Als Sebastian schließlich den Kuss unterbrach, schwebte ich selig und leider auch ziemlich dümmlich vor mich hingrinsend zwischen Himmel und Erde dahin und war unendlich dankbar für seine muskulösen Arme, die mich sicher auf den Füßen hielten.
„Are you alright, little one?" fragte der Amerikaner mit einem frechen Grinsen und strich mir zärtlich durch die widerspenstigen Locken.Ääääh.... Worum ging es noch mal gleich?
Ach ja,... Türmen war angesagt!
„Sorry, ich muss weg."
Rasch drehte ich mich um und wand mich unter seinem Arm hindurch. Dann wetzte ich wie vom wilden Affen gebissen in die von ihm zuvor angegebene Richtung los.
„No, wait... Sophie!"
Seine Stimme wurde leiser und ich verschmolz durch die dunklen Klamotten dankenswerter Weise mit der Dunkelheit... uuuuund sprintete mit Karacho gegen Feuerlöscher Nummer sieben!
Leise vor Schmerz jaulend hüpfte ich auf einem Bein weiter und entschied, das Tempo gerade höchst kontraproduktiv war.
Also schalte ich einen Gang runter und machte jetzt einen auf blinde Kuh...
Mit ausgestreckten Händen tastete ich mich um die nächste Ecke und dann den folgenden Gang entlang.
Nur gut, dass ich das getan hatte.
Ansonsten wäre ich jetzt mit voller Wucht gegen die Wand am Ende des Korridors gewämmst.
Ein wenig in der Finsternis herumgefummelt, schon fand ich tatsächlich die besagte Tür und... Juhuu...!
Sebastian hatte mich nicht angelogen, denn kühle, zugige Luft und das Mondlicht, das durch das riesige Fenster des Treppenhauses fiel, offenbarte mir genau das... eine Treppe!Oder, um einmal den Film Braveheart zu zitieren: FREIHEIT!!!
Schnell – aber trotzdem vorsichtig kraxelte ich die Stufen hinab – die mannigfachen Begegnungen mit diversen Feuerlöschern und Wänden hatte sich langsam doch tatsächlich eingeprägt! Und als ich die Tür am Fuß der Treppe behutsam öffnete, stürmte die kalte Nachtluft auf mich ein und belebte meine Gliedmassen und klärte meinen Kopf. Hinter mir ging die Beleuchtung des Treppenhauses an und das interpretierte ich nun als Startschuss.
„SOPHIE!!! WAIT, PLEASE!!!"
Ja, nööö... so was von nicht!!
Vor allem da ich jetzt, wie als ein Ansporn in der Ferne Akelas Geheule wiederzuhören bekam. Also sprintete ich los, als wären sämtliche Dämonen der Hölle hinter mir her. Freudig realisierte ich zudem, dass der Sprint durch eine Stadt sehr viel leichter zu managen war wenn die Straßen menschenleer waren und ich somit nicht behindert, oder eventuell dadurch abgelenkt wurde, mich alle naselang unter zu grabschenden Händen hindurchzuducken zu müssen.
Wesentlich leichter!Ein ganzes Stück weiter hinter mir wurden Stimmen laut, riefen nach mir... mich anflehten zu warten, damit sie mir helfen konnten, doch mein Sturkopf ließ selbstverständlich alles an sich abprallen. Jetzt wo Akela nach mir heulte, würde er mich zu Cami bringen können! Und so pfiff ich lautstark nach Orion und als die Hufschläge meines Pferdes sein Kommen angekündigten, spürte ich eine seltsame Mischung aus Angst, Aufregung und... Trauer...?
Verdammt, ein Kuss hatte anscheinend genügt, um meine Eierstöcke aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und nun weinten sie regelrecht einem gewissen Amerikaner mit ozeanblauen Augen nach.
Hey, warum konnte er auch so göttlich küssen? Verdammter Doppelmist aber auch!Noch während ich seinen süchtigmachenden Lippen nachtrauerte, schälte sich der gewaltige Körper des Hengstes aus der Dunkelheit. Und nicht zum ersten Mal war ich für den sechsten Sinn dieser Pferderasse dankbar, die wie Bergziegen trittsicher in jedem Gelände waren und durch ihre außergewöhnlichen Instinkte auch bei Nachts stets ihren Weg fanden.
Schnaufend blieb Ri neben mir stehen und rieb sein weiches Maul an meiner Wange. Die bebenden Nüstern schnupperten mich auf Verletzungen ab und schließlich kaute der Hengst zufrieden auf eine Haarsträhne herum. Ein lautes Kläffen war meine einzige Warnung und schon fand ich mich auf meinem Rücken liegend wieder und ein hundert Kilo schwerer Riesenkötter lag auf mir drauf und versuchte, in wilder Freude jedes erreichbare Körperteil von mir gleichzeitig abzulecken.„Oiiii..." merkte ich treffend an und rieb mit einem schmerzerfüllten Stöhnen meinen Hinterkopf. Und als ich mich unter den freudig hin und her hopsenden Vieh hervorwand, ließ ich meinem pochenden Steißbein die gleiche Behandlung zu Teil werden.
„Verdammt, Akela! Sitz!"
Gehorsam wie der Hund nun mal war, sprang er wild mit der Rute wedelnd an mir hoch und ich schloss erneut unsanfte Bekanntschaft mit dem Asphalt!
„SOPHIE...!"
Okay, genug der Spielchen. Ich packte das Nackenfell des Rüden und schob ihn von mir weg... Er schien das für ein großartiges Spiel zu halten, oder vielleicht war Akela auch nur außer sich vor Freude mich wiederzusehen, jedenfalls bellte er, als gäbe es kein Morgen und führte so meine Verfolger schnurstracks in meine Richtung.
Ihre Rufe wurden immer lauter und anscheinend klingelte es jetzt auch endlich bei dem dödeligen Riesenköter, dass da was im Busch war und er hielt inne. Langsam drehte er sich mit steil aufgerichteten Lauschern in Richtung Innenstadt. Die Rute streckte sich wie in Zeitlupe nach hinten und das Nackenfell richtete sich auf. Ein drohendes Knurren wurde immer lauter und lauter und ich erkannte die gefährlichen Anzeichen.
Wenn ich nicht schnell machte, dass wir Land gewannen, würde Akela Kleinholz aus den Männern machen. Inklusive des süßen Amerikaners mit den magischen Lippen.Aaarrgh... genug Sophie!
Komm mal wieder runter!!! Zuerst erfolgreich sich verkrümeln, dann Cami finden, eine ebenso erfolgreiche Rettungsmission meiner Besti starten, zu zweit in den Sonnenuntergang reiten und danach konnte ich immer noch meinen Eierstöcken und der weinenden Libido beim Liebeskummer helfend eine Hand reichen!
Ich schwang mich auf Orion und zog den Hengst herum.
„AKELA! BEI FUSS! JETZT!!" donnerte ich und diesmal geschah das Wunder und der zu allem entschlossene Hund gehorchte, zwar immer noch bösartig vor sich hin knurrend... aber immerhin!
Ich gab Ri einen Schenkeldruck und er fiel in einen weit raumgreifenden Trab. Kaum hatten wir die Randbezirke erreicht, zog Orion das Tempo an und galoppierte durch die Nacht. Seine lange Mähne schlug mir ins Gesicht, als ich mich vorbeugte. Zum einen, um den Hengst zu unterstützen, zum anderen um von der Körperwärme des Pferdes zu profitieren... Akela war ein lautloser Schatten an unserer Seite, sein schwarzes Fell verschmolz mit der Umgebung und nur das bernsteinfarbene Glühen seiner Augen und das Hecheln zeigte mir, dass er da war.Etwa eine halbe Stunde später nährten wir uns einem Steinbruch und ich entschied, dass wir hier auf den Morgen warten würden. Die Nacht war entschieden zu kalt um im T-Shirt stundenlang durchzureiten. Schnaubend verlangsamte Orion seine Geschwindigkeit und kam schließlich zum Stehen. Steif gefroren glitt ich sehr unelegant von seinem Rücken und tastete mich um die Felsen herum auf der Suche nach einer windstillen Ecke. Hund und Hengst folgten als stille Wächter, bis ich endlich fündig wurde. Ri stupste mich an, dann legte er sich wie ein Kamel nieder und ich schmiegte mich an seinem warmen Bauch, während Akela wie eine lebende Decke auf mich draufkletterte. Sein langes, dichtes Fell gab mir sofortige Wärme und so dämmerte ich langsam in einen unruhigen Schlaf...
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Das Virus
Science FictionLasst euch impfen, haben sie gesagt. Dann wird das alles nicht so schlimm, haben sie gesagt. Wir werden das alles zusammen überstehen, haben sie gesagt... Ja... Schöner Mist, sage ich. Das Coronavirus hat sich tatsächlich als eine weltweite Pandemi...