C H A P T E R T H I R T Y

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graveyard.

Mit noch immer zitternden Beinen und der Box fest umklammert unter dem Arm rannte Jungkook.
Er rannte, so lange, bis sich in seiner Lunge ein stechendes Gefühl ausbreitete und er kaum mehr Kraft hatte einen Schritt zu machen.

Er konnte immer noch nicht glauben, was da eben passiert war. Noch nie hatte er sich so gegen seinen Vater gestellt. Jungkook hatte einen Schlag erwartet, er hatte sich beinahe schon drauf vorbereitet, seine Nase gebrochen zu bekommen.

Wenn sein Vater wütend war, war er unberechenbar. In solchen Momenten konnte er nicht klar sehen, wie als wäre ein Schleier vor seinen Augen und er damit nicht mehr erkennen konnte, dass er seinem eigenen Sohn weh tat.

Über die Jahre hatte Jungkook Verständnis dafür empfunden, denn schließlich hatte er seinem Vater alles andere zu verdanken. Er war auch nicht immer so kalt und abweisend gewesen. Doch heute wusste Jungkook es besser.

Eltern sollten ihre Kinder niemals schlagen, egal wie wütend oder verzweifelt oder traurig sie sind — es war einfach nur falsch und krank.

Jungkook dachte daran, wie er eben bereit gewesen wäre, sich zu wehren. Nicht nur mit Worten ... auch körperlich. Da war so ein Aufbau an Gefühlen, von Stärke und Selbstbewusstsein, vielleicht auch tiefroter Wut, die in ihm brodelten.

Er hätte zurückgeschlagen.
Er hätte es getan und dieser Gedanke erschreckte ihn so sehr, dass er nicht aufhören konnte, darüber nachzudenken. Seine Oma hatte ihm immer gesagt, dass man Gewalt nie mit Gewalt lösen konnte.

Die Situation wäre womöglich viel schneller eskaliert und im Nachhinein hätte Jungkook es zutiefst bereut. Schließlich wollte er niemanden weh tun, er wollte nicht so werden wie sein Vater.

Als er endlich zum stehen kam sah er auf und fand sich vor einem eisernen Tor wieder, dahinter eine große Rasenfläche mit Steinen und einer kleinen Kirche in der Mitte.

Der Friedhof.

Er war unbewusst hier her gelaufen und alles im ihm schrie, wieder umzudrehen. Er verabscheute diesen Ort, mehr als alles andere, doch aus irgendeinem Grund konnte er sich nicht dazu bringen zu gehen.

Jungkook fürchtete sich davor. Aber hatte er nicht schon viel schlimmeres erlebt? Er wurde von einem Feuerlord beinahe in Asche verwandelt, hatte sich Geschichten über tote Mädchen im Sumpf anhören müssen und war sogar von einem Troll als rassistisch bezeichnet worden ... nein, es war ja ein Gnom.

Dagegen war ein Friedhof doch das harmloseste der Welt.
Jungkook wollte keinen Rückzieher machen. Er wollte sie besuchen.

Also öffnete er das quietschende Tor und lief den Pfad entlang. Seine Beine fanden den Weg von selbst, wie als wäre er ihn schon hundert mal gegangen.

Schließlich stand er vor ihrem Grab. Dem Grab, mit dem alles angefangen hatte.

Jeon Soyeon, stand dort in verschnörkelter Schrift.

Jungkook schluckte einmal, ehe er sich schließlich wie ein nasser Sack auf die Knie fallen ließ. Das ganze Adrenalin verließ seinen Körper mit einem Schlag. Tränen füllten seine Augen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte und ein erbärmliches Schluchzen entkam seiner Kehle.

»Es tut mir so leid Oma«

Erst kam er sich doof vor, als er sprach.
Sie konnte ihn ja eh nicht hören.
Dann fiel sein Blick auf die verbeulte Box in seinen Armen.

»Du wolltest, dass ich sie beschütze und ich habe versagt. Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Ich will einfach nur, dass du wieder bei mir bist«, sein Heulen war gefüllt mit Schmerz und Leid.

MOTH | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt