Mist, Mist, mistiger Doppelmist!!!
Langsam drehte ich mich um und bedankte mich bei allen Göttern die existieren, dass ich in der Dämmerung nicht gut zu erkennen war. Hinter mir im halb Dunkeln standen nämlich gleich drei Kerle.
Na, Prost Mahlzeit... Mit einem wäre ich ja noch irgendwie fertig geworden, aber drei?
....Ach, wem mache ich hier was vor? Ich hätte nicht einmal einen dieser Sorte überwältigen können, so geschwächt wie ich mittlerweile war. Ich fühlte mich, als würde die Energie regelrecht aus meinen Gliedmassen gesaugt werden. Dass ich gestern nichts gegessen und darüber hinaus auch noch das Trinken vergessen hatte, ganz zu schweigen von der mangelhaften Medikation... All das fordert nun lautstark seinen Tribut. Von den mentalen Stress durch Camis Verletzung und der Höhle der Löwen, in der ich mich gerade befand, wollte ich gar nicht erst reden.
„Wir warten..." knurrte die Stimme mit dem britischen Akzent erneut.
Meine Hände zitterten, als ich mir den Rucksack vom Rücken zog und den Inhalt vorsichtig auf der Thekenfläche ausbreitete. Der Mann, der gesprochen hatte trat näher und... Ach, du heiliger Superman!
Ich meine... ich wusste ja, dass Deutschland die Anlaufstelle für fast alles und jeden geworden war, der das Virus überlebt hatte.
Dank der letzten, halbwegs funktionalen Regierung waren wir weltweit das einzige Land, dass kein Atommeiler mehr hatte und das verdammichte Virus hatte natürlich auch nicht vor den Facharbeitern der Kraftwerke halt gemacht. Nahezu jeder Meila hatte eine Kernschmelze durchlaufen und somit waren fast 75 % der Landmasse vorerst unbewohnbar.
Und nun stand ich hier, vor ihm... Einst war er mein Lieblingsschauspieler gewesen, doch jetzt war Henry nur noch ein weiteres Raubtier. Er runzelte die Stirn und nahm eine Schachtel mit dem Schilddrüsenhormon hoch.„Wofür brauchst du das?" fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Klar, Mister... Als würde ich dir antworten! Meine Möpse konnte ich ja plattdrücken, Haare verstecken, aber meine Stimme war so hell, dass niemand, dessen IQ höher als das eines Toastbrotes war, mich für einen Mann halten würde.
„Yooh... Seb... Do you have any idea what that stuff is for?" fragte Henry an einen seiner Kumpane gerichtet und der Mann mit dem Namen Seb kam an seine Seite. Die dunkelbraunen Haare waren länger und leicht grau anmeliert, doch die ozeanblauen Augen waren so schön, wie ich sie noch Erinnerung hatte.
Seb musterte die Tabletten und schüttelte den Kopf.
„ Nope... not a clue!" antwortete er und wandte dann seine Aufmerksamkeit mir zu.
„Du solltest reden, Kleiner! Du bist bei uns eingebrochen und hast uns bestohlen. Wenn du keine noch schlimmere Strafe erhalten möchtest, als du sie dir bereits eingebrockt hast, solltest du wirklich den Mund aufmachen."
Der dritte Kerl machte sich nun auch bemerkbar, murmelte: „Das bringt doch alles nichts!" und legte den Lichtschalter um.Seine beiden Freunde drehten sich zu ihm um und Henry schüttelte tadelnd den Kopf.
„For real? Warum hast du das gemacht? Wir hätten den Kleinen auch einfach nach draußen zerren können. Dann hätten wir uns den Strom sparen können!"
Immer noch leicht angesäuert, wandte er sich wieder zu mir um während er weitersprach : „Ist es das, was du willst? Sollten wir das hier nicht lieber unter uns regeln und dir die Demütigung vor allen anderen da draußen ersparen, Jung..."
Seine blauen Augen wurden groß, als er mich im Licht sah. Seb klappte der Unterkiefer runter und dann flüsterte er: „ Bloody hell... Not a boy ... a girl!"
Panisch wich ich zurück bis mein Rücken unsanfte Bekanntschaft mit der Schubladenwand hinter mir schloss.„Whoa, whoa, whoa... easy there, little one! Ganz ruhig, kleines Mädchen. Wir tun dir nichts."
Vorsichtig näherte Sebastian sich mir und ich beschloss, dass dies der perfekte Moment für Schnappatmung war. Am ganzen Körper wie Espenlaub zitternd sank ich anmutig wie die Titanic nach ihrem unfreiwilligen Rendezvous mit dem Eisberg auf den schmutzigen Boden.
Nur am Rande bekam ich mit, wie der dritte im Bunde zur Tür hinauseilte und damit aus meinem Blickfeld verschwand. Das trug nun nicht wirklich zu Beruhigung meiner restlos strapazierten Nerven bei und die Panikattacke nahm jetzt fröhlich so richtig Fahrt auf.
Der dunkelhaarige Mann ging von mir in die Hocke und breitete seine Arme leicht zu Seite aus. Die Handflächen zeigen zu mir, um zu signalisieren, dass er mir nichts zu leide tun wollte.
Als würde ich auf diesen Bullshit reinfallen!
„Hey there, Darling... don't be afraid!" murmelte er besänftigend, doch ich zog die Beine an und vergrub mit einem Wimmern das Gesicht in meinen Armen.
„Was ist hier los?"
Eine tiefe Stimme zeigte an, dass ein weiterer Penisträger die Apotheke betreten hatte.
„Wir hatten einen stillen Alarm und sind nachschauen gegangen. Ein kleiner Eindringling hat Medikamente gestohlen und als Can das Licht angemacht hat, wurde klar, dass der Kleine in Wahrheit ein Mädchen ist. Wir haben versucht, sie zu beruhigen – nothing... Und wir haben auch versucht herauszubekommen, was für Medizin es ist, die sie stehlen wollte, aber die Kleine antwortet nicht und ist jetzt im Panikmodus!" erklärte Henry und machte einen Schritt zur Seite um den Blick auf mich freizugeben.
Zunächst trat der Fremde allerdings an die Theke und nahm eine der Tablettenschachteln in die Hand. Nachdenklich betrachtete er die Blister und murmelte dann: „Das ist Euthyrox... hm, damit behandelt man Schilddrüsenunterfunktionen. Und die Dosierung ist zudem auch noch ziemlich hoch... Der Rest, das wäre Antibiotikum und Spritzen..."
Seufzend fuhr sich der Fremde durch die halb langen, blonden Haare und schob die Medikamente in meinen Rucksack zurück. Dann ging er um den Tresen herum, als er sich mir nährte entrang sich ein erbarmungswürdiges Winseln meiner Kehle und Tränen begannen über meine Wangen zu strömen. Zittern wie Espenlaub war ein Witz gegen das Erdbeben, dass mein Körper nun erschütterte.„Seb? Nimm bitte etwas Abstand, damit das Mädchen wieder zu Verstand kommen und frei atmen kann." sagte er leise und ich konnte spüren, wie Sebastian sich widerwillig erhob und einige Schritte zurück machte. Seine vorherige Position nahm nun der Neuankömmling ein.
„Mäuschen? Mein Name ist Luke. Ich bin Arzt und zu deiner Beruhigung zudem auch noch stockschwul! Du brauchst also keine Angst vor mir zu haben... Komm, heb bitte einmal deinen Kopf und sieh mich an... Ja, so ist es gut, braves Mädchen."
Misstrauisch blinzelte ich ihn durch meine Wimpern an und fragte mich, was ich wohl verbrochen hatte, damit ich so viel grandioses Pech haben konnte. Luke lächelte leicht und hielt mir eine der Schilddrüsentablettenschachteln hin.
„Sind die für dich? Ja? Wann hast du das letzte Mal eine davon genommen?" Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er mich abwartend an und irgendwas in seinem Ausdruck hielt mich davon ab, das Blaue vom Himmel runterzulügen.
„Ist schon paar Wochen her," flüsterte ich müde und heiser und versuchte, krampfhaft mit der Schubladenwand hinter mir zu verschmelzen.
Luke warf einen Blick über die Schulter zurück und sagte mit scharfen Tonfall: „Henry? I need a bottle of water. Quick, please!"
Verwirrt sah ich zu dem jungen Arzt auf. Wobei jung vermutlich ein dehnbarer Begriff war, denn er war mindestens schon fünfunddreißig. Nur wenig später kam der Brite mit einer Flasche Wasser zurück, welche er mir vorsichtig hinhielt. Misstrauisch musterte ich das kühle Nass.
Oh, nein...darauf würde ich nicht reinfallen! Wer weiß, was er da hinein gemischt hatte... Betäubungsmittel? K.o. Tropfen?
Heutzutage war schließlich möglich...
Der Arzt nickte verstehend, nahm Henry die Flasche ab, öffnete sie und trank mehrere Schlucke. Als ich merkte, dass er nicht aus den Latschen kippte, nahm ich das Getränk entgegen und drückte zwei Tabletten aus dem Blister. Nachdem ich einmal angefangen hatte zu trinken, konnte ich nicht aufhören.
Gott, was hatte ich für einen Durst!
Zufrieden nickte Luke erneut - er mutiert langsam zu einem Wackel Dackel - dann erhob er sich und streckte die Hand nach mir aus.
„Komm hoch, Kleines... lass mich dich einmal anschauen. Bist du noch irgendwo verletzt? Oder wofür brauchst du das Antibiotikum?"
Als würde ich jetzt auch noch meine beste Freundin in die Scheiße reiten! Mit absoluter Sicherheit nicht!
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Das Virus
Science FictionLasst euch impfen, haben sie gesagt. Dann wird das alles nicht so schlimm, haben sie gesagt. Wir werden das alles zusammen überstehen, haben sie gesagt... Ja... Schöner Mist, sage ich. Das Coronavirus hat sich tatsächlich als eine weltweite Pandemi...