Nicht der beste Plan...

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Mit jeder Faser meines Seins, mit meinem ganzen verzweifelten Willen musste ich mich zwingen, still liegen zu bleiben, während die Schritte dieser selbstgefälligen Mistkerle sich immer weiter nährten. Ich hatte die ganze Nacht gegrübelt und... nichts!
Mir war einfach nichts besseres eingefallen. Genauer gesagt: mir war gar nichts eingefallen! Um Cami zu finden, muss ich in dieses Gott verfluchte Lager rein und um in dieses Gott verfluchte Lager reinzukommen, musste ich mich gefangen nehmen lassen.
Es gab absolut keine Möglichkeit, ungesehen an den Wachtürmen, den Suchscheinwerfern und den Patrouillen vorbeizukommen. Ich hatte das Lager zwei Tage und Nächte beobachtet. Aus jedem nur erdenklichem Blickwinkel...
Und ich hatte nicht die kleinste Schwachstelle gefunden.
Ausgesprochen frustrierend und zutiefst deprimierend!
Also musste ich mich darauf verlassen, dass, wenn ich Cami erst mal gefunden hatte, uns beiden gemeinsam eine Exit-Strategie einfallen würde.
Ja, ja, ja... Ich weiß... Da war viel Hoffen, Bangen und würde unendlich viele Überstunden von unserem Schutzengel-Bataillon benötigen, damit dieser Schweizer Käse von Plan erfolgreich durchgezogen werden konnte.
Aber was sollte ich denn sonst machen?
In Ermangelung der Möglichkeit einer menschlichen Interaktion, hatte ich versucht, den Tieren zu erklären, was ich vorhatte..
...und jaaa, ihre Reaktion war nicht sehr ermutigend gewesen. Bran hatte gegähnt, Akela war eingeschlafen und Orion hatte auf die Wiese gekackt.
Die anderen beiden Hengste waren ebenfalls nicht sehr angetan gewesen und hatten schnaubend das Weite gesucht.
Wäre ich jetzt ein abergläubischer Mensch, würde ich das doch tatsächlich als schlechtes Omen betrachten.
Dumm war nur, dass ich zu dickköpfig zum Aufgeben war und, seien wir mal ehrlich... meine körperliche Konstitution ließ rapide nach. Ich merkte, dass ich immer erschöpfter wurde und ich mich nicht mehr gut konzentrieren konnte. Wir hatten zwar eine Wasserquelle gefunden, aber weit und breit war einfach nichts zum Futtern für mich aufzutreiben gewesen. Mein Magenknurren hatte mittlerweile epische Ausmaße angenommen, tatsächlich war es so schlimm geworden, dass die beiden Hunde mehrfach irritiert zurückgeknurrt hatten.

„Na, wen haben wir denn da?"
Baaaah... die Stimme allein schon ließ mich dafür dankbar sein, dass ich nichts im Magen hatte, um es wieder rauszukotzen. So schmierig und aalglatt, dass mein ganzer Körper vor Gereiztheit kribbelte. Dennoch zwang ich mich, völlig still zu liegen und nicht einmal zu zucken, als dreckige Pranken mich umdrehten um mich näher zu betrachten.
„Ein hübsches, kleines Vögelchen... Wirklich niedlich... schöne, breite Hüften, ein gebärfreudiges Becken, etwas mager vielleicht... Aber wenn wir sie ein bisschen anfüttern, werden die kleinen Tittchen auch wieder groß genug werden, damit ein Balg dran nuckeln kann!"
Tittchen?
TITTCHEN?
Ich geb dir gleich Tittchen, du schmieriger Schleimbeutel!
Am liebsten hätte ich spontan eine Karatekick hingelegt und die Kronjuwelen des Kerls zu Rührei zermatscht.
Zu einer richtigen Belastungsprobe meiner Selbstbeherrschung kam es, als ich von einem zweiten Kerl vom Boden hochgehoben und über eine Schulter geworfen wurde.
Ähm, ja? Aua?!
„Vielleicht solltest du etwas vorsichtiger mit dem kleinen Vögelchen sein. Du willst ihr doch nicht weh tun... Ich meine, noch nicht jetzt sofort..."
Okay... Diese Scheißkerle waren also zu dritt. Moment, hatte er gesagt: NOCH NICHT?
Irgendwie kamen mir da gerade massive Bedenken, dass mein Plan von Erfolg gekrönt sein würde.
Schleimbeutel Nummer eins lachte hämisch und schlug mir ein paarmal auf den Hintern.
„Hey, komm schon, Dirk... Das kleine Vögelchen wird sich anpassen müssen. Wir sind viele einsame Kerle und es gibt einfach nicht genügend Weiber für uns alle. Und die letzte, mit der ich spielen konnte, ist bei der Geburt ihres sechsten Balgs draufgegangen. Also muss ich mir eine neue heranziehen und damit kann man nicht früh genug beginnen, findest du nicht? Entweder lernt sie Schmerz beim Sex geil zu finden, oder sie hat halt Pech gehabt!"
Schleimbeutel Nummer drei warf ein: „Habt ihr etwa aus den Augen verloren, dass der eigentliche Sinn und Zweck der Lager ist, Frauen zu schwängern? Damit sie in einer sicheren Umgebung ihre Kinder bekommen können? Damit die menschliche Rasse nicht ausstirbt? Und eigentlich nicht, damit wir einen unbegrenzten Zugang zu Muschis haben?"

Unbegrenzten Zugang zu Muschis?
Echt jetzt?
Obwohl... es überraschte mich auch nicht wirklich... Männer waren verfickte Scheißkerle!
Wen wunderte denn da noch, dass ich lieber Jungfrau bleiben wollte?!
Am liebsten hätte ich alle Lager in die Luft gesprengt - natürlich erst, nachdem ich alle Frauen befreit und die vergewaltigenden Hurensöhne da drin eingesperrt hatte!!

„FRISCHFLEISCH!!" johlte eine Stimme - männlich, versteht sich - und kurz darauf waren wir von zahlreichen Penisträgern umringt, die auch direkt anfingen, mich zu befummeln.
Uuurgh... wenn die nicht gleich aufhören würden, müsste ich Schleimbeutel Nummer eins auf den schmuddeligen Pullover kotzen! Gut, da ich seit zwei Tagen nichts mehr zwischen die Kiemen bekommen hatte, würde ich ihm leider nur Wasser über den stinkenden Frack kübeln können, aber in der Not kotzte Frau halt, was auch immer ihr hochkommen würde.
„GENUG JETZT!" dröhnte eine tiefe Stimme und die grabschenden Finger zogen sich widerwillig von meinem Schritt und aus meinem Ausschnitt zurück.
„Bringt das Mädchen zum Doktor. Ich will, dass sie vollkommen durchgecheckt wird, bevor wir sie in Container drei unterbringen."
„In der drei? Echt jetzt? Warum nicht bei den jungen Neuankömmlingen?"
Schwere Schritte entfernten sich, ohne dass der Fragesteller seine Antwort bekam. Enttäuschtes Gemurmel erhob sich um uns und Schleimbeutel Nummer eins knurrte: „Ach, scheiß drauf! Der Chief kann sagen, was er will. Sobald der Doc das Vögelchen für gesund erklärt, werde ich ihr das Hirn rausficken! Und ihr kennt mich doch.. ich teile gerne! Das heißt, einer kann ihren A.."
„ICH DACHTE, ICH HÄTTE MICH KLAR AUSGEDRÜCKT!" brüllte der Chief und unterbrach die Litanei des bald von mir kastriert werdenden Arschlochs und dieser schnaubte genervt. Eine Zeltklappe wurde gut hörbar geöffnet und warme Luft strömte über meine Kehrseite.
Eine weitere tiefe Stimme sagte mit einer ruhigen Autorität: „Leg sie auf das zweite Feldbett. Die Frau vom ersten kann heute Abend in den Container umziehen... die Blutvergiftung ist Gott sei gedankt abgeheilt, ich muss nur noch ein paar Abschlusstests machen, dann könnt ihr sie abholen..."
Der Schleimbeutel warf mich auf ein schmales Feldbett und die Federn quietschten und ächzten protestierend.
„Jetzt alle raus hier! Das ist eine Krankenstation und um die Frauen zu behandeln möchte ich etwas Privatsphäre haben!" Mit diesen Worten scheuchte der Doktor die Gaffer nach draußen und endlich kehrte Ruhe ein.

„Du kannst deine Augen jetzt aufmachen. Ich weiß, dass du die Bewusstlose nur spielst!" Ich blinzelte und öffnete dann brav meine Glubscher.
Vor mir, auf einem Rollhocker saß ein dunkelhäutiger Mann mittleren Alters, eine schmale Brille mit Goldrand auf der Nase und in einen klassischen Arztkittel gekleidet.
„Hallo... mein Name ist Dr. Adam Lector. Ich bin dreiundvierzig, Sternzeichen Widder und ausgebildeter Allgemeinmediziner mit einer Zusatzausbildung als Gynäkologe." Ein leichtes Lächeln umspielte seine vollen Lippen und er zwinkerte mir freundlich zu. „Ich dachte mir, eine förmliche Vorstellung würde das Eis etwas brechen... Wie heißt du, wie alt bist du... Erzähl mir einfach mal drauflos, wer du bist."
Ich betrachtete Dr. Lector. Auf den ersten Eindruck hin fand ich ihn eigentlich ganz nett. Zwar nicht so super sympathisch wie Luke, aber er wirkte kompetent und zurückhaltend.
Schließlich gab ich mir einen Ruck.
Quasi Vorschusslorbeeren und also sagte ich: „Hallo, mein Name ist Sophie, ich bin fünfundzwanzig und vom Sternzeichen her Schütze... das war meine formelle Vorstellung... was wollen Sie sonst noch wissen?"
Der Doc grinste und schnappte sich ein Stethoskop von einem Beistelltisch.
„Zieh bitte mal das Shirt hoch und dreh dich um... tief einatmen... gut... nochmal... jetzt einmal die Luft anhalten... sehr schön. Tja, gute Nachrichten Sophie: deine Lungen sind völlig in Ordnung!" Ich verdrehte die Augen und zerrte das Shirt wieder über meine Brüste.
Dann wandte ich mich wieder zu den Arzt um, der gerade aufgestanden war und den Vorhang vom Nachbarbett öffnete, um dort ein Klemmbrett aus dem Schrank zu nehmen.
Und mir stockte der Atem...
Auf der Liege lag eine schmale Frauengestalt, die mir sehr bekannt vorkam und als ich den Hals reckte, sangen alle Schutzengel meines Bataillons ein mehrstimmiges Halleluja...
... ich hatte Cami tatsächlich endlich gefunden...

Das VirusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt