an Mut zusammen, was ich aufbringen kann und entscheide mich, ihr jetzt zu sagen, wie ich empfinde. Es nützt nichts, es zu verbergen. Sie ist schlau, sie wird es merken.

»Fia«, sage ich. Mein Hals ist plötzlich staubtrocken. »Ich muss mit dir reden.«
Sie tritt näher an mich heran, ihre Augen, die einem bewölkten Himmel gleichen, mustern mich irritiert.

Sign Of The Crescent Moon | Those Void Words Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt