Das Essen roch köstlich...
Vielleicht war es aber auch so wie meine Mama immer gesagt hatte, wenn sie mal wieder eine ihre Eigenkreationen uns hingestellt hatte: ‚Der Hunger treibt's schon rein!'.
Wie auch immer, Cami und ich vergaßen die Anwesenheit der Miniatur- Spionin und langten ordentlich zu. Kartoffeln, Braten - vermutlich Schwein - und grüne Bohnen... so gut hatten wir schon seit Jahren nicht mehr gegessen, dennoch... hätten wir die Wahl zwischen diesem Essen und einem jämmerlichen Apfel... weit weg von hier in Freiheit.
Ratet doch mal, was wir ohne Zögern wählen würden?!
Anastasia kam zu uns hinüber geschlendert und setzte sich neben mich.
„Ihr solltet auch was trinken. Meine Mami hat immer gesagt, dass nichts so wichtig ist, wie ausreichend zu trinken," sagte die Kleine mit ernster Miene und deutete auf die Flaschen mit Mineralwasser in Griffweite.
Sie waren versiegelt und zudem gab es wesentlich leichtere Methoden uns außer Gefecht zu setzten, also hörten wir brav auf das was die Mami der winzigen Verräterin gesagt hatte und tranken durstig.
Die Tür schwang quietschend wieder auf - darum würden wir uns auch noch kümmern müssen - und Schleimbeutel Nummer eins marschierte in den Container zurück, ein kleines Röhrchen mit drei Tabletten darin zwischen den dicken Wurstfingern.
„Schau mal, Schätzchen. Drei Nächte tiefer, traumloser Schlaf... ein Geschenk von unserem netten Arzt für dich!"
Er zwinkerte Anastasia verschwörerisch zu und stellte das Röhrchen vor Cami auf den Tisch. Seine Hand rieb dabei gönnerhaft über ihre Schulter und ich konnte sehen, wie sehr meine Besti sich zusammenreißen musste, um dem perversen Grabscher nicht das Fressbrett mit ihrer Faust zu polieren.
Schnell, bevor sie aus ihrem Schauspiel ausbrechen konnte brabbelte ich:
„Vielen Dank für das Essen, Pete. Das war das beste, was wir beide seit Jahren hatten!"
Und es klappte, denn Schleimbeutel Nummer eins wandte seine Aufmerksamkeit nun großzügigerweise mir zu.
Uuurgh... hoffentlich gab der Braten nicht gleich direkt wieder Pfötchen!„Ist das so, mein süßes Vögelchen? Hmm... Also... ihr kennt euch schon länger, was? Woher denn genau?" schmalzte der Widerling und Cami verkroch sich in ihrer Decke, damit sie dem Mann nicht aus Versehen den Kiefer mit einem gut platzierten Tritt brechen würde.
Und so log ich drauflos, dass sich die Balken bogen!
„Schon seit das Virus ausgebrochen ist. Sie war zu der Zeit als Au-pair bei meiner Familie... meine Eltern waren so Weltuntergangsspinner und hatten einen Bunker im Keller eingerichtet. Da waren wir, bis uns die Vorräte ausgingen. Meine Eltern hat die Krankheit allerdings erwischt, bevor wir uns einschließen konnten, daher gab es immer nur Camelia und mich. Vor etwa einem Jahr mussten wir dann an die Oberfläche und sind seitdem zusammen unterwegs. Wir haben irgendwo auf einem verlassenen Hof ein paar Pferde gefunden - Stuten, glaube ich - und sind mit denen dann recht schnell weitergekommen. Wenigstens konnte Camelia einigermaßen gut reiten. Ich hab den Dreh nie rausbekommen, daher saßen wir immer gemeinsam auf einem Gaul.. die anderen Viecher sind uns irgendwie überallhin gefolgt, keinen Plan warum.."
Schmierlappen streichelte meine Wange in geheuchelter Anteilnahme.
„Und wie wurdet ihr getrennt? Deine Freundin ist ja schon ne Weile hier," fragte Mini-Schneewittchen mit großen Kulleraugen.
„Sie hat sich irgendwo dran verletzt... ich hab es erst gemerkt, als sie mit Fieber vom Pferd gekippt ist. Ich bin dann losgelaufen, um in der Umgebung nach Häusern zu suchen, ob vielleicht irgendwo Medikamente versteckt sind. Als ich wieder kam, war Camelia weg und ich bin dann den Autospuren gefolgt. Sie ist meine einzige Familie und ich musste einfach wissen, ob es ihr gut ging!"
Cami heulte los und streckte die Arme nach mir aus.
„Ich ... hab... dich... (schluchz)... auch... so ...lieb (noch größerer Schluchzer)..." jammerte sie und umarmte mich.
Leider konnte ich nicht auf Kommando die Wasserwerke anstellen so wie sie, also vergrub ich mein Gesicht in ihrer blonden Mähne und winselte: „Ich bin ja so froh, dass es dir wieder gut geht!"
Schmierlappen warf einen bedeutungsvollen Blick auf die kleine Spionin und nahm das Tablett an sich, auf welches er die leergefutterten Teller gestapelt hatte.
„Nun gut... schön, dass ihr euch wieder gefunden habt. In den nächsten Tagen wird der Kommandant sich mit euch unterhalten, wie es hier für euch weitergeht. Jetzt ruht euch aus. Schlaft und kommt wieder zu Kräften. Schätzchen, du nimmst am besten gleich eine Tablette. Dann zeigt euch Anastasia, wo ihr euch erleichtern und waschen könnt. Wir sehen uns dann morgen.. Träum von mir, süßes Vögelchen!"
Mach ich, Arschgesicht! Wie ich dich von Bran und Akela in Stücke reißen und dann von Orion in den Boden stampfen lasse!
Der Widerling verschwand mit einem eindeutigen Ständer in der Hose und Anastasia sah uns auffordernd an.
„Camelia? Willst du die Tablette jetzt nehmen, oder wenn wir gleich zurück sind?"
Cami sah auf das Röhrchen, dann auf das Mädchen und lächelte zitternd.
„Am liebsten nachher... ich möchte danach noch ein bisschen mit Sophie reden... ich dachte, ich würde sie nie wiedersehen!"
Die Kleine nickte ihr Einverständnis und bedeutete uns ihr zu folgen. Ich legte meinen Arm um Camis Schulter und führte sie scheinbar unterstützend nach draußen.
„Du links, ich rechts," flüsterte sie und ich drückte als Bestätigung einmal mit der Hand zu.
Wir kamen an vielen Kerlen vorbei, obwohl die Waschbaracke nur zwei Container weiter war. Die meisten Penisträger pfiffen uns anzüglich hinterher und riefen irgendwelche Obszönitäten, wurden allerdings schnell von anderen zum Schweigen gebracht.
Interessant... es gab anscheinend eine Hierarchie... allerdings leider nichts auf der linken Seite, was zur Flucht ermuntert hätte...Anastasia öffnete eine Tür und ließ uns durchschlüpfen, warf den Männern einen tadelnden Blick zu, dann trat sie hinter uns ein.
Die Kleine ging zu einem Regal, nahm zwei Säckchen heraus und reichte uns diese.
Darin waren jeweils eine Zahnbürste, Zahnpasta, ein Kamm, Shampoo und Deo.
Lächelnd deutete das Mädchen auf die Duschen und dann auf die anderen Regale, in denen sich die Handtücher befanden.
„Die Toiletten sind hinter der Tür dahinten. Da sind auch die Waschbecken zum Zähneputzen. Ich warte hier auf euch..." zwitscherte das Mäuschen und Cami und ich trabten rasch los, um die vollen Blasen zu entleeren.
„Danke, Schatz!" rief ich noch über die Schulter ihr zu und warf genau wie meine Besti den Kulturbeutel in das nächste Waschbecken.
Erleichtert saß ich dann auf dem Pott und seufzte:
„Wow... das war echt bitter nötig!"
„Hmhm..." summte Cami und spülte zeitgleich mit mir.
Dann wuschen wir uns die Hände und putzten uns zum ersten Mal seit Ewigkeiten die Beißerchen nicht mit Salz, sondern mit echter, minziger Zahnpasta!
Das Paradies!
Na, ja... zumindest diesbezüglich...
Dann konnten wir einer Dusche nicht länger widerstehen...
Als das warme Wasser auf uns niederprasselte und wir uns den Schmutz der letzten Tage - und ich speziell mir das Gefühl der dreckigen Finger von Schleimbeutel und dem Arschloch von einem Arzt - abwuschen, stöhnten wir beide vor Genuss auf.
Nicht, dass wir vorher unsere Hygiene vernachlässigt hatten. Aber warmes Wasser war einfach nicht drin gewesen!
Und es fühlte sich so fantastisch an...
Ein Kichern unterbrach uns schließlich und Anastasia rief: „Benutzt lieber nicht das ganze warme Wasser. Es kommen nachher noch die Frauen aus Container zwei. Die sind ziemlich biestig, wenn sie kalt duschen müssen."
Gut zu wissen...
Rasch beendeten wir also unser Vergnügen und trockneten uns ab. Die Kleine reichte uns knielange Kleider aus einfachen Leinen und schlichte Stiefel und bedeutete uns ihr wieder zu folgen. Also tapsten wir frisch gestriegelt und sauber, unsere Kulturbeutel und die alten Klamotten unterm Arm geklemmt, hinter unserer winzigen Gefängniswärterin her zurück zum Container drei...
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Das Virus
Science FictionLasst euch impfen, haben sie gesagt. Dann wird das alles nicht so schlimm, haben sie gesagt. Wir werden das alles zusammen überstehen, haben sie gesagt... Ja... Schöner Mist, sage ich. Das Coronavirus hat sich tatsächlich als eine weltweite Pandemi...