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Der Griff um meinen Körper lockerte sich. Automatisch suchte ich die Augen des Königs und tatsächlich blickte dieser mir besorgt entgegen. Ich konnte noch den Schlaf in seinen Zügen erkennen und doch wirkte er hellwach.
Der Anblick seiner Augen, ließ etwas in mir zerbrechen. Mein Körper verkrampfte sich ruckartig und begann unkontrollierbar zu zittern.
Ich spürte die stummen Schreie, welche meinen Mund verließen und mein Gesicht schrecklich entstellen mussten. Dazu kamen wieder die Tränen und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Es tat einfach so schrecklich weh.

„Naira", seine Stimme brachte mich dazu, dass ich nur unaufhörlich meinen Kopf schüttelte. Ich konnte das nicht. Ich würde das nicht aushalten. Warum war er hier? Verstand er nicht, dass er es mir so nur noch schwerer machte?
„Naira", wieder erklang mein Name aus seinem Mund. Seine Stimme war sanft und doch hörte ich ebenso Verzweiflung und Angst in dieser. Sie drang nur schwer zu mir hindurch. Ich fühlte mich, als hätte man mich von der Welt abgeschottet. Der Schmerz nahm mich gänzlich ein, so als würde dieser mich von nun an ausmachen. Mein Körper war nur noch eine physische Hülle. Völlig nutzlos. Stattdessen würde ich den Rest meines Lebens in diesem Zustand gefangen sein. Vielleicht hatte ich diese Folter aber auch verdient. All diese Qualen. Vielleicht hatte ich sie wirklich einfach verdient.

Ich bekam nur schwach mit, dass er sich aufrappelte und mich bestimmt an den Armen packte. Sein Gesicht schob sich in mein Blickfeld. Dennoch konnte ich ihm kaum Beachtung schenken.
Plötzlich passierte allerdings etwas, was all den Schmerz überschattete. Thranduil hatte seine Arme um mich gelegt, sodass ich mich nun in einer festen Umarmung befand. Die Verwirrung nahm mich ein und doch brach plötzlich etwas in mir und all die Tränen kamen wieder zum Vorschein. Ich weinte bitterlich an seiner Schulter und er hielt mich einfach weiterhin in einer festen, warmen Umarmung. Ich weinte bitterlich und das eine gefühlte Ewigkeit. Er wich mir dabei nicht von der Seite und gab mir in dem Moment so viel Kraft. Trotzdem war dort dieser unfassbare Schmerz. Quälende Laute verließen meinen Mund und mein ganzer Körper verkrampfte sich. Die quälenden Laute wurden zu leisen Schreien und plötzlich spürte ich da diese unendliche Wut und die Kraft, die mit dieser verbunden war. Ich löste mich ruckartig von ihm, doch war meine Sicht nach wie vor durch die Tränen verschwommen. Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinem Kopf, doch ignorierte ich ihn einfach.

"Es tut so unfassbar weh", brachte ich weiterhin unter Tränen hervor. Meine Atmung war unregelmäßig und ich hatte immer wieder das Gefühl keine Luft zu bekommen, doch war es mir recht. Ich wollte diese Gefühle nicht mehr ertragen. Ich war es so leid. So unendlich leid. Ich konnte nicht mehr. Alles in mir schrie, dass ich mich nie wieder davon erholen würde. Warum sollte ich es also überhaupt probieren? Warum? Erst recht gab es keine Antwort auf das "wie". Sie war meine einzige, wahre Freundin. Wer sollte ihr das angetan haben? Legolas musste lügen. Er konnte nicht die Wahrheit gesprochen haben.

Plötzlich war dort wieder eine warme Hand, die sich um meinen Arm legte und mich zu ihm ziehen wollte. Stattdessen schlug ich sie allerdings grob weg. Seine Nähe überforderte mich zu sehr in diesem Moment. Alles tat einfach so sehr weh. Die Splitter meines Herzens hatten sich überall in meine Brust gebohrt und tiefe, klaffende Wunden hinterlassen. Ich merkte, dass ich langsam ausblutete, doch war der Zustand von Dauer, sodass ich nicht wirklich erlöst werden würde. Stattdessen müsste ich mit diesen Wunden nun leben und ich war mir sicher, dass sie niemals verheilen würde. Niemals.

Mit einem Mal war ich mein Leben so leid.  Ich war innerlich so leer. So tot. Ich wollte einfach nur, dass es aufhören würde. Enden. Ich war sooft gebrochen und hatte geblutet. Sie war immer an meiner Seite und hatte mir geholfen und mich geheilt. Nun war sie fort und ich hatte sie zuerst verlassen. Es war ein Abschied für immer gewesen. Niemand konnte wirklich nachempfinden, wie es mir ging. Sie alle konnten mich nur traurig ansehen und sagen, dass es ihnen so leid tat, doch empfand wirklich niemand meinen Schmerz. Es war einfach alles zu viel. Aideen. Thranduil.

Ich erhob mich mit zitternden Beinen, nur um direkt wieder in mich zusammenzusacken. Der Schmerz zwang mich in die Knie. Ich hatte keine Chance diesen Kamp zu gewinnen. Ich wollte einfach nur noch, dass es enden würde. Doch wie? Sollte ich einfach so weitermachen, als wäre nichts gewesen und um sie trauern? Vermutlich wurde genau das von mir erwartet, doch könnte ich das? Gab es jedoch eine andere Alternative? Vermutlich auch nicht. Würde ich jemals das Glück wiederfinden? Hatte ich es denn jemals gefunden? Das Leben, in welchem ich gefangen war, hielt mir all das vor. Vielleicht hatte ich mir immer gewünscht, dass ich irgendwann diese dunkle Seite verlassen und mein Glück finden würde. Vielleicht war dieses aber einfach nicht vorhergesehen. Ich war es so leid. Ich konnte das nicht mehr. Ich war fein damit, dass es nicht für mich vorherbestimmt war, doch war ich nicht fein damit, dass ich andere hineinzog. Vielleicht sollte es einfach nicht so für mich enden, wie ich es mir damals als Kind gewünscht hatte. Ich würde nicht die Liebe meines Lebens finden und mit ihr das Glück teilen. Ich musste mich einfach damit abfinden, dass ich auf mich alleine gestellt war und allen Leid brachte, wenn ich sie zu nahe an mich heranließ.

Erneut spürte ich seine Wärme an meinem Arm, doch ließ diese erneut etwas in mir explodieren. Mein Herz schmerzte einfach so sehr und ich konnte nicht damit umgehen. Wieder schlug ich seine Hand weg, doch funkelte ich ihn wütend und doch gleichzeitig so verzweifelt an: „Geh weg!" Mein Blick war plötzlich so klar und ich betrachtete ihn aufmerksam. Seine Augen waren so voller Mitleid und ich hielt diesen Ausdruck nicht aus. Stattdessen wuchs die kalte Wut nur in mir. Verstand er denn nicht, dass er ebenso Schuld an meiner Lage war. Ich war all diese Fragen so leid. Ich war dieses Gefühl in meiner Brust so leid. Jede physische Wunde, die ich im Laufe meines Lebens gesammelt hatte, war mir lieber, als dieser psychische Schmerz. Hatte mich ein Dolch erwischt und einen großen Schnitt hinterlassen, so wusste ich dennoch, dass es heilen würde. Ich konnte den Prozess förmlich mitverfolgen und wusste, dass es irgendwann ein Ende haben würde. So war es anders. Es tat einfach nur schrecklich weh. So viele Situationen und Gründe aus der letzten Zeit bereiteten mir diese Schmerzen. Automatisch musste ich auch an den König und diese Frau denken. Ich würde so gerne über dieser Sache stehen und mich nicht davon beeinflussen lassen, doch gab es mir nur ein taubes und doch zugleich schmerzendes Gefühl in der Brust. Mein Kopf spielte mir Bilder von den beiden vor, die so unendlich quälend waren. Wie er sie ansah und sie berührte. Plötzlich hatte das Adrenalin meinen Körper verlassen und ließ nur mein leeres, schmerzendes Inneres zurück. Wie konnte ich das nur bewältigen? Wie konnte ich das nur schaffen?
Es war einfach alles zu viel. Damals, als ich davon gelaufen war, war mir die Sache bereits über den Kopf gewachsen, doch war es nicht ansatzweise mit der Situation jetzt vergleichbar.

„Ich würde dir so gerne den Schmerz nehmen." Bei dem Klang seiner Stimme erstarrte ich. Hektisch suchten meine Augen seinen Blick, doch zersprang etwas in mir, als sie ihn fanden. Es befand sich so viel Schmerz in seinen Augen. Sein Ausdruck ließ mich nachdenklich werden und lenkte mich für einen Moment von meinen Gefühlen ab. Ich hatte noch nie so eine starke Gefühlsregung von ihm gesehen und es faszinierte mich. Der Elb, der nicht nur kalt und einschüchternd war, faszinierte mich.
Ich hockte nach wie vor in mich zusammengesackt auf dem Boden und sah nun zu ihm nach oben. Er hockte sich nun allerdings zu mir, so als wäre ich ein kleines Kind, wobei er mich jedoch nicht erneut versuchte zu berühren. Plötzlich sehnte ich mich allerdings nach seiner warmen Haut und dem Halt, den er mir zuvor gegeben hatte. Somit agierte ich ganz ruckartig und fiel ihm förmlich in die Arme, wobei er kurz das Gleichgewicht zu verlieren schien, doch fing er sich schnell wieder.

„Wird der Schmerz je vergehen?" Hörte ich mich selbst mit gedämpfter Stimme fragen. Es kehrte kurz Stille ein, bevor er seine Stimme erhob, die seine Brust brummen ließ: „Der Schmerz schon, doch könnte er eine Narbe hinterlassen, die dich ein Leben lang begleiten wird. Wenn du dich jedoch gut um deine Wunde kümmerst, so kann die Narbe kleiner ausfallen und beeinflusst dein Leben ein kleines bisschen weniger."
„Wie kann ich mich um meine seelischen Wunden kümmern?" Fragte ich erneut und spürte, dass mein Körper bereits wieder von den Tränen zu beben begann.
Thranduil seufzte: „Wenn ich das nur wüsste." Wieder kehrte Stille ein und plötzlich spürte ich eine Erschöpfung, die mich förmlich erschlug. Ich wollte mich dagegen wehren, doch verschwand einfach die Kraft aus meinem Körper, sodass dieser erneut in sich zusammensackte und ich in einen traumlosen Schlaf fiel.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 07 ⏰

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