Das Lager

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Als ich aufwachte, war das erste was ich spürte die morgendliche Kälte.
„Diese verfickten Dreckskerle, die deine Mama mitgenommen haben! Die sind noch Schuld, wenn ich erfriere," erklärte ich dem fröhlich mit der Rute wedelnden Rüden. Akela bellte bestätigend und hinter mir kam Orion auf die Beine. Er schüttelte sich und stampfte mit den Tellergroßen Hufen auf. So dankbar ich für die Körperwärme der beiden Tiere war, das hier war dennoch keine Lösung auf Dauer. Nicht nur, dass es für den Hengst nicht gesund war auf dem kalten Boden zu liegen... für mich war das auch nicht das Gelbe vom Ei!
Ich fügte also meiner geistigen Liste ein weiteres to do hinzu.
Warme Klamotten und neue Schlafsäcke besorgen! Und wir brauchten mehr als nur dringend eine winterfeste Unterkunft!!
Ja, ja, ja... ich weiß, ich war ein wenig vorschnell, zumal ich Cami erstmal finden und dann aus den Fängen eines Haufens notgeilen und chronisch untervögelter Schwanzträger befreien musste!
Und ich hatte obendrein absolut null Plan, wie ich das bewerkstelligen sollte. Während ich also hier in dem Sonnenaufgang fleißig Hampelmänner zum Aufwärmen machte, drehte sich mein nutzloses Gehirn träge im Kreis. Und die einzigen Gedanken, die halbwegs verständlich und klar waren, spielten sich um einen gewissen blauäugigen Amerikaner, die Frage, ob der Engländer und der süße Lichtschaltertyp auch so gut küssen konnten und meiner breit grinsenden Besti, die sich scheckig lacht, weil sie mich an meinem zwölften Geburtstag in den Misthaufen geschubst hatte, einfach weil es komisch war, also für sie...
Der riesige Hund setzte sich auf seine vier Buchstaben und musterte mich mit schräg geneigten Kopf. Wenn er könnte, würde er dem auf und ab hopsenden Menschen vor sich vermutlich einen Vogel zeigen...
Orion sah mich mit einem ähnlichen Ausdruck in den dunklen Augen an und schüttelte schnaubend den Kopf, so dass die lange, schwere Mähne wie Flammen um ihn herumtanzte.
„Oh, ist ja gut... ich bin halbwegs aufgewärmt..." meckerte ich die zwei an und ging zu dem Hund hinüber. Sofort klopfte Akela mit der Rute auf den Boden und baffte mich an.
Vor ihm niederknieend griff ich in sein Nackenfell und sah dem Tier tief in die Augen.
„Akela... SUCH DEIN ZUHAUSE!"
Das war ein Kommando, welches dem Hund klarmachte, dass er das Rudel - seinen Bruder Bran und seine Mama Cami - ausfindig  machen musste.
Und das Tier hatte verstanden. Sein spielerisches Verhalten änderte sich schlagartig und jetzt sah ich einen Vertreter der Hunderasse vor mir, die als Wächter und Kämpfer gezüchtet worden waren.
„Alles klaro," murmelte ich und ging zu dem roten Hengst. Ri stupste mich an und nach einem kurzen Dankesschmusen für das Geschenk seiner Wärme und Freundschaft schwang ich mich wieder auf seinen Rücken.
„ZUHAUSE!"
Kaum war das Kommando ausgesprochen, wetzte der Hund im Affentempo aus dem Steinbruch und rannte nach Norden. Und diesmal waren es Orion und ich, die ihm folgten....

Unsere Reise dauerte an, mittlerweile war aus dem Galopp vom Anfang ein ausdauernder Trab geworden und als die Sonne ihren Höchststand erreichte, zügelte ich Orion. Ich glitt von seinem Rücken und führte ihn an einen Bach, wo Akela bereits gierig soff. Ich ließ den Hengst seinen gröbsten Durst stillen und brachte ihn dann zum Grasen. Dann erst kümmerte ich mich um mich selbst. Ich hatte keine Möglichkeit das Wasser abzukochen, daher musste ich wohl oder übel riskieren, mir irgendwas einzufangen. Da die Alternative verdursten war, biß ich in den sauren Apfel und trank.
Danach zog ich mich aus, um mich zu waschen... nach der warmen Dusche vom Vortag war es allerdings ein ziemlicher Abturner...
Großartig, einmal Luxus genossen und schon ich mutierte zu einer Mimose!
Ich wusste auch genau, was Cami dazu sagen würde! Gleich nachdem sie mich mit einem Batzen Dreck beworfen hätte!!
Seufzend stopfte ich den Gedanken an meine Besti dahin zurück, wo er hergekommen war und suchte mir ein Gebüsch, um mein Geschäft zu erledigen. Nachdem ich mich im Anschluss ein weiteres Mal abgewaschen hatte, erinnerte mich mein heftig knurrender Magen daran, dass ich schon ne ganze Weile nichts mehr zwischen die Beißerchen bekommen hatte.
An jagen war nicht zu denken, selbst wenn ich Pfeil und Bogen gehabt hätte, seien wir mal ehrlich, ich hätte sowieso nichts damit erlegen können.
Gott sei dank für den Herbst... und die Artenvielfalt um mich herum. Denn ich fand nach einigen Suchen tatsächlich einen Brombeerstrauch, der noch Früchte trug. Also stopfte ich mich damit voll.
Der einzige Trost den ich hatte war, dass zumindest Cami gut versorgt werden würde. Die Lager oder auch Brutstätten genannt, ließen die gefangenen Frauen wenigstens nicht hungern. Logisch... unterernährte Frauen büßten ihre Fruchtbarkeit ein, ergo: weniger Nachwuchs!
Und mit Sicherheit hatten sie ihr auch etwas gegen die Blutvergiftung gegeben... Hoffentlich ...
Ich war inzwischen von der Sonne getrocknet und zog mich wieder an. Ein kurzer Blick zu den beiden Tieren zeigte mir, dass wir weiterkonnten. Meine Pferde waren sowohl für Tempo, wie auch für Ausdauer gezüchtet worden und konnten praktisch bis zum Erbrechen laufen und auch Camis Hunde waren nahezu unermüdlich. Ich trank mich noch einmal satt und auch Akela und Orion genehmigten sich noch einige Schlucke... dann ging es weiter...
Und als die Sonne sich wieder senkte, wurde der Hund langsamer und blieb schließlich stehen. Die Rute nach hinten gereckt, Ohren steil aufgerichtet stierte er auf die Felsen vor uns. Dann bellte er glücklich und nur Sekunden später sprang Bran auf den Weg vor uns.
Mit einem freudigen Laut sprang ich vom Pferd und landete einen Herzschlag später auf dem Hosenboden, als der zweite Köter beschloss, mich vor lauter Wiedersehensfreude aufzufressen. Genau wie sein Bruder in der Nacht zuvor...
Ich schlang die Arme um den massigen Nacken und vergrub mein Gesicht in dem dichten Mähnen- artigen Fell.
Ein leises Wiehern ließ mich hochschnellen und da waren sie... meine beiden Jungs, die ich Cami als Wache hinterlassen hatte. Fedaikyn und Ardanwen tänzelten in heller Freude und nachdem ich alle Tiere gebührend gelobt hatte, dass sie meiner Freundin gefolgt waren, kroch ich auf den Hügel und sah auf das Lager unter mir...

...

Wow... dass war kein Lager. Es war eine Gott verfluchte Festung!!
Waren das etwa Wachtürme???
Ach, du heiliges Schnitzel mit Pommes rot/weiß!
Das würde echt nicht leicht werden!
Vier verschissene Wachtürme, Patrouillen von mindestens vier Mann jeweils und ...WAREN DAS WIRKLICH SUCHSCHEINWERFER?
Echt jetzt?
Ich sag da nur: Overkill!!!
Müde rieb ich mir die Augen. Heute wurde das mit Garantie nichts mehr. Vielleicht hatte ich ja Glück und träumte mir einen idiotensicheren Plan zusammen, um meine Freundin da rauszuholen.
Vorzugsweise einen, der keine Gefangennahme meinerseits beinhaltete!!

Das VirusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt