Ein Plan reift heran

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Anscheinend hatten wir das Vertrauen des Kommandanten verspielt, er wollte wohl sein hübsches, kleines Töchterlein nicht auf Spiel setzen, indem er sie mit zwei so völlig durchgeknallten Weibern in einem Container alleine zurückließ. Also zogen er und die Möchtegern-Spionin von dannen und ließen Cami und mich zurück. Mit einem hörbaren ‚Klack' rastete der Riegel an der Tür ein und wir waren eingesperrt.
Nach wenigen Sekunden verlor meine beste Freundin ihre Contenance und legte das  weinerliches Gehabe ab, sie packte den Tisch und warf ihn kurzerhand durch den halben Raum.
„Der hat doch wohl den Arsch offen," fauchte sie wie eine Wildkatze auf Speed und schnappte sich den Stuhl, auf dem sie bis dato gesessen hatte, um ihn den Tisch hinterher zu schicken.
„Cam! Lass das, sonst stellen die uns einen anderen Aufpasser hier rein, wie zum Beispiel dieses widerliche Arschgesicht Pete. Wir müssen jetzt ruhig bleiben und nachdenken... Wie kommen wir raus und das... na, ja... am besten schnellstmöglich. Ich hab nämlich echt keinen Bock in diesen Container zwei umzuziehen, um mich ‚besamen' zu lassen!"
Camelia würgte beinahe ihr Porridge wieder hoch und musterte die Tür aus zusammengekniffenen Augen.
„Also, solange wir hier eingesperrt sind, wird das mit Flucht natürlich nichts. Wir haben kein Einbruch, beziehungsweise Ausbruchs-Werkzeug. Und von einer Kletter-Ausrüstung will ich gar nicht erst anfangen, mit der wir uns vielleicht durch die Oberlichter verkrümeln könnten. Wir werden wohl oder übel wohl auf den nächsten Toilettengang warten..."

Ich nickte nachdenklich und fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. Dann seufzte ich und deutete in Richtung der Sofaecke.
Cam hob eine Augenbraue, folgte mir aber und kuschelte sich an mich. Teils natürlich, um eventuelle ungebetene Überraschungsgäste auf die falsche Fährte zu locken, teils auch, weil sie wusste, dass ich ein Schmusebär war und jetzt ein dringend bisschen Nähe brauchte.
Und dann erzählte ich ihr ganz leise alles was in der Zeit passiert war, die wir getrennt gewesen waren. Ich erzählte ihr von der Stadt, von meiner Begegnung mit den drei heißen Sahneschnitten, dem niedlichen schwulen Arzt, den wilden Rumgeknutsche in der Dunkelheit mit Sebastian und dann natürlich auch, was mir hier im Lager geschehen war. Ich bemühte mich, keine Emotionen in meine Stimme fließen zu lassen, denn ich wusste, würde ich auch nur einen Hauch von Schmerz oder Kummer zeigen, Cam würde den nächsten, der durch diese Tür kam ohne Umschweife einen Kopf kürzer machen. Als ich schließlich schwieg, drehte sie ihren Kopf zu mir und fragte leise:
„Kann ich irgendetwas tun? Ich meine abgesehen davon, dass wir diesen verfickten Hurensohn von Arzt um seine Kronjuwelen erleichtern werden... ich meine, jetzt gerade im Moment... Kann ich irgendetwas tun, damit es besser wird?"
Ich schüttelte den Kopf.
Ich war schon immer sehr gut darin gewesen, wirklich schlimme Sachen zu verdrängen, daher war mein Gehirn bereits an der Arbeit und hatte einen nebligen Schleier über das Geschehene geworfen.
Und ich wollte nicht immer wieder darüber reden, immer wieder daran erinnert werden, dass meine erste sexuelle Erfahrung - abgesehen von diesem unglaublichen Kuss in der Dunkelheit mit Seb - durch die Finger eines schmierigen, widerlichen und korrupten Arztes geschehen war.
Ich atmete tief ein und erzählte Cami auch noch von Linda.
Und hier zeigte sich mal wieder, wie sehr meine beste Freundin und ich auf der gleichen Wellenlänge waren, denn das erste, was sie sagte, nachdem ich ausgesprochen hatte, war: „Die müssen wir auf jeden Fall hier mit rausholen!"
Ich nickte zufrieden und murmelte:
„Morgen früh wäre ne gute Möglichkeit. Ich hab ihr gesagt, dass wir uns an der gleichen Stelle bei den Duschen wieder treffen. Das bedeutet, was immer wir planen... Morgen früh sollten wir bereit sein. Da ist noch am wenigsten los im Lager und das ist vielleicht die einzige Möglichkeit, in der wir uns relativ ungesehen verzwitschern können..."
Cami setzte sich im Schneidersitz auf und rieb sich mit ihren Händen über die Oberarme. Dann flüsterte sie mit einem kurzen Blick zur Tür:
„Bran ist auch hier... er ist anscheinend seinem Bruder gefolgt und beide haben sich geweigert, das Lager wieder zu verlassen. Sie liegen auf der Lauer.. gut getarnt, keine Sorge... irgendwo hinter den Waschbaracken. Das heißt im Notfall, sind sie in Rufweite... wie sieht es mit den Pferden aus?"
Ich grinste schräg.
„Die sind in Pfiff-Weite..."
Meine Besti seufzte zufrieden und lehnte sich zurück in die Kissen.
„Sehr gut! Denn, wenn wir morgen früh die Biege machen wollen, muss es wirklich schnell gehen! Wir werden wahrscheinlich nur vielleicht fünf Minuten haben, bis die ersten Kerle aufwachen, schnallen, was Sache ist und dann können wir uns vielleicht noch ein paar weitere Minuten dem Zugriff entziehen, in dem wir die schmalen Gänge zwischen den einzelnen Containern ausnutzen..."
Ich schüttelte sofort den Kopf.
Der Plan war einfach nicht ausführbar. Er wäre es unter Umständen... doch dazu müsste das große Tor vorne am Eingang offen stehen, so dass die Pferde auch hineinkommen konnten.
Aber so...
Klar, Bran und Akela waren jetzt auch keine kleinen Chihuahuas, sondern in etwa so groß wie Ponys, dennoch waren die drei Sturmhengste locker doppelt so groß und mindestens acht mal so schwer und würden sich mit Sicherheit nicht durch einen schmalen Spalt zwängen, geschweige denn unter einem Zaun hindurch graben können.

„Nee... da muss uns was anderes einfallen! Wir müssen aus dem Tor raus, bevor ich nach den dreien pfeife. So gut meine Jungs auch springen können, der Zaun ist dann doch ein klein wenig zu hoch... so um die drei Meter vielleicht... Ich würde ja vorschlagen, dass wir ein Verhandlungsobjekt zwangsweise mitnehmen."
Camelia begann unglaublich diabolisch zu grinsen.
„Lass mich raten... Denkst du an diesen kleinen Schneewittchen Verschnitt, der noch nie die böse große, weite Welt ohne Daddy an ihrem Patschepfötchen gesehen hat?"
Ich lächelte zuckersüß und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Warum nicht? Big Daddy hat doch gesagt, dass sie uns bei der Integration helfen soll... wir integrieren uns nur halt mit der Welt AUSSERHALB von diesem verkackten Lager... Und wenn du mich fragst, könnte man das auch als erzieherische Maßnahme betrachten. Es könnte doch tatsächlich Charakter fördernd sein... plus, wir tun damit etwas für ihr Karma. Sie hilft uns dreien zu entkommen und streicht dafür ein paar Punkte auf ihrer Bad Girl Liste. Gut... wir fügen zwar ein paar Punkte auf UNSERER Bad Girl Liste hinzu, indem wir die Kleine aus Versehen irgendwo in der Wildnis verlieren, aber hey... ein bisschen Schwund ist immer... Selbstverständlich plumpst die Mini-Giftkröte recht weit entfernt von hier von Gaul... Vielleicht in der Nähe eines anderen Re-Populationslagers... Nur für den Fall, dass wir sie ihre eigene Medizin einmal kosten lassen möchten... zum Wohle der Menschheit, versteht sich!"
Cam angelte sich eine der Wasserflaschen und nahm genüsslich einen tiefen Schluck, bevor sie diese an mich weiterreichte.
„Zum Wohle der Menschheit... natürlich, was auch sonst?" fragte sie und fügte hinzu: „Arme Menschheit... was hat die nur getan, um so grauenvoll bestraft zu werden... wollen wir wirklich, dass die Gene dieses kleinen Miststücks in der nächsten Generation herumschwimmen?"
Ich zuckte die Achseln...
Um ehrlich zu sein, konnten die Menschen von mir aus aussterben... ein Volk, dass auf diese Art und Weise auf einen drohenden Untergang reagierte, verdiente das Überleben möglicherweise nicht...
„Wir können sie auch einfach bei der Bärenhorde abladen... obwohl das eventuell unter Tierquälerei fallen würde. Aber jetzt mal die düsteren Zukunftsaussichten der versnobten Rotzgöre beiseite geschoben. Morgen früh ist also Showtime. Eine Alles oder Nichts Action... Wir sollten schauen, ob wir irgendetwas in einer Waffe umbauen können... Vielleicht wenn wir einen der Stühle ein wenig auseinanderschrauben..."
Camelia war bereits auf den Beinen und betrachtete das Möbelstück etwas genauer. Dann trat sie ohne viel Erlesenes einfach die beiden Querstreben zwischen den einzelnen Stuhlbeinen ab und hob die beiden schmalen Hölzer hoch, welche knapp unterarmlang waren und ein paar echt fiese Spitzen aufwiesen. „Wenn wir die ein wenig über den Boden schleifen, könnten wir die schön scharf kriegen," sinnierte sie, warf mir eins der beiden Hölzer zu und hockte sich hinter das Sofa auf dem Boden, um das Gesagte direkt in die Tat umzusetzen.

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