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Mit einem Mal dröhnte mir mein Herzschlag in den Ohren. Sein Mund bewegte sich nur noch langsam und doch prasselten die Worte weiterhin viel zu schnell auf mich ein. Ich hörte seine Worte und doch konnte ich nicht ihre Bedeutung verstehen. Sie ergaben in meinem Kopf keinen Sinn. Stattdessen schlugen sie nur immer wieder auf mich ein. Plötzlich konnte ich nicht mehr atmen. Ich spürte stumme Tränen, die unaufhörlich meine Wangen hinabliefen. Mein Brustkorb zog sich krampfhaft zusammen und mit einem Mal merkte ich, dass ich den Kampf verloren hatte. Meine Sicht verschwamm und ehe ich mich versah, umhüllte mich die dumpfe Welt, welche ich mir zuvor gewünscht hatte.

Ich hatte meine Antwort. So viel hielt ich aus. Nun war es vorbei. Der Kampf war verloren. Ich hatte verloren. Mein Körper kapitulierte. Plötzlich war dort kein Schmerz mehr. Kein Gefühl. Alles war taub. Die Wassermassen umgaben mich und selbst wenn ich mich hätte retten wollen, hätte ich es nicht gekonnt. Mein Körper gehörte mir nicht mehr. Er war nur noch eine fremde Hülle, welche mich zumindest physisch zusammen hielt. Innerlich war ich gebrochen. Ich war mir sicher, dass allein das Adrenalin dafür verantwortlich war, dass mir dieser Schmerz in dem Moment erspart blieb. Ich schützte mich selbst mit dieser Taubheit. Dazu kam nun ein lautes Rauschen und schwarze Punkte flackerten vor meinen Augen auf. Ich spürte nur noch zwei Hände, die nach mir griffen und mich vor dem Ertrinken retteten, da verließ mich mein Bewusstsein. Mehr konnte ich nicht aushalten. Ich war ungewollt an meine Grenzen gegangen und nun sogar noch über diese hinaus. Mehr Schlägen konnte ich nicht standhalten.

Thranduil

Hektisch bewegte ich mich durch die Wassermassen zu ihr, bevor ich schnell nach ihr griff, um sie aus diesen zu befreien. Schwach und so zerbrechlich lag sie in meinen Armen. Ich legte schnell mein Ohr an ihren Mund und seufzte beruhigt, als ich mir sicher sein konnte, dass sie noch atmete. Sie war nur bewusstlos. Meine Sorge um Naira überschattete die Worte meines Sohnes und doch verstand ich so langsam, was er dort gesagt hatte. Man hatte sie gefunden. Aideen war ihr Name gewesen. Ich erinnerte mich an sie und doch war sie kaum präsent gewesen. Dennoch war sie Nairas Freundin. War. Ein so endgültiges Wort. Es beschrieb die Vergangenheit.

Ich blickte auf die zierliche Elbin in meinem Arm. Ihr Gesicht war vor Schmerzen verzogen und ich konnte mir nicht annähernd den Schmerz vorstellen, welchen sie gerade verspüren musste. Ich verließ mit ihr zusammen die Grotte, um sie von den Blicken der anderen wegzubekommen. Allein Legolas und Arés folgten uns. Der letztere schien dabei nur aufpassen zu wollen, was mich wütend machte und doch hatte ich gerade keine Kraft, um kostbare Worte an ihn zu verschwenden.

"Lass mich sie tragen", sagte da auch schon Arés. Ich erwiderte auf seine Wort reine Ignoranz. Mein Geduldspfaden war gerade zum Reißen gespannt und ich hoffte, dass er es einfach von alleine merken und den Mund halten würde. Natürlich verstand es dieser minderbemittelte Elb nicht und packte mich stattdessen an der Schulter.

Zornig wirbelte ich herum. Er konnte froh sein, dass ich meine Hände gerade nicht uneingeschränkt nutzen konnte. Dennoch schien er dieses Mal meinen Blick zu verstehen, da er leicht zurückwich. Ich konnte ihm ansehen, dass er noch etwas sagen wollte, doch unterbrach ich ihn: "Sie braucht dich nicht. Du bist nur lästig, also verschwinde jetzt." Ich war mir sicher, dass er mich noch eines Tages umbringen würde, wenn er nur die Chance dazu bekäme. Sein Blick sagte mir alles und doch ignorierte ich ihn nun. Stattdessen setzte ich mich wieder in Bewegung und suchte ihren Raum auf. Legolas wich dabei nicht von meiner Seite. Dennoch entließ ich ihn schon bald. Ich musste jetzt alleine mit ihr sein.

Vorsichtig legte ich sie auf ihr Bett, nachdem ich sie in ein großes Handtuch gewickelt hatte, da sie nach wie vor nass war. Eigentlich müsste sie aus ihrer nassen Kleidung raus, doch hatte ich dazu keine Berechtigung und das wollte ich auch nicht. Somit legte ich mich nur zu ihr und zog sie in meine Arme, damit mein Körper sie wärmen konnte. Ich verfluchte mich dafür, dass ich ihr jetzt schon wieder so nah kam und doch stellte ich meine eigene Angst und Unsicherheit hinten an. Es war in dem Moment egal, was ich mir vorgenommen hatte und welche Prinzipien ich brach. Ich hatte das Verlangen bei ihr zu sein und das tat ich nun auch. Selbst wenn sie erwachen sollte und mich dann wegschickt, wäre es in Ordnung. Ich möchte, dass es ihr gut geht. Ich hatte ihr schon zu viel Leid zugefügt. Ich war einfach nur feige und konnte nicht über meinen eigenen Schatten springen, weil mich alte Geister immer noch heimsuchten. Doch wollte ich wirklich so enden? Verbittert, alleine und mit einer verpassten Chance. Ich hätte die Chance glücklich zu sein. Mit der Elbin an meiner Seite, nach der ich mich sehnte.

Sanft strich ich ihr über die Wange und legte ihr eine Strähne hinter das Ohr, welche ihr zuvor ins Gesicht gefallen war. Ich bettete mein Gesicht in ihrem Haar und schloss die Augen. Sie roch nach Zitronenmelisse. Ihr Haar war so weich und doch löste ich mich nach einiger Zeit widerwillig von ihr. Ich hatte nicht das Recht dazu, ihr so nah zu sein.

Somit hob ich sie leicht nach oben, um sie neben mich zu legen, da krallten sich ihre Finger in meine Haut. Ich probierte ihre Hände leicht zu lösen, doch erklang da nur ein widerstrebendes Wimmern. Sofort sah ich nach, ob sie erwacht war, doch waren ihre Augen nach wie vor geschlossen. Ich war mir sicher, dass ihre Ohnmacht sich in Schlaf gewandelt hatte. Schließlich gab ich meine Bemühungen auf und schloss sie stattdessen nur wieder in den Arm, bevor ich ebenso meine Augen schloss. Dabei hörte ich allerdings nur immer wieder Legolas Worte und sah die Elbin, wie sie vor mir zusammenbrach. Der Anblick hatte auch etwas in mir zerbrechen lassen und doch wusste ich, dass das nur der Anfang gewesen war.

Naira
Es war kalt. So unfassbar kalt. Die Tränen waren längst auf meinen Wangen gefroren. Ich konnte mich nicht rühren. Konnte nicht den Blick abwenden. Steine bohrten sich schmerzhaft in meine Knie und doch konnte ich mich nicht erheben. Ich hatte keine Kraft mehr. Allein die weiße Wolke, welche vor meinen Augen tanzte und von meinem Atem erzeugt wurde, zeigte mir, dass ich noch lebte. Ich lebte, doch sie tat es nicht. Ich hatte es verdient, doch hatte sie es abbekommen. Ich hätte dafür bezahlen sollen, doch war sie es, die gezahlt hatte.

Langsam öffnete ich meine Augen und spürte die Tränen, welche stumm über meine Wangen gelaufen waren. Sofort war dort wieder dieser Schmerz und ich zweifelte, dass ich es aushalten könnte. Es zerriss mich. Ich wollte aufspringen und loslaufen, um dem Gefühl vielleicht so zu entkommen, doch rollte ich mich stattdessen zusammen. Ich hatte jede Qual verdient. Es war meine Schuld. Ich war dafür verantwortlich.

Ein warmer Atemzug ließ mich erschrocken stoppen. Ich drehte leicht meinen Kopf und als ich den Ursprung erblickt, erstarrte ich ruckartig. Es dauerte ebenso, bis ich begriff, dass er mich in seine Arme geschlossen hatte.

Das Stechen in meiner Brust wurde nur noch stärker und plötzlich hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ich spürte, dass mein Körper stark zu zittern begann. Dazu kamen wieder die Tränen, die meine Sicht verschwimmen ließen. Leise Schluchzer erfüllten den Raum und aus irgendeinem Grund, konnte ich mich einfach nicht rühren. Ich wollte ihn wegdrücken und laufen. Ich wusste nicht wohin und doch war dort dieser Drang. Stattdessen wurde ich von Ketten gehalten, die mich hinderten.

Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt