„Na, Dornröschen... Wieder im Lande der Lebenden?" Mühsam öffnete ich die Augen und blickte direkt in das feixende Gesicht meiner besten Freundin. Genervt brummelte ich, zog mit einem Schwung die Bettdecke zurück über meinen Kopf und drehte mich zur anderen Seite. Meine Gedanken waren nach wie vor Blei schwer und ich fühlte mich zum ersten Mal nicht in der Verfassung, mich mit Cami auseinanderzusetzen. Dummerweise hatte sie anscheinend andere Pläne. Mit einem kräftigen Ruck riß sie mir meine schöne, warme Federbettdecke weg und warf sich neben mich auf die Matratze.
„Komm schon, Sophie... Ich weiß, dass du wach bist und ich weiß auch, wenn du es einmal einmal bist, schläfst du nicht mehr so schnell wieder ein. Also... Jetzt benimm dich nicht wie ein Kleinkind, dreh dich um und sieh mich gefälligst an!"
Seufzend drehte ich mich zu ihr um und murrte: „Was soll das? Lass mich weiter schlafen."
Cami musterte mich ungläubig und sagte schließlich: „Mein Hase, du schläfst bereits seit zwei Tagen. Meinst du nicht, du hast jetzt genug gepennt?"
Zwei Tage?
Zwei Tage!
Okay, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.
„Äh..."
„Genau! Also, raus aus den Federn! Es wird Zeit, dass wir dich wieder zu Kräften füttern. Deine Riesengäule versorgen sich schließlich nicht von allein! Und sie haben weiß Gott schon genug von den Jungs gebissen, einfach nur weil sie nicht DU sind!"
Ächzend schubste ich die Nervensäge kurzerhand aus meinem Bett und krackselte
hinterher.Wow... wer hat die Knochen in meinen Beinen bitte schön gegen Gelee ausgetauscht? Meine Gliedmaßen schlotterten dermaßen, dass ich mich zunächst an dem Bett, danach an der Wand entlang in Richtung Badezimmer hangeln musste.
Nach zwei Tagen verlangte die Natur mit Gewalt ihr Recht und ich erreichte den Lokus in allerletzter Sekunde. Warum hatte Cami mir auch sagen müssen, dass ich zwei Tage - und Nächte - flachgelegen hatte?! Nun hatte es anscheinend auch meine Blase geschnallt, dass sie schon längere Zeit nicht geleert worden war!
Ich konnte mein erleichtertes Aufseufzen nicht unterdrücken und hörte aus dem Nebenzimmer meine Besti leise vor sich hin kichern.
Wenn sie sich so prächtig allein amüsieren konnte, war ich so frei noch einen Schritt weitergehen und eine Dusche zu nehmen.
Und das tat ich dann auch.
Das fühlte sich vielleicht gut an!
Zwar setzte ich mich nach den ersten eineinhalb Minuten völlig entkräftet auf den Boden der Dusche, aber was soll's?
Sauber wurde ich auch so und ums Aufstehen konnte ich mir Gedanken machen, wenn es soweit war. Wenigstens war ich schlau genug gewesen, die Seife festzuhalten, als ich an der Wand hinabgerutscht war. Und so schrubbte ich mich fröhlich auf meinen vier Buchstaben sitzend den Schweiß und Dreck der letzten Tage vom Körper und aus den Haaren.
Nachdem ich wieder sauber war, stand ich allerdings vor dem schier unlösbarem Problem, zurück auf meine Füße zu kommen. Und das vorzugsweise am besten, ohne auszurutschen und mir den Hals zu brechen, oder gar in der Dusche zu ersaufen!
Einige erfolglose Versuche später wuchs meine Frustration und schließlich krabbelte ich einfach aus dem Wasserstrahl hinaus. Wenn ich nicht aufstehen konnte, dann halt nicht!
Mühsam angelte ich nach einem Handtuch und begann mich trockenzulegen.
So weit, so gut...
Dankbar nahm ich die angebotene Hilfe der Kloschüssel an und benutzte sie gnadenlos als Aufstehhilfe.
Oder besser gesagt als Aufsitzhilfe, denn nachdem ich erfolgreich auf dem Deckel saß - notdürftig in das Frottee gewickelt - war ich fix und fertig.Ein leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinem Selbstmitleid und auf mein „Hmhm.." öffnete sie sich und Sebastian steckte den Kopf zum Badezimmer hinein.
„You need a helping hand, Darling?" fragte er und ich war zu erledigt, um sich nur den Anschein zu erwecken, dass ich es irgendwie alleine hinbekommen würde!
Mühelos erkannte der Amerikaner meine Antwort und trat auf mich zu, hob mich und ein zusätzliches Handtuch für meine nassen Haare hoch und trug mich zum Bett zurück. Cami warf mir einen kurzen, leicht besorgten Blick zu, dann reichte sie mir eine weiche, dicke Jogginghose, einen Hoodie und Socken.
Doch schnell war klar, dass ich kaum genug Kraft hatte, um gerade zu sitzen... vom Anziehen ganz zu schweigen. Also machte meine Besti einen auf persönlichen Einkleidungsassistenten. Dabei bemerkte ich, dass sie bereits wesentlich sicherer auf ihrem verletzten Bein unterwegs war, als noch vor zwei Tagen. Sie hatte gutes Heilfleisch, dass musste ich echt zugeben.
Ich meine, vor einer knappen Woche war sie beinahe in meinen Armen durch eine zerbissene Arterie verblutet und jetzt benutzte sie ihre Krücke nur noch sporadisch.
Ich hingegen schien einfach nicht wieder zurück auf die Füße zu kommen. Vor Frustration traten mir die Tränen in die Augen.
Cami betrachtete mich für einige Herzschläge, dann sagte sie leise zu Sebastian: „Könntest du uns etwas zu essen und trinken holen? Meine Kleine hier und ich müssen uns einmal unterhalten..."
Der Amerikaner nickte mit einem leichten Lächeln zustimmend, zwinkerte mir noch kurz zu und verließ dann den Raum.
Müde lehnte ich mich im Sessel zurück, in welchem meine Besti mich nach dem Anziehen zwischengeparkt hatte und sah sie abwartend an.
Cam setzte sich mir gegenüber auf das Bett und zog einen Hocker zu sich, um das verletzte Bein hochzulegen.
„Alsooo... was ist los, Sophie? Warum siehst du aus, als würden jeden Augenblick die Flutventile geöffnet werden?"
Ich fuhr mir durch die strubbeligen Haare, was meine Freundin dazu verleitete, in die Tasche neben sich zu greifen und eine Bürste rauszuholen, welche sie dann zielsicher auf meinen Schoß warf.
Dankbar kämmte ich das Vogelnest auf meinem Kopf durch und fühlte mich danach schon fast wieder menschlich.
„Ich weiß einfach nicht, was ich hiervon halten soll... Dass alles hier scheint einfach zu schön, um wahr zu sein..." murmelte ich und zog die Beine an, um mich auf der Sitzfläche zusammenzurollen.
Cami nickte nachdenklich.
„Das versteh ich nur zu gut... ich war auch ziemlich skeptisch. Aber Fakt ist, dass wir zumindest im Moment recht eingeschränkt in unseren Optionen sind. Wir müssen wenigstens so lange warten, bis wir beide wieder vollständig hergestellt sind. Du bist aktuell so schwach wie ein neugeborenes Kätzchen und ich hab nicht genug Standfestigkeit, um sicher einen Pfeil abzuschießen. Beute erlegen ist also nicht und was Raubtiere angeht... nun, von diesem vertrakten Wolfsrudel will ich gar nicht erst anfangen."
Ich erschauderte bei dem Gedanken an diese Drecksviecher.
So mal ganz ehrlich gesprochen?
Denen wollte ich auch dann nicht wieder begegnen, wenn wir beide vollständig auf dem Damm waren.
Also fiel die Elfengrotte derzeit als Residenz aus... Schade um die viele Arbeit, die wir dort hineingesteckt hatten, von den Vorräten will ich gar nicht erst reden!
„Wie schätzt du diese Gemeinschaft hier ein," fragte ich leise und spielte nervös an dem Pulloversaum herum. Von Camis Antwort hing jetzt unsere Zukunft ab. War sie auch nur ein winziges bisschen beunruhigt, würden wir uns heute noch hier...
„Ich weiß, was du gerade denkst... lass es! Wie schon gesagt: wir werden wenigstens so lange hier bleiben, bis wir wieder fit sind! Alles andere wäre der reinste Selbstmord! Was deine Frage angeht, so denke ich, dass wir hier auf eine Anomalie gestoßen sind. Diese Gemeinschaft ist nicht groß. Insgesamt leben 40 Männer hier dauerhaft. Weitere 30 sind so was wie Normaden... sie lassen sich hin und wieder blicken, tauschen Waren und verschwinden wieder. In manchen Jahren überwintern sie hier, dieses Jahr scheint es so, als hätten sie woanders Unterschlupf gefunden. Die 40, also die quasi Dauerbewohner, kennen sich großteils aus der Zeit davor... und sie scheinen nichts mit den Schlappschwänzen aus dem Re-Populationslager gemein zu haben. Ich glaube, dass wir hier sicher sind. Speziell, wenn ich daran denke, wie sie mit dem Scheiß Kommandanten umgegangen sind, als dieser hier aufgetaucht ist, um sich zu erkundigen, ob jemand etwas über den Verbleib seines süßen unschuldigen Töchterleins weiß."Oh, ho... ich richtete mich in meinem Sessel auf... das versprach interessant zu werden!
DU LIEST GERADE
Das Virus
Science FictionLasst euch impfen, haben sie gesagt. Dann wird das alles nicht so schlimm, haben sie gesagt. Wir werden das alles zusammen überstehen, haben sie gesagt... Ja... Schöner Mist, sage ich. Das Coronavirus hat sich tatsächlich als eine weltweite Pandemi...