Kapitel XX

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"Weißt du noch damals, als du mich durch das ganze Haus gejagt hast?" Diese Erinnerung verstärkte meinen Lachanfall nur noch mehr und ich bekam bereits schwer Luft.
"Du meinst, als du meine Barbie aus dem Fenster geworfen hast?" Meine Laune änderte sich schlagartig und ich verpasste meinem Bruder einen Schlag gegen die Schulter. Ich erinnerte mich noch gut an diesen Tag. Ich war acht zu dem Zeitpunkt und spielte noch mit Barbiepuppen. Ivan hingegen war vertieft in sein Videospiel und mein herumgehüfte störte ihn. Vielleicht tat ich das auch absichtlich, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und ihn dazu zu bringen mit mir zu spielen. Irgendwann reichte es ihm und er warf meine Barbie aus dem Fenster, damit er in Ruhe weiter spielen konnte. Ich war so wütend, ich griff nach dem erst besten Objekt und jagte ihn damit durch das gesamte Anwesend. Natürlich dauerte die Aktion nicht lange, denn irgendwann wurde Vater auf den Lärm aufmerksam und beendete das ganze. Am Ende wurde ich dafür bestraft und in mein Zimmer geschickt. Ich fühlte mich so unrecht behandelt, dass mein Gesicht von Flüssen aus Tränen überströmt wurde. An dem Tag verstand ich, dass Ivan und ich niemals gleich vor unserem Vater sein würden und ich mein Verhalten anpassen musste, um zu überleben.

"Ey!" Ivan beendete sein Lachen und die letzten Wellen der Erinnerung schwammen davon.
Seit einer Stunde saßen wir nun hier und schwenkten in den Trümmern unserer Kindheit, zumindest in meinem Scherbenhaufen. Ivan hatte im Gegensatz zu mir eine hellere Sicht auf die alten Zeiten. Auch, wenn er genau wusste, wie ich mich in meinem Elternhaus gefühlt hatte und wie meine Beziehung zu meinem Vater war, so konnte er es nie genauso sehen wie ich. Es ist schwer den Schmerz eines anderen nachzuvollziehen, wenn man selbst, wie ein rohes Ei behandelt wurde. Aber ich machte ihm keinen Vorwurf, er tat sein bestes um mich zu beschützen und er war ein guter großer Bruder.
Mein Blick kreuzte sich mit seinem und für einen Augenblick hatte ich meinen Bruder zurück.
Der düstere Nebel, welcher seit Monaten seine Augen befüllte, war weg und ich konnte wieder einen Funken von Hoffnung darin sehen.
Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und eine bedruckte Stimmung legte sich über ihn. Ich wandte meinen Blick ab und versuchte einen fernen Punkt zu finden, um mich abzulenken.
Die Stille war kaum auszuhalten und ich hatte das Gefühl, als würde sie mich ersticken.

"Es tut mir leid, Anastasia." Verwundert sah ich ihm wieder in die Augen. Was genau meinte er mit, es täte ihm leid?
Bevor ich auch nur nachfragen konnte, fuhr er fort.
"Ich weiß, dass ich mehr hätte tun können. Ich hätte mich viel früher gegen unseren Vater stellen sollen und dich mehr vor ihm beschützen sollen. Wenn ich getan hätte, was von mir erwartet wurde, wenn ich getan hätte, was ein großer Bruder zu tun hat, dann wäre es niemals so weit gekommen."
Seine Worte schnürten mir die Luft noch weiter ab und ich spürte wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Wie hatten wir es geschafft wieder bei diesem Thema zu landen?
Es war doch alles so gut.
Wie konnte dieser Mann selbst diesen Moment verderben.

Nachdem ich mir einige Momente genommen hatte, um zu schlucken und mich von dem enge Gefühl um meine Stimmbänder zu befreien, schaffte ich es ihm eine Antwort zu geben, wenn auch nur eine knappe.
"Ist schon gut." Meine Stimme klang beschlagen, als würde ich durch ein Tuch sprechen.
"Nein ist es nicht. Ich trage dies seit einiger Zeit mit mir herum und fand nie den richtigen Zeitpunkt, um es dir zu sagen. An dem Tag, an dem Vater mir von seinen Heiratsplänen für dich erzählt hatte, stellte ich mich das erste mal gegen ihn. Ich wollte nicht, dass du ohne Liebe in eine Ehe rutscht, die so ausgeht wie bei unseren Eltern. Ich sagte ihm, dass nicht zu lassen würde und dass ich an deiner Stelle in die Martinelli Familie einheirate."
Ich griff nach Ivans Hand und hielt sie zwischen meinen fest. Meine Gedanken rasten und ich versuchte mich auf das zu konzentrieren, was er mir eben erzählt hatte.
"Er flippte vollkommen aus und schickte mich auf eine Mission ins Ausland, nach Bulgarien."
Moment mal, Bulgarien?
Bei der Erwähnung dieses Landes gefror mein Blut.
Meine Gedanken ratterten und ich versuchte die Zeitspanne zusammen zu setzten.
Das einzige mal, als die russische Mafia aktiv in Bulgarien stationiert war, war ein Jahr vor meiner Hochzeit.
Mir gefiel gar nicht, welchen Weg dieses Gespräch nahm.
"Du warst in Sofia, damals als die Explosion hoch ging?"

Ace of Hearts IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt