Stadt 3.0

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Nachdem sich die Pferde ausgeruht und wir alle neue Kraft getankt hatten, ging es weiter. Wir ritten bereits durch das leichte Vorgebirge der Eifel und unwillkürlich hielt ich Ausschau nach dem Windbruch, der Cami und mir vor einigen Tagen noch Zuflucht gewährt hatte. Die beiden Hunde liefen uns voran und zeigten uns den Weg. Ihr Instinkt hatte ihnen direkt den Weg zu dem letzten Lagerplatz gewiesen, an dem wir alle als ein Rudel gemeinsam versammelt gewesen waren.
Stolz wie Oskar bellten die beiden Köter und preschten wie vom wilden Affen gebissen zu der Ansammlung von Baumstämmen und Steinen, in deren Rund wir damals unser Lager aufgeschlagen hatten.
„Wer die zwei hat, braucht echt kein Kompass!" murmelte ich und zügelte Orion. Der Flammenhengst schüttelte den Kopf und schnaubte leise.
Er mochte diesen Platz nicht...
Was mit Sicherheit auch daran lag, dass hier die vier Stuten zu Tode gekommen waren. Dennoch war es zumindest für heute keine schlechte Bleibe. Es gab ein fischreiches Gewässer, Obstbäume und eine relativ sichere Schlafmöglichkeit.
Meine Freundin warf mir einen kurzen Blick zu, dann zuckte sie mit den Achseln und glitt vom Rücken des Schimmels herunter. Ohne viel Erlesenes zerrte sie Schneewittchen hinter sich her und schubste sie gegen einen Baumstamm.
„Bleib da! Akela... wach!" und wie sein Bruder bei unserem letzten Halt, setzte sich jetzt das Mitternachtsschwarze Biest vor das Mädchen hin und fixierte sie aus golden leuchtenden Augen. Die Zunge hing seitlich aus dem Maul, so dass die weißen scharfen Reißzähne bei jedem Hecheln aufblitzten.
Linda kicherte unwillkürlich und meinte: „Deine Hunde haben wirklich einen Sinn fürs Dramatische!"
Ich untersuchte gerade die Beine der Pferde auf mögliche Verletzung und antwortete lachend: „Sie matchen einfach nur ihr Frauchen!"
Camelia verdrehte grinsend die Augen und machte sich in Richtung des Baches auf. Sie würde das mit dem Fischen noch mal versuchen. Ich hoffte nur, sie würde sich von der mittlerweile äußerst defekten Reuse fernhalten. Eine weitere Blutvergiftung konnten wir uns im Moment echt nicht leisten!
Ardanwen knabberte spielerisch an meinem Zopf und kniff mir dann in den Hintern, als ich mich gerade nach vorne beugte, um seine Vorderhufe zu untersuchen. Ich war auf dem schwarzen Hengst ein strafenden Blick zu und klopfte ihm mahnend auf die Nüstern.
Die Tiere hatten merklich abgenommen, das gefiel mir gar nicht!
Sie brauchten dringend ein paar Tage Ruhe..
Allerdings konnten wir ihnen diese erst gestatten, wenn wir ein geeignetes Winterquartier gefunden hatten.
Ich zog ja schon fast in Erwägung, uns während der kalten Jahreszeit im Randbezirk in der Stadt niederzulassen.
Vielleicht konnte Luke uns helfen?
Ich beschloss, morgen mit Linda in die Stadt zu reiten, auch wenn er wiedererwartend nicht ihr Bruder sein sollte, er war trotzdem immer noch Arzt. Vielleicht hat er ja auch irgendeine Lösung für das kleine Problemchen, welches in ihrem Bauch heranwuchs.
Nachdem der Rappe mich ein zweites Mal herzhaft gezwickt hatte, schubste ich ihn weg. Dem Tier ging es gut... es war übermütig und augenscheinlich froh, wieder mit uns zusammen zu sein. Auch die beiden anderen Pferde waren unversehrt, also schickte ich sie zum Grasen. Zumindest für heute waren wir aber fertig...

Ich beschattete meine Augen und sah, dass am Ufer des Baches hohes Schilfgras wuchs. Perfekt... Daraus konnte ich zumindest irgendwas provisorisches basteln, um Äpfel zu ernten.
Gedacht, getan. Nur kurze Zeit später kam ich mit dem Arm voll langer Schilfhalme zurück, setzte mich neben Linda und begann zu flechten. Das Zeug war zäh und hart, biegsam zwar, aber es ließ sich nur schwer in die gewünschte Form bringen.
Linda hatte versucht mir zu helfen, war aber anscheinend diesbezüglich ausgesprochen talentfrei. Also gab sie irgendwann auf und begann stattdessen trockenes Holz für ein Feuer zu sammeln. Anastasia lieferte sich derweil einen Anstarr-Wettbewerb mit dem schwarzen Kampfhund, was ausgesprochen dämlich war, da dieser es immer mehr als Herausforderung auffasste. Bereits jetzt konnte ich das leise drohende Knurren hören, dass die beginnende Aggression des Tieres anzeigte.
„Wenn du Wert auf eine intakte Kehle legst, solltest du ganz dringend den Blick senken und deinen Nacken zeigen. Du forderst gerade einen hoch dominanten Rüden heraus und darauf steht der echt nicht!" warnte ich das kleine Biest, deren Augen überrascht zu mir hin schossen.
„Na, besten Dank für den Tipp," höhnte Anastasia und sah dann verächtlich zu Akela zurück.
Das war auch so eine Sache... dem Köter gefiel diese Art von Tonfall tatsächlich noch weniger als starres anglotzen und sein Knurren wurde aggressiver.
Ist ja nicht so, als hätte ich die Nervensäge nicht gewarnt... aber wer einen dermaßen eindeutigen Todeswunsch hatte...  wer war da ich, dass ich intervenieren würde?
Mit Ach und Krach war schließlich das Gebilde, was ich da zusammengeflochten hatte groß genug um ein paar Äpfel hineinzustopfen, also machte ich mich auf um unser Abendessen zusammen.

Das VirusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt