Kapitel XXXIII

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Unser Schmerz war der selbe,

Unsere Herzen schrien im selben Ton,

Unsere Seelen brannten im selben Feuer,

Und auch unsere Tränen banten sich den selben Weg entlang,

Und doch waren wir nicht die Selben....

....mehr.

Ich sah in den Himmel, welcher in einer grauen Farbbreite versank. Nicht einmal die abhebende Bemalung des Kirchenturms stellte einen Kontrast dar. Alles vermischte sich zu einem Ton, welcher von der erbarmungslosen Dominanz der Dunkelheit verschlungen wurde. Mein Körper war nur noch eine Hülle. Ich wusste nicht, ob das taube Gefühl in mir ein Schutzmechanismus vor dem brennende Schmerz, oder vielmehr dessen Resultat war, doch ich ertrank förmlich in meiner eigenen Haut. Dunkle Wolken zogen auf und ich atmete die kühle Herbstluft ein. Meine Gedanken rasten und zur gleichen Zeit standen sie still.

Ich richtete meinen Blick nach vorne und eine Mauer aus Männern tauchte vor meinen Augen auf, welche in ihren Anzügen ein Meer aus Schwärze bildeten. Sie reihten sich recht und links auf, wie Soldaten vor ihrem Befehlshaber. Zur einer Seite standen die Männer der italienischen Mafia, während auf der anderen sich die Anhänger der russischen Bratva eingefunden hatten, die Ivan unterstützen. So bildeten sie eine Gasse, welche direkt zum Friedhof führte. Es war gedacht, wie ein letzter Weg, welchen Ivan und Isabella gemeinsam beschreiten werden. Ein letztes Mal, dass ihre Männer die Köpfe als Geste des Respekts senkten. In ihren Gesichtern zuckte kein Muskel. Die Blicke richteten sie in die Leere und jeder einzelne von ihnen hielt den Kopf aufrecht. Sie waren Kämpfer, skrupellose Killer, die ohne zu zögern töten und doch konnte man ihnen die Trauer in den Augen ansehen. Dies war einzige Ort, wo ihr diszipliniertes Auftreten schwäche zeigte, denn ihre Gefühle schlichen durch das Fenster der Seele hinaus. Sie waren hier, nur er war es nicht mehr. Eine Mischung aus Loyalität, Treue und Schmerz formierte sich und erzeugte einen Anblick, welcher beinah den Damm, hinter welchem ich meine Gefühle versteckte, eingerissen hätte.

Plötzlich erkannte ich im Augenwinkel eine Gestalt, die sich Still neben mich stellte. Diesmal war es nicht sein Parfüm, welches mich seine Präsenz erkennen lies, sondern das erdrückende Gewicht, welches sich auf unsere Beziehung befand. Zwischen uns herrschte seit Tagen eine unangenehme Stille, weshalb ich ihn die meiste Zeit mied. Ich wusste nicht, wie ich mich in seiner Gegenwart verhalten sollte. Einerseits war da diese enorme Wut in mir, die, so sehr ich es auch versuchte nicht zu tun, an ihn richtete. Mit dem Kopf verstand ich, dass ihn keine Schuld an Ivans tot traf, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte es meinem Herzen nicht erklären. Ich fühlte mich wie ein Kind, welches mit der Erkenntnis konfrontiert wird, dass der Held ihrer Kindheit auch nur ein Mensch ist. Zu realisieren, dass meine Erwartung, die ich Dante auferlegt hatte nicht seine Bürde waren, sondern meine raubte mir den Atem. Dante war ein hervorragender Schütze, ein ausgeklügelter Stratege und ein begnadigter Kämpfer, was er jedoch nicht war, doch war ein Gott.

Und nur dem sollte ich die Schuld geben.

So rational ich diese Schlussfolgerung auch ausführen konnte in meinem inneren blieb nur eine Frage, wieso hat er ihn nicht gerettet.

Ein kalter Windhauch streifte meine Schultern und eine leichte Gänsehaut breitete sich erkennbar auf mir aus. Ohne ein Wort zu sagen sog Dante sein Sakko aus und trat ein Schritt näher an mich heran um mir die Jacke über die Schultern zu werfen. Eher jedoch der Stoff meine Haut berühren konnte, machte ich einige Schritte nach vorne und schaffte somit eine Distanz, die nun nicht nur seelisch, sondern auch körperlich zwischen uns bestand. Der helle Klang der Kirchenglocken wurden begleitet von Valerias bitteren weinen. Was mich dazu veranlasste stehen zu bleiben. Der Schmerz, welchen sie durch ihr Schreien zum Ausdruck brachte zerriss mich innerlich. Es war als wurde mein eigner Schmerz durch den Klang ihrer Stimme verdoppelt. Unbemerkt spannte ich meinen Körper an, damit meine Knie nicht nachgaben. Ich tat es weil ich mich zusammenreißen musste. Ich musste stark bleiben und meinen Bruder und seine Frau würdevoll zur letzten Ruhe zu betten, auch wenn ich nachgeben wollte. Ich wollte, dass meine Knie ihren halt verloren und ich zu Boden sank. Ich wollte schreien, bis meine Stimmen heiser war. Ich wollte weinen bis das letzte Fünkchen Flüssigkeit meinen Körper verlassen hatte. Doch ich durfte nicht. Ich wusste, dass wenn mein Körper den Boden berühren wurde ich nicht wieder aufstehen könnte.

Das Geräusch von kommenden Motoren riss mich aus meinen Gedanken und ich wandte meinen Blick in die Richtung aus welcher es ertönte. Sofort reagierte mein Körper und ich ging zu Vlad hinüber, welcher an der Spitze der menschlichen Gasse stand. Die Martenellis folgten meinem Beispiel und gesellten sich zu ihrer Seite, sodass die Familien der verstorbenen nun das Ende des Durchgangs darstellten. Gegenüber von mir stand Dante und ich konnte sein Blick auf mir spüren doch wich ihm bewusst aus. Chiara lag in den Armen ihrer Mutter und die beiden stimmten ein Trauerlied mit ihren Tränen ein. Sergio stützte seine Frau und Tochter doch auch ihm konnte man den Verlust ansehen. Seine sonst so selbstbewusste Ausstrahlung und seine felsenfeste Präsenz wurde bis ins Mark erschüttert, was ihn wie einen Ast in Wind aussehen lies. Dantes Brüder formierten sich zu einer weiteren Wand, welche der Mafia Mitglieder ähnelte. Aufrecht standen sie da. Die Blicke gesenkt, sodass niemand einen Blick in ihre Augen erhaschen konnte. Aber auch ohne es selbst zu sehen wusste ich wie sie sich fühlten, denn ich spürte das selbe. Onkel Borris nahm sein Platz neben mir ein und gemeinsam stellten wir die Petrov Familie dar. Nur wir zwei, von all den unzähligen Menschen die in unserem Haus ein und ausgingen, die Ivan Onkel, Tante oder Cousins und Cousinen nannte, waren nur wir da. Dieser Gedanke lies die Wut in mir wieder auf köcheln, doch ich schluckte hinunter.
Alles zu seiner Zeit.

Die Leichenwagen fuhren gleichzeitig auf unsere Allee und es fehlten nur noch einige Meter bis sie den ersten Mann in der Schlage passieren würden. In Schrittgeschwindigkeit kamen sie näher und minimierten den Abstand bis sie an uns vorbeifahren würden. Es war absolut Still nur das leise Schniefen von Valeria und Chiara war zu hören. Das Geräusch der quietschenden Reifen unter den Kieselsteinen wurde lauter, was signalisierte das der Wagen nur noch Sekunden von mir entfernt war. Meine Hände fingen an zu zittern und ich konnte spüren wie die Mauer hinter der ich meine Gefühle versteckt hielt anfing zu brechen. Bevor der letzter Stein fallen konnte und ich in den Strudel meines Gefühlschaos gezogen werden konnte griff jemand nach meiner Hand. Es war eine einfache Geste, doch sie hinderte mich daran, dass ich mich in mir selbst verlor. Ich hob den Blick und sah in ein paar mit fühlsamer blauer Augen. Sie waren so dunkel wie das Meer und ähnelten den meines Bruders. Für eine Sekunde konnte ich nicht unterscheiden, ob mich Onkel Boris oder Ivan ansah. Das selbe Blau, der selbe Blick nur war es nicht er. All meine Bemühungen waren umsonst, denn ein einziger Blick auf etwas vertrautes hatte meinen Damm zum einstürzen gebracht und eine Meer aus Tränen freigesetzt. Wie ein Wasserfall rannten sie meine Wage hinunter und ein unkontrolliertes Schniefen folgte, jedes Mal wenn ich versuchte nach Luft zu schnappen. Der Wagen in dessen Kofferraum mein Bruder lag passierte meine Position was mich endgültig dazu brachte zusammenzubrechen. Meine Knie gaben leicht nach, doch ehe ich meinen Halt verlieren konnte zog mich Boris in seine Arme. ich verstecke mein Gesicht in seiner Schulter und nahm dies als Entschuldigung meinen Gefühlen nun feiern Lauf zu lassen. Es war ein Durcheinander aus bitterem weinen und hilflosen Verlangen aus diesem Traum aufzuwachen. Fest krallte ich mich an Boris Jackett doch konnte ich die Tränen nicht zum versiegen bringen. Ich war vollkommen vertieft in meiner Trauer, sodass ich die Hand auf meiner Schulter erst bemerkte, als sie mich zu sich zog. Meine Sicht war von den unzähligen Tränen verschwommen, doch ich musste die Person nicht sehen um zu erkennen, dass es Dante war. Sein herber Duft stieg mir in die Nase und als er mich in seine Arme drückte umhüllte dieser mich. Augenblicklich hielt ich mich an dem Stoff seines Hemdes fest und versuchte jedes bisschen dieses Duftes einzuatmen. Meine Tränen flossen weiterhin unkontrolliert über mein Gesicht doch mein Körper entspannt sich in den Armen meines Mannes und ich konnte endlich wieder atmen. So sehr ich auch versucht hatte eine Distanz zwischen uns zu halten musste ich gestehen, dass ich ich brauchte.

Es war ironisch und grausam, dass in der Zeit in der ich meinen Mann am meisten brauche auch die war in der ich seine Nähe am wenigsten ertrug.

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