(Triggerwarnung)
Der Schneefall wurde dichter und dichter, doch Orion hielt mühelos mit dem voranstürmenden Hund Schritt.
Bran hetzte vollkommen stumm auf die Quelle des schauerlichen Geheuls zu, die Fänge gefletscht, die Ohren angelegt... bereit dem Rudel ein Ende zu setzten, sollte es tatsächlich so strunzdämlich gewesen sein, seinem Frauchen und seinem Bruder etwas zu Leide getan zu haben.
Akelas dröhnendes Bellen kam näher und dann endlich erreichten wir die Lichtung, durch welche der kleine Fluß führte - ja, genau der, in dem ich bereits auf meiner Jagd nach Honig ein recht unfreiwilliges Bad genommen hatte.
Und Bran fackelte nicht lange.. er warf sich auf den erstbesten Wolf und brach ihm mit einem Zuschnappen der mächtigen Kiefer das Genick.
Ich nahm mir jedoch kurz die Zeit, die Lage genau zu erfassen... Cami stand mit dem Rücken zum Wasser, der schwarze Hund machte einen auf Höllenbestie und hatte sich beschützend vor ihr aufgebaut. Der Boden unter den schweren Pfoten war zerwühlt und bereits blutgetränkt von dem Wolf, der anscheinend einen Todeswunsch gehabt und meine Besti angegriffen hatte.
Das restliche Rudel war im Halbkreis aufgebaut und schnappte immer wieder geifernd in ihre Richtung.Als wir dazu stießen brach ihre Formation auf und nun standen auch Bran, Orion und ich im Fokus. Der Leitwolf duckte sich und sprang den Hengst an... warum, wusste ich auch nicht. Ich hatte echt gedacht, nach ihrer ersten Begegnung mit Ardanwen hätten die Viecher ihre Lektion gelernt.
Ri stieg mit einem wilden Wiehern und seine Hufe wirbelten wie Keulen durch die Luft. Anscheinend war ich durch meine Erkältung während der letzten drei Wochen geschwächter als gedacht, denn anders als sonst hielt ich mich nicht auf seinem Rücken, sondern flog im hohen Bogen ins Gestrüpp.
„Auuu..." jammerte ich leise und sah mich Auge in Auge mit einem der zähnefletschenden Carnivoren.
Da half nur Improvisation!
Ich packte eine große Handvoll Schnee und schleuderte diesen zielsicher auf den etwa einen halben Meter entfernt lauernden Wolf - und verfehlte...
War ja so was von klar!
Das Vieh schaute kurz verdutzt drein, als der Schneeball an ihm vorbeisegelte und Bran am Hinterteil traf.
„Ups... Sorry, Großer!" japste ich völlig überflüssig und rappelte mich mühsam auf. Dabei angelte ich mir einen dicken Ast aus den Dornenbusch und schlug damit in Richtung des zähnebleckenden Mistviehs.
Sofort schnappte der Wolf nach meinem improvisierten Knüppel und so begann ein munteres Tauziehen, welches das Tier so was von haushoch gewann.
Triumphierend schwenkte der Wolf seine Beute und ich nutzte die Gelegenheit, um ihm einen saftigen Tritt auf die Schnauze zu verpassen. Jaulend wich er zurück und ich stürzte zu Cami, die unter einem großen grauen Weibchen begraben war, welches versuchte ihr die Kehle rauszureißen.
Ich takelte das Drecksvieh und befreite somit meine nach Atem ringende Freundin.
„Danke," ächzte Cam und ich zog sie hoch. Gemeinsam wandten wir uns den Wölfen wieder zu... dank Bran und Orion hatten wir an Boden gewinnen können, dennoch sah es eher finster aus.
„Wo ist dein Bogen?" zischte ich leise in Camis Richtung und bückte mich nach einem handlichen Stein.
„Na, wo wohl?" fauchte sie genervt zurück und tat es mir gleich. Zum Glück war sie wesentlich treffsicherer als ich und erwischte einen der angreifenden Wölfe an der Flanke. Ohne Zögern reichte ich ihr mein Wurfgeschoss und suchte mir direkt das nächste.
Derweil wüteten ihre beiden Hunde wie die Teufel und säten Tod mit jedem Bissen.
Bis auf das Knurren, Heulen und Wiehern war es vollkommen still im Wald... alle anderen Tiere waren in Deckung gegangen, um ja nicht in Gefahr zu laufen, zwischen die Fronten zu geraten.Cami sah wie Akela in Bedrängnis geriet, schnappte sich einen weiteren Stein und warf sich schreiend ins Getümmel.
„SAG MAL, BIST DU JETZT VÖLLIG BEKLOPPT?" brüllte ich und tat es ihr gleich.
Spätestens jetzt hatte ich total den Überblick verloren, lediglich Orion war allein durch seine schiere Größe leicht auszumachen.
Ein Wolf sprang mir in den Rücken und ich spürte seinen heißen, stinkenden Atem in meinem Nacken... Adrenalin pumpte durch meine Adern, als ich mich rückwärts warf und das Drecksviech unter mir begrub. Ein scharfes Knacken und dann ein schrilles Jaulen ertönte und ich war wieder frei.
Das feuchte, warme Gefühl welches mir den Rücken hinunter lief, ignorierte ich nun konsequent.
Cam war wichtiger!
Und erst jetzt kam ich auf die glorreichen Idee, nach den anderen beiden Hengsten zu pfeifen.
Währenddessen hatte sich eine der wilden Misttölen in Cams Oberschenkel festgebissen... also versuchte ich das Gebiss des Wolfes aufzubrechen, derweil hing meine Freundin an dem nächsten, um diesen daran zu hindern, Bran den Bauch aufzureißen.
Lautes Wiehern kündigte Verstärkung an und endlich mischten sich auch Ardanwen und Fedaikyn ein. Das genügte dem Rudel anscheinend, denn sie sahen mit eingekniffenen Ruten zu, dass sie Land gewannen.
Keuchend blickte ich mich um... und mir ging der Allerwerteste auf Grundeis. Sowohl die beiden Hunde, wie auch Orion hatten einiges einstecken müssen und Cami... scheiße!!!
Sie lag bewusstlos da, Blut sprudelte aus der tiefen Bisswunde in ihrem rechten Oberschenkel.
Aufschluchzend krabbelte ich zu ihr und schlüpfte aus meiner Jacke. Dann zerrte ich das T-Shirt unter meinem Pullover hervor und improvisierte damit eine Wundpresse.
Da würden keine Verbände mehr helfen! Wir brauchten einen Chirurgen...
Dringend... mehr als nur dringend!
„Ardanwen... sìos leat!" rief ich und der schwarze Hengst sank wie ein Kamel anmutig zu Boden und legte sich nieder.
Ich zerrte meine ohnmächtige Freundin zu dem Tier und hievte sie mühevoll auf den breiten Rücken.
Dann saß ich hinter ihr auf, friemelte mich in die Jacke zurück und schnalzte mit der Zunge. Ardanwen erhob sich elegant und ich lenkte ihn in Richtung Stadt...
Luke war Camis einzige Chance...
Zum Glück waren Bran, Akela und die beiden anderen Hengste noch halbwegs gut beisammen, denn als ich dem Rappen den Kopf freigab, folgten sie treu an unserer Seite...Und wieder einmal bewiesen mir die Pferde, wie intelligent sie waren...
Denn nachdem ich die Elfengrotte nicht ansteuerte, fiel Ardanwen in seinen Schaukelstuhlgalopp und lief zielsicher durch den dichten Schnee drauflos.
Ich hatte bereits nach wenigen Metern die Orientierung verloren und war unfassbar froh, als Orion als Leittier die Führung übernahm. Er war von meinen drei Pferden am häufigsten in der Stadt gewesen... wenn also einer den Weg dorthin zurückfand, dann war er es!
Es gab keine erkennbaren Orientierungspunkte mehr... die Zeit hatte keine Bedeutung... alles verschwamm zu einem Wirbel aus weißer Kälte und heißem Rot...
Ich klammerte mich mit aller Kraft an die Mähne des schwarzen Hengstes und beugte mich weit über Cami, damit mein Gewicht sie an Ort und Stelle hielt.
Immer wieder musste ich husten und bei jeder Bewegung spürte ich warme Feuchtigkeit über meinen Rücken rinnen.
Ich musste definitiv Fieber haben, wenn mir der Schweiß bereits den Pullover vollsaute...
Wieder und wieder checkte ich voller Panik den Puls meiner Freundin, prüfte, ob die Wundpresse noch an Ort und Stelle war und weiterhin brav ihre Arbeit verrichtete.
Es war so fürchterlich kalt... das Blut, welches unter dem improvisierten Verband hervorsickerte, gefror im schneebestäubten Fell des Rappen.
Ich bemühte mich wenigstens Camis Hände durch Reibung zumindest ansatzweise vor Erfrierungen zu bewahren und bemerkte daher die dunklen Flecken am Rande meiner Wahrnehmung nicht, die mich andernfalls vor einem totalen körperlichen Zusammenbruch gewarnt hätten.
Ich nahm auch nur bedingt wahr, wie Bran nach etlichen Stunden die letzten Kraftreserven mobilisierte, auf einmal vorwärts preschte und laut bellend an Orion vorbei wie ein weiß eingestäubter Blitz zwischen den Häuserschluchten verschwand.
Akela folgte nur Sekunden später, während Ardanwen nun im Schritt weiterging.
Die Hengste waren erschöpft... sehr erschöpft.
Und wäre die Taubheit in meinen Gliedern nicht schon auf mein Gehirn übergeschwappt, hätte ich mir wahnsinnige Sorgen um meine drei Jungs gemacht.
Irgendwo in meinem Hinterkopf wusste ich genau, dass bei mir die Lichter jede Sekunde ausgehen konnten, nur der eiserner Wille, meine geliebte beste Freundin - die einzige Familie die ich noch hatte - in Sicherheit zu Luke bringen zu müssen, hielt mich im Hier und Jetzt.
Ich sackte auf Cami zusammen, mein Atem ging rasselnd in der kalten Winterluft und mittlerweile zitterte ich völlig unkontrolliert.
Ich konnte meine Augen nicht mehr offen halten, klammerte mich aber mit der Kraft der Verzweiflung an Pferd und Freundin, damit ich keinen von beiden verlor.
Würde sie oder ich jetzt von Ardanwen fallen, war es das dann.
Ich hatte ja nicht mal mehr genug Kraft, einen Arm zu heben... wie sollte ich dann einen oder gar uns beide wieder zurück auf den Gaul hieven?
Dunkelheit drängte sich in mein Bewusstsein und begann alles nach einander auszuknipsen....
„DA SIND SIE!" brüllte eine tiefe Stimme durch das Schneetreiben hindurch und Cami rutschte mir aus den Armen.
„Nein..." lallte ich und griff verzweifelt zu... sie durfte nicht fallen!
Ich musste sie doch retten!
„Lass sie los, Baby... wir müssen euch beide zu Luke bringen. Gib sie Jason. Komm schon Sophie... du hast euch bis hier hergebracht, jetzt lass uns unseren Teil dazu beitragen!"
Sebastian?
War er es?
Oder doch nur noch die Einbildung meines erfrierenden Verstandes?
„...bastian?" murmelte ich...
„Yeah, Darling. Let go! We've got you!"
Starke Arme zogen mich von Ardanwen und der Rappe wieherte leise. Trotz der schleichenden Lähmung in meinen Gedanken, spürte ich die Sorge der Hengste... ihre Unruhe.
„Die Pferde... jemand muss... Wärme... versorgen...," stammelte ich und Henrys Stimme sagte ganz in meiner Nähe:
„I'll take care of them..."
Ich versuchte die Aufmerksamkeit der Sturmpferde durch einen Pfiff zu erlangen, doch meine Lippen waren scheinbar eingefroren.
Daher röchelte ich nur:
„A' cur earbsa ann..." und weg war ich...——————————————————————
‚sìos leat!' - ‚Runter mit dir!'
‚A' cur earbsa ann' - ‚Vertraut ihm'
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Das Virus
Science FictionLasst euch impfen, haben sie gesagt. Dann wird das alles nicht so schlimm, haben sie gesagt. Wir werden das alles zusammen überstehen, haben sie gesagt... Ja... Schöner Mist, sage ich. Das Coronavirus hat sich tatsächlich als eine weltweite Pandemi...