Kapitel VI

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Nachdem ich mich im Bad frisch gemacht hatte zog ich mir eine Mumjeans und einen weißen Kasmir Pullover an. Beides kombinierte ich mit einem Seidentuch, welches ich an der Gürtellinie der Jeans festband.
Als ich mit meinem Outfit zufrieden war, machte ich mich auf den Weg nach unten.
Dante hatte das Zimmer bereits vor mir verlassen, da er ein wichtiges Telefonat hatte.
Ich ließ ihn ohne Widerworte gehen, da er seinen Morgen bereits mir gewidmet hatte.
Als ich am Esszimmer ankam, hörte ich eine angeregte Diskussion.
Es waren die Stimmen von Leonardo und Timur, welche sich in einer tiefen Unterhaltung befanden.

"Wie kann es sein, dass du Toy Story 3 nicht gesehen hast?" Leonardo klang entsetzt, als hätte Timur ihn mit diesem Geständnissen zu tiefst verletzt.
"Als Woody sieht, wie Andy davon fährt und sagt, Alles Gute Bruder." Beim letzten Teil fiel er in den Charakter des animierten Spielzeugs und machte dessen Stimme nach.

"Ist der Film nicht für Kinder?" Timur klang eher desinteressiert, als würde er die Geschichte lieber lesen als sehen.

"Für Kinder?! Dieser Film hat die ganze Welt zum Weinen gebracht."
Das "für Kinder" äffte Leonardo in der selben Stimmlage nach, in welcher Timur für gewöhnlich sprach. Es schien, als hätten die beiden eine hitzige Diskussion. Auch, wenn Leonardo der einzige war, dem dieses Thema wirklich wichtig war.
"Ich weine nicht bei Filmen."
Timur nahm einen Schluck von seiner Tasse, ehe er sich wieder auf seinen Teller konzentrierte. Diese Aussage konnte ich bezeugen. Als ich noch in Moskau, im Haus meiner Eltern, lebte, leistete er mir oft Gesellschaft wenn Vlad und Ivan auf Mission zusammen waren. Wir vertrieben uns oft die Zeit damit, dass wir Filme schauten oder uns ganze Serien ansahen. Dank Timurs Hackerfähigkeiten war er in der Lage immer den neuesten Film herunter zuladen.
Die Wahl der Filme war dabei immer mir überlassen, doch egal welchen ich wählte, Timur blieb emotional unberührt.
Selbst, als wir Titanic sahen, regte er sich mehr über die technischen Ungenauigkeiten auf, als um das tragische Ende.

Mein Blick fiel auf Riccardo, welcher zwischen den beiden saß und sich hilfesuchend umsah. Der arme wusste nicht, wie er heil aus der Situation herauskommen sollte.
"Das war hypothetisch gemeint." Leonardo schob seinen Teller weg, was als Zeichen diente, dass er fertig war.
"Du meinst bildlich gesprochen. Hypothetisch kann eine Aussage nur gemeint werden, wenn sie .." Weiter kam Timur nicht, denn Leonardo unterbrach seinen Vortrag, ehe dieser überhaupt richtig begonnen hatte.
"Ja, ja. Erzähl das Riccardo, den interessiert sowas."
Mit diesen Worten stand er auf und kam in meine Richtung.
"Guten Morgen, Schwägerin." Er schenkte mir ein Lächeln, auch wenn es seine Augen nicht ganz erreichte.
"Guten Morgen, Leonardo." Ich erwiderte die Geste und ging zu meinem Stuhl herüber.

Riccardo und Timur begrüßten mich ebenfalls, ehe sie sich auch auf den Weg machten. So ungerne ich auch alleine aß, ich wusste, dass jeder von ihnen eine wichtige Aufgabe zu erledigen hatte, sodass ich sie nicht aufhielt. Es war ein Wunder, dass ich Timur und Riccardo überhaupt angetroffen hatte, denn für gewöhnlich blieben sie im Kontrollraum und bekamen auch ihre Mahlzeiten dort hin. Sie am Frühstückstisch zu sehen könnte sowohl ein gutes, so wie ein schlechtes Zeichen bedeuten.
Ehe ich mich jedoch damit auseinander setzten würde, was es für Neuigkeiten gab, müsste ich etwas essen, mein Magen war kurz davor sich selbst zu verspeisen.
Auch die Tatsache, dass Leonardo Zeit gefunden hatte, um über Toy Story zu diskutieren, zeigte mir, dass die Lage nicht allzu brenzlich sein konnte.

Es vergingen nur ein paar Augenblicke, da hatte Caroline bereits eine Vielzahl von Speisen um mich herum aufgestellt. Die Tatsache, dass wir seit Wochen nicht mehr zusammen, zur selben Zeit aßen, brachte den Bediensteten eine Menge mehr Arbeit ein.
Aus diesem Grund versuchte ich ihnen den Tag nicht noch weiter zu erschweren und suchte mir etwas aus den bereits vorbereiteten Speisen aus.
Die Stille war unangenehm, sodass ich mein Handy herausholte und mir etwas Gesellschaft holte. Seit Isabellas verschwinden musste ich viel Zeit mit mir selbst verbringen, sodass ich wieder angefangen hatte eine Serie zu schauen.
Ich klickte auf die nächste Folge und biss gespannt in mein Brötchen.

Nachdem ich mit dem Essen fertig war, nahm ich mein Handy und ging in die Hausbibliothek im dritten Stock. Die anderen waren alle beschäftigt, sodass ich sie nicht stören wollte.
Ich schritt durch den Raum, welches mittlerweile zu meinem zweiten Zimmer geworden war. Mit einer Hand an dem Regal bannte ich meinen Weg durch die Reihen.
Welches der vielen Bücher würde ich heute nehmen?

Meine Augen huschten über die Titel, doch keines der gelesenen Überschriften konnte mich wirklich begeistern.
Ich wusste nicht einmal auf welches Genre ich Lust hatte.
Also ging ich einfach weiter.

Die Reihen endeten und ich fand mich in der Leseecke wieder. Die Sessel waren kreisförmig angerichtet und umrundeten den Kamin in der Mitte.
Jemand vom Personal hatte bereits das Feuer angezündet, sodass die Atmosphäre im Raum einem winterlichem Schneetag ähnelte. Das orangene Licht der Flammen ließ das Gemälde über dem Kamin in einem neuen Licht erscheinen.

Das Kunstwerk entstammte dem Modernismus, was die abstrakten Formen und Linien sichtbar machten. Dieses Bild weckte wieder meine Erinnerungen an das Gemälde in unserem Schlafzimmer.
Die Tatsache, dass es sich um das Original handelte, schockierte mich immer noch.
Ein Werk der Renaissance hing in meinem Schlafzimmer.
Ob Rubens jemals damit gerechnet hätte, dass seine Arbeit einmal dort landen würde?
Und dann auch noch der Höllensturz der Verdammten. Ein so einzigaeriges Motiv, welches im Geiste der katholischen Religion entstanden war, schmückte die Zimmerwand eines Mafiahauses.

Plötzlich hielt ich inne.
Bei dem Arrangement handelte es sich um Menschen, die als die Verdammten bezeichnet wurden.
Die Verdammten, wie der Orden der Verdammten!
Die Informationen rannten durch meinen Kopf. Das Bild wurde in Belgien gemalt, oder doch der Niederlande?
Wenn ich mich recht erinnere dann lebte Rubens Anfang des 17. Jahrhunderts und das Entstehungsjahr des Bildes war glaub ich 1610 oder 1620?
Wieso erinnerte ich mich nicht mehr? Mama hat mir damals einen kompletten Vortrag über das Werk gehalten.

Schnellen schrittes lief ich aus dem Raum, die Treppe herunter in die zweite Etage.
Meine Beine trugen mich zurück in unser Schlafzimmer.
Außer Atem stand ich vor dem Gemälde.

Der Höllensturz der Verdammten!

Irgendwas sagte mir, dass dieses Bild mehr zu zeigen hatte, als nur den Sturz in die Hölle.

Ace of Hearts IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt