Kapitel VIII

2.1K 105 12
                                    

Dante

Ich hörte, wie die Dusche anging, ehe ich das Schlafzimmer verließ. Ich hatte meine Termine am Morgen so gut es ging hinauszuzögern, um die Zeit mit meiner Frau zu verbringen. Wegen der angespannten Situation im Haus hatte ich ziemlich vernachlässigt. Es machte mich wahnsinnig, dass ich sie täglich nur so, wenn ich morgens aufstand, oder abends ins Bett kam, doch selbst das fand nicht immer stand. Oft war ich über Tage hinweg unterwegs oder aber ich schlief in meinem Büro, wenn ich spät mit den Geschäften fertig wurde.
Deshalb war es schwer für mich aus der heilen Welt zu treten, welche wir in unserem Zimmer erschaffen hatten und die Realität anzunehmen.
Und diese war kalt und erbarmungslos.

Es war fast ein Monat vergangen, seit Wasili Petrov meine Schwester entführt hatte.
Die beiden waren seit dem wie vom Erdboden verschluckt, wir konnten keine Hinweise auf ihren Aufenthaltsort finden.
Und das machte mich wahnsinnig.
Ich nutzte jede meiner Quellen und Informanten auf der ganzen Welt, doch bis jetzt erhielt ich keine hilfreiche Nachricht. Tagelanges telefonieren und die viele Recherche hatte uns keinen Schritt weiter gebracht und so langsam fing ich an zu verzweifeln.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und holte die Familienchronik aus dem Safe meiner Schublade. Ich hatte es bis lang immer noch nicht geschafft dieses Buch durch zu lesen, auch wenn das eigentlich meine erste Aufgabe als neuer Don gewesen wäre.
Nun ja, wenn meine Amtszeit auf normalem Wege begonnen hätte.
Jetzt musste ich versuchen alle Aufgaben und Verantwortungen unter zubringen.
Nachdem ich jedoch auch in den Aufzeichnungen keine Hinweise über Wasili und seinen Aufenthaltsort finden konnte, lehnte ich mich erschöpft in meinem Stuhl zurück.

Ungewollt fiel mein Blick auf das Familienportrait, welches an der Wand meines Büros hing und meine Gedanken nahmen ihren Lauf.

Rückblende vor einem Jahr.

"Marco halt endlich still!" Mutter versuchte seit einer Stunde Marco eine Krawatte um den Hals zu binden, doch dieser währte sie erfolgreich ab. Er hatte seit seinem zehnten Lebens Jahr keine mehr getragen, was damit zusammen hing, dass er seinen Kleidungsstil selbst gestaltete. "Cazzone, ich bin noch nicht fertig!" (Trottel)

Ich wandte mich kopfschüttelnd von den beiden ab und sah zu meinem Vater. In einem schwarzen Anzug gekleidet stand er da und sah aus dem Fenster. Der Anlass des heutigen Abends bedrückte ihn sehr. Er hatte sein Leben lang dafür gekämpft, dass eine solche Situation niemals eintreten würde und wenn es nach ihm ginge, wäre es auch nicht dazu gekommen, doch diese Entscheidung überließen wir nicht ihm.
Wie könnten wir auch zulassen, dass ein Vater über das Schicksal seiner Kinder richtet, wenn ihm alleine das Sprechen zu dem Thema schwer fiel.
Also nahm ich ihm diese Bürde ab. Natürlich wünschte ich, ich hätte sie auch Isabella abnehmen können, doch so wie ich meine Entscheidung getroffen hatte dem Deal zuzustimmen, so hatte sie es getan. Ich wäre kein gutes Beispiel, wenn ich es ihr verwährt hätte.
Nun war der Zeitpunkt gekommen sich zu beweisen und nicht nur sich zu opfern, sondern auch Opfer zu bringen.
Mit einem kurzen Kopfnicken signalisierte ich Vater, dass alles gut werden würde und er aufhören soll sich Sorgen zu machen.
Während ich die festentschlossene Mine nach außen hin zeigte, war ich innerlich jedoch alles andere als ruhig.
Die Zweifel nagten an mir.
Nicht wegen meinem Entschluss die Tochter von Wasili zu heiraten und damit den Frieden unserer Familien zu sichern, viel mehr darüber, dass ich eine Ehe eingehen muss.
Ich hatte nie vor diesen Schritt zu gehen, oder besser gesagt, hatte ich nie dieses Verlangen.
Eine Ehe in meiner Familie wurde aus liebe geschlossen und ein solches Gefühl blieb mir verwehrt.
Ich war kein Engel was Frauenbekanntschaften anging, und das wusste auch jeder, doch liebte ich keine von ihnen. Sie waren für mich nie mehr gewesen, als ein physischer Kontakt.
Die Änderung machte mich nervös, besonders da es sich um eine Petrov handelte. Diese Familie war mir schon immer suspekt.
Ich hatte Anastasia zwar nie gesehen, nur das Foto in der Akte von Riccardo zeigte mir ihr Aussehen, dennoch wusste ich, dass es mit ihr nicht einfach sein würde.
"So, jetzt bist du fertig." Mutter war endlich mit Marcos Aussehen zufrieden und gab ihn frei. Dieser nutzte seine gewonnene Freiheit sofort aus und verließ den Raum.

Es breitete sich eine angenehme Stille aus, die bei der keiner was sagen musste, um dem anderen seinen Gemütszustand mitzuteilen.
Gespannt warteten wir darauf, dass Isabella das Zimmer betrat. Sie war immer noch in ihrem Zimmer und machte sich mit Chiara und Laura für den Abend fertig. Diese Veranstaltung war eine Art Abschied für sie. Unsere Eltern luden die Familie und ihre Freunde ein, da sie nicht viel mehr tun konnten, als ihr einen schönen Abschied zu ermöglichen.

"Und wo bleibt deine Feier? Du heiratest doch auch." Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Beim Klang dieser Stimme verdrehte ich die Augen.
Pablo stand in seinem besten Anzug vor mir und grinste hämisch vor sich hin. Er wusste, dass ich von sowas nichts hielt und den Gedanken einer Ehe immer noch nicht akzeptiert hatte.
"Ich mach eine, wenn du heiratest!"
Da verging ihm das Lachen.
Dieser Mann war schon viel zu lange singen und da ich bald einen Ring am Finger tragen würde, sollte er als guter Cape auch diesen Schritt gehen.
"Da kannst du lange drauf warten. Ich genieße das Leben als ewiger Junggeselle!"
Ja, das werden wir noch sehen. Vielleicht sollte ich mich mal umsehen, möglicherweise findet er heute auf der Feier seine zukünftige Mrs. Pablo Garcia.
"Jetzt wo du den Club verlässt, nehme ich Luca mit auf die Piste."
Dieser Verräter!
Wie schnell er mich doch abschreibt und meinen Bruder als Ersatz benutzt.
Bei der Erwähnung von Luca verkniff ich mir eine weitere Bemerkung.
Er hatte sich erst vor kurzem wieder beruhigt und ähnelte wieder der Version von sich selbst, die wir alle kannten. Ich wollte nicht riskieren, dass die Erinnerungen von dem, was ihm in Sofia passiert war, ihn erneut übermannen.

Unser Gespräch wurde von Isabellas Auftreten unterbrochen. Sie schwebte in einem hellblauem Kleid über den Boden, den Kopf gehoben und den Blick starr gerade gehalten. Aufmerksam untersuchte ich ihren Gesichtsausdruck, doch ich konnte nichts als Entschlossenheit wahrnehmen. Sie wusste was auf sie zu kommt und sie hatte vor, es mit Würde und Anstand durch zustehen.
"Die Gäste treffen gleich ein, lasst uns in den Garten gehen. Ah, und denkt dran, dass wir noch ein Familienfoto machen!" Mama versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu verstuschen, jedoch war es deutlich zu hören. Sie lenkte sich mit der Planung und den Vorbereitungen für die Party ab, nur half das nicht immer. Manchmal kam die Realität um die Ecke und erinnerte sie daran, dass ihre Tochter bald nicht mehr bei ihr sein würde.

Gehorsam machten wir uns auf den Weg zur Terrasse, doch ehe wir das Wohnzimmer verlassen konnten, hielt ich Isabella am Arm fest.
"Ich frag dich ein letztes Mal. Bist du dir sicher?"
Ein lächeln zierte augenblicklich ihre Lippen und sie nickte mir als Antwort zu.
Wenn man die Einzelheiten nicht kannte, würde man meinen sie heiratet aus Liebe.
"Ich hab keine Angst, Dante. Ich weiß, dass du niemals zulassen würdest, dass mir was passiert."
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und schritt zum Ausgang.
Da hatte sie recht, ich würde es niemals zulassen!
"Ich verspreche es." Kam es mir noch leise über die Lippen.

Rückblende Ende.

Die Tür meines Büros wurde ruckartig aufgerissen und ein panischer Luca stand im Rahmen. Die Gedanken und Erinnerungen lösten sich auf und mein Geist stellte sich in Alarmbereitschaft um.

"Riccardo hat sie gefunden."

Blitzschnell sprang ich auf und rannte Luca hinterher zum Kontrollraum.

Ich hatte es versprochen...

Ace of Hearts IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt