Und noch mehr Männer!

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Am liebsten hätte ich die Arme vor der Brust verschränkt, wie das verstockte kleine Kind, als dass ich mich gerade fühlte. Doch der scharfe Blick des Arztes riet mir davon ab... Irgendetwas sagte mir, dass er einem der drei Männer hinter mir sonst befehlen würde, mich festzuhalten und wenn ich ehrlich war... Da war ich im Moment nicht wirklich scharf drauf.
Linda schob den Ultraschallwagen neben das Bett und Luke griff nach den Gleitgel.
„Das wird jetzt etwas kühl werden," sagte er mit einem verschmitzten Lächeln und dann musste ich auch schon ein leises Quietschen unterdrücken.
Etwas kühl war also ein anderer Ausdruck für Arschkalt.
Gut zu wissen...
Musste ich mir unbedingt merken!
Er warf mir ein entschuldigenden Blick zu, griff nach dem Ultraschallkopf und begann ihn behutsam über meine linke Brust zu führen.
Nach einigen Sekunden schnalzte er unwillig mit der Zunge und wechselte zur rechten Seite über. Hier reagierte er auf die gleiche Art und Weise, nahm schließlich ein weiches Tuch und wischte mir behutsam das Gel von der Haut.
„Werde ich sterben, Doc?" fragte ich scherzhaft und Seb reagierte auf diese Frage mit einem unwilligen Knurren.
Kurz zuckten die Mundwinkel des Arztes, dann schüttelte Luke den Kopf.
„Nein, wirst du vorerst wohl nicht. Es ist kein dauerhafter Schaden entstanden... Die Milchgänge sind in beiden Brüsten gequetscht, aber das sollte mit der Zeit von alleine ausheilen. Hast du Schmerzen?"
Ich überlegte...
Hatte ich Schmerzen?
Ich würde sagen, es war schon mal schlimmer. Was der zum Glück ziemlich tote Doktor Lector mit seinen Fingern in meinem Unterleib angestellt hatte, hatte mir sehr viel mehr weh getan.
Insofern konnte ich das nicht wirklich Schmerzen nennen. Eher ein Unwohlsein...
Ja, das war der passende Ausdruck dafür.
Also schüttelte ich den Kopf und sah mich sehnsüchtig nach einer Bedeckung um.
Einer der Männer hinter mir reagierte und zog mir ein regelrechtes Zelt über. Das Shirt war warm und roch nach einer Mischung von Mann und Waschmittel.
Hmmm...
Gefiel mir.
Zufrieden am Kragen schnuppernd versank ich in dem Stoff und wackelte mit den Beinen.
Linda schmunzelte und lehnte sich in die Arme ihres Bruders.
Während ich die beiden betrachtete, überkam mich eine Woge der Freude. Luke würde sich gut um seine Schwester kümmern, das wusste ich einfach. Dass die zwei sich wiedergefunden hatten, grenzte in dieser zerstörten Welt an ein Wunder. Ich konnte nur hoffen, dass der Rest der Stadtbewohner sich von ihrer besten Seite zeigen würden und ihr die Zeit geben konnten, das Trauma des Re-Populationslagers hinter sich zu lassen.
Linda war nicht für die Wildnis geschaffen und sie mit mir zu nehmen, wenn ich die Stadt wieder verließ, käme vermutlich einem verspätet einsetzendem Todesurteil gleich...
Klar, Cami und ich hatten auch unsere Zeit gebraucht, um mit den Herausforderungen umgehen zu können. Aber diese Welt verzieh Fehler egal wie groß oder klein einfach nicht und dass Cam und ich es bisher relativ unbeschadet überstanden hatten, verdankten wir neben unseren Fertigkeiten zum Teil der nahezu unanständigen Menge an Glück und den zahllosen Überstunden unserer Schutzengel.
Und so kurz vor der kalten Jahreszeit konnten wir schlichtweg niemanden in der Kunst des Überlebens trainieren... nicht wenn wir - dank der entführerischen Volldeppen des Lagers - wieder bei Null anfangen mussten. Dazu kam ja auch noch, dass wir den Mini Schneewittchen Verschnitt irgendwo abladen mussten.
Goooott... dazu hatten wir doch erst recht keine Zeit!
„Sophie? Alles in Ordnung? Du wirkst leicht abgelenkt," fragte Luke und seine Schwester nickte einem Wackeldackel gleich zur Bekräftigung.
Ich winkte ab. Meine Sorgen musste ich ihnen ja nicht unbedingt aufs Auge drücken.

Ein lautes Klopfen ließ uns alle hochschrecken...
„Luke? Wir bräuchten ne Handvoll Asperin... Woah... what the fuck?"
Wir standen einer regelrechten Ansammlung von Riesen gegenüber. Allen voran ein Mann mit langen Haaren, Vollbart und einem dezent grimmigen Gesichtsausdruck.
Wäre meine Besti jetzt gerade hier, würde sie vor Begeisterung im Dreieck springen. Jason war schon immer ihr absoluter Lieblingsschauspieler gewesen und das auch er es nach Deutschland und ausgerechnet in diese Stadt geschafft hatte, wäre für sie Beweis genug, dass es tatsächlich einen Gott gibt.
Die Neuankömmlinge sahen sich kurz an, dann traten sie wie ein Mann über die Schwelle und schlossen die Tür hinter sich.
„Okay... I'm pretty sure, I've seen you before," sagte Aquaman und musterte mich aus blitzenden dunkelbraunen Augen.
Ein Teil von mir beobachtete amüsiert, wie Sebastian, Henry und Can sich langsam vor mich schoben, um mich aus der Aufmerksamkeit hinauszubekommen. Der andere Teil überlegte ernsthaft, aus dem Fenster zu springen und wir befanden uns im dritten Stock, wohl gemerkt.
Linda versuchte derweil, sich hinter ihrem Bruder und dem Ultraschallwagen zu verstecken.
„Relax! Wir tun euch doch nichts." warf ein junger Mann in meinem Alter ein, der faszinierende, hellgrüne Augen hatte. Als er mich anlächelte, gruben sich zwei unglaublich niedliche Grübchen in seine Wangen...
Verdammt, ich stand auf Grübchen!
Und anscheinend auch auf grüne Augen...
Ach, menno!
Warum?
Warum in drei Teufels Namen war meine Libido nochmal aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht?
Finster funkelte ich Seb an.
Er war es gewesen! Mit seinem Lächeln, diesem Killer Dackelblick, dieser unfassbar sensationellen Art zu küssen...
Fuuuuuck!
„Knurrst du gerade?" fragte Luke entgeistert und ich wechselte von Knurren zu Fauchen.
Wenn das so weiterging, würde ich hier gleich die halbe Tierwelt mit ihren genervtesten Lauten wiedergegeben haben!
„Er ist schuld!" anklagend deutete ich auf Sebastian, was dieser mit einem fragenden Blick kommentierte.
„Seine Schuld? Was meinst du damit? Er war die ganze Zeit im Raum... Seb hat bestimmt niemanden verraten, dass ihr zwei hier se.."
„Ach, das meine ich doch gar nicht!" maulte ich und hüpfte finster dreinblickend von der Krankenliege.
Linda musterte mich mit zusammen gekniffenen Augen und grinste mit einem Mal wissend. Als Frau schien sie schneller eins und eins zusammenzählen zu können, als der männliche Teil der Anwesenden.
„Kein Wort!" zischte ich ihr zu, untermalte die Drohung mit einem eher nicht funktionierenden Todesblick und stapfte wie ein wütender Bär zu den Stühlen am anderen Ende des Zimmers.
Mein Abgang hätte beeindruckend sein können, wenn dieser dämliche Schwindel nicht beschlossen hätte, mir mit der Wucht einer Dampframme eins überzubraten.
Der Boden kippte buchstäblich unter meinen Füßen weg und ich machte mit einem Bauchplätscher der Länge nach vorne intensive Bekanntschaft mit dem Boden.
„SOPHIE!" schrie Linda und stürzte an der Seite ihres Arztbruders auf mich zu.
Ich hätte ja gerne etwas zu ihrer Beruhigung gesagt, aber noch bevor einer der beiden mich erreichen konnte, gingen bei mir die Lichter aus...

...

Das VirusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt