Es kommt auf den Exit an!

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Luke blockte den direkten Blick auf mich, so dass ich mich ein wenig sicherer fühlte - obgleich die Präsenz von Henry und Sebastian den ganzen Raum auszufüllen schien.
„Achte einfach nicht auf die beiden," schlug mir der Arzt leise vor und lächelte mich beruhigend an.
‚Na, klar, doch, Doc... Ich ignoriere einfach die Gefahr und trinke ein schönes Tässchen Tee mit dir,' dachte ich gallig.
Als hätte Luke meine Gedanken gelesen, grinste er breit.
„Hast du noch Durst? Oder Hunger? Hast du irgendwo Schmerzen?" fragt er nun wieder ganz Onkel Doktor und ich presste bockig die Lippen fest zusammen. Er sah mich auffordernd an, als ich jedoch nicht auch nur an eine Antwort zu denken schien, seufzte Luke und lehnte sich gegen den Tresen.
„Okay... Dann fangen wir vielleicht mit etwas einfachem an. Wie heißt du eigentlich?"
Unruhig scharrte ich mit dem Fuß auf dem Boden und überlegte, ob ich meinen Namen preisgeben sollte. Konnten sie ihn auf irgendeine Weise gegen mich verwenden? Schließlich aber trug meine gute Erziehung, den Sieg davon und ich flüsterte: „Sophie".
Der Arzt lächelte warm und neigte den Kopf.  „Es freut mich, dich kennen zu lernen, Sophie. Wie alt bist du?" Alsooo... das gleiche Spiel in grün... wieder überlegte ich, bis ich dann doch mein Alter preisgab.

„Danke für dein Vertrauen," sagte Luke sanft. Die ganze Zeit über beobachtete er mich allerdings mit Argusaugen, was mir unbehagliche Schauder über den Körper jagte.
„Sophie, ist dir bewusst, dass du eine Schon-Haltung eingenommen hast? Du hast Schmerzen... Erlaubst du mir, dich einmal durchzuchecken?"
Sofort ging ich auf Abwehr.
Namen verraten, okay... Alter verraten, auch noch okay... Aber mich hier vor drei Männern zu entblößen, no way!! - selbst wenn einer von ihnen schwul war, die anderen beiden waren dennoch sehr, sehr hetero!
Na, das ging dann wohl doch zu weit. Wäre Luke alleine, dann würde ich es unter Umständen tatsächlich in Erwägung ziehen. Der Sturz vom Bären vor zwei Nächten hatte mir ein beeindruckendes Hämatom beschert, welches jetzt auch noch ziemlich weh tat. Einzig dem Adrenalin war es gedankt, dass ich das Mistding bislang nur mäßig gespürt hatte.
Luke sah Henry und Seb an und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Tür.
Konnte der Mann etwa Gedanken lesen? So ganz allmählich wurde er mir schon ein wenig unheimlich!
Ausgesprochen widerwillig verließen die beiden Männer den Raum und der Arzt wandte sich mir wieder zu.
„Bist du ein Telepath?" platzte ich heraus, was ihm zum Lachen brachte.
„Nein, Kleines. Aber so ziemlich jeden Gedanken kann man dir von deinem hübschen Gesicht ablesen. Du bist quasi ein offenes Buch... Also? Zeigst du mir jetzt wo ist dir weh tut?"
Joar... jetzt konnte ich mich nicht mehr wirklich rausreden, oder? Klar, Luke, war auch ein Kerl, aber... ICH war keiner! Also sollte ich bei seinen Neigungen wohl sicher sein... Plus, er war Arzt... Also zog ich - natürlich nach einem letzten skeptischen Blick in Richtung der Tür - mir das Shirt über den Kopf und stand jetzt, abgesehen vom Unterhemd, welches ich mir um die Brüste gewickelt hatte, sehr freizügig vor ihm.

Leise pfiff der Mann durch die Zähne, stieß sich von der Theke ab und trat auf mich zu, den Blick nicht auf meinen Möpsen, sondern auf dem beachtlichen blauen Fleck, der fast meinen ganzen Bauch einnahm.
„Scheiße, Sophie... Wie zum Geier ist das denn passiert? Darf ich?"
Nachdem ich zögernd mein Einverständnis genickt hatte, tastete er sanft erst über die Ränder des Hämatoms, dann bewegten sich seine Finger weiter zum Zentrum vor. Ich zuckte zusammen und schlug seine Hände weg... Tränen des Schmerzes schossen mir in die Augen und schniefend wich ich vor ihm zurück.
„Hey, tut mir echt leid, Kleines. Das sieht wirklich nicht gut aus... Ich würde dich gerne mit zum Ultraschall nehmen, nur um auszuschließen, dass du innere Verletzungen hast."
Ich blinzelte gegen den Tränen-Strom an, während seine Worte einsanken.
Bitte was? Wovon träumte der Knabe denn Nachts bitte schön?
Als wäre ich so kolossal strunzdämlich, um sehenden Auges in mein Untergang zu hüpfen!
Nee, lass mal, Doc!
Ich hatte vor, mein Leben als Jungfrau zu beschließen. Das war wesentlich sicherer, als von X Kerlen durchgepimpert zu werden, oder - was noch viel schlimmer war - in eines dieser grauenvollen Lager gestopft zu werden. Da würde ich doch lieber an inneren Verletzungen verrecken, vielen Dank auch!
Just als ich meinen Unmut laut kund tun wollte, wurde die Tür aufgerissen und Henry stürzte in den Raum, dicht gefolgt von Sebastian und Lichtschaltertyp, welchen ich nun als ehemals bekannten türkischen Schauspieler einordnen konnte.
„Luke, they know, she's here! Woah ... Darling, what the fuck happened to you?"
Mit einem entsetzten Quiecken versuchte ich hektisch in mein Shirt zu schlüpfen und verhedderte mich natürlich vollkommen. Immer panischer zog und zerrte ich an vermaledeiten Kleidungsstück und schluchzte vor lauter Frustration und Angst. War ich jetzt echt schon zu dämlich, mich richtig anzuziehen?

Zwei warme Hände griffen behutsam zu und halfen das völlig verdrehte T-Shirt über meinen Kopf zu bekommen und als meine Sicht endlich wieder frei war, sah ich in die ozeanblauen Augen von Sebastian. Zärtlich strich er mir die Tränen von den Wangen und sagte leise. „Easy, little one... Don't hurt yourself, okay?"
Wie der Dorftrottel vom Dienst nickte ich, sehr Wackeldackelmäßig und sah mich Hilfe suchend nach Luke um.
DER ARSCH WAR WEG!!!!
Echt jetzt?
ECHT JETZT?!!
Lauter Tumult lenkt mich von seinem Verschwinden und dem zugegebenermaßen attraktiven Mann vor mir ab und mein Herzschlag beschleunigte von normal auf Lichtgeschwindigkeit. Im Türrahmen drängten sich mehrere Penisträger mit erregter Miene und starrten mich an, als wäre ich ein drei Sterne Menü - mit 15 Gängen versteht sich - gekocht von Gordon Ramsey höchstpersönlich.
Ich wurde kreidebleich und Seb drehte sich so, dass er vor mir stand, um mich vor dem Ansturm notgeiler und schwerst untervögelter Typen zu beschützen.
Zeit für einen Abgang entschied ich, schnellte nach vorne und griff meinen Rucksack. Ihn überstreifen und ins Halbdunkel des Flurs zurückweichen war eine Bewegung. Doch Henry streckte warnend die Hand nach mir aus und rief: „NO! Baby... Don't! Not that way!! They are waiting for you at the back of the Building!"
Na, ganz große Klasse!
Panisch ruckte mein Blick durch das Zimmer... und blieb an der Dachluke hängen...
Schwierig, aber nicht unmöglich!
Ich konzentrierte mich auf meine zwar verschütteten, aber immer noch vorhandenen Parcours Fähigkeiten und rannte los. Rasch hangelte ich mich an der Regalwand in die Höhe und nutzte versteckte Nischen, so dass ich schließlich auf einem schmalen Balken stand, der mich direkt zur Freiheit hinführte. Wie gut, dass ich wenigstens noch schwindelfrei war! Unter mir brüllten die Männer durcheinander... beschworen mich, wieder runterzukommen, vorsichtig zu sein.... Bla, bla, bla.... Jada, jada, jada...
Mittlerweile war ich an dem winzigen Fensterchen angelangt und boxte dieses kurzerhand aus der Verriegelung.
Danke, jahrelange Vernachlässigung!
Was täte ich gerade nur ohne dich!
Mit etwas Mühe zwängte ich mich hindurch und richtete mich auf dem abschüssigen Dach auf.
Ohne großartig nachzudenken rannte ich los, nutze die Balkone der anderen Häuser um mich herum aus und brachte so schnellstmöglich Distanz zwischen mich und den notgeilen Mob, der mir natürlich direkt auf den Fersen war.
Allmählich bewegte ich mich nach unten in Richtung der Straße und als ich den Asphalt unter den Füßen spürte, gab ich so richtig Hackengas! Die Schritte der Jäger war nah und anders als ich waren diese nicht durch Hunger, Krankheit oder Wassermangel geschwächt.
Doch ich hatte eine Geheimwaffe...
... Und als ich in Hörweite war, steckte ich zwei Finger in den Mund und stieß einen lauten Pfiff aus.

In der Ferne antwortete ein wildes Wiehern, ich grinste keuchend in mich hinein und da war er ... mein großer Stürmer... Mit hämmernden Hufen und flach angelegten Ohren preschte Orion auf mich zu, bremste kurz vor mir etwas ab, so dass ich mich von seinem Schwung getragen, an der feuerfarbenen Mähne auf seinen Rücken ziehen konnte. Kaum saß ich, da brüllte ich auch schon: „LAUF!"
.. Und genau das tat mein Sturmhengst dann auch.

Das VirusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt