Kapitel XXXII

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(Bereits aus dem Russischem übersetzt)

Meine liebe Schwester,

Ich schreibe diese Zeilen aus mehreren Gründen, zumindest rede ich mir ein, dass es mehr als nur den einen gibt. Es ist schwer für mich, als älterer Bruder, einzusehen, dass meine Feder dieses Papier nur deshalb streift, damit ich dir die Worte sagen konnte, welche ich nicht bereit war auszusprechen.

In einem Kampf, oder im Angesicht des Todes verspürte ich nie Furcht, denn mein Leben gehört nicht mir. Nicht einmal als Erbe der Mafia ist man Herr über sich selbst, sondern nur ein Instrument der Organisation. Man brachte mir von klein auf bei, dass jede meine Entscheidung zum Wohl der Mafia getroffen wird und, dass mein eigener Will nur an zweiter Stelle steht. Ich beugte mich dieser Regel, Tag für Tag ignorierte ich meine eigenen Wünsche, meinen Instinkt Dinge anders anzugehen und fügte mich dem Willen der Mafia.

Die ersten Jahre kämpfte ich hart mit mir. Es war ein Krieg, welcher bereits vor dem Beginn der Schlacht entschieden war und trotzdem warf ich mich jedes Mal in die Schlacht. Ich spürte den Drang, mich nicht ohne Kampf zu ergeben, auch, wenn dieser nur still in mir selbst ausgefochten wurde.
Die Erwartungen und meine Verantwortung fesselte, doch ich hatte es versucht, ich hatte es wirklich versucht...
Mit der Zeit verlor ich meinen Kampfgeist, ich wurde müde und beugte mich immer schneller den, von mir erwarteten, Entscheidungen.

Ich kämpfte nicht, als Vater mir sagte, dass nur eine Ausbildung fern von der Familie. mich stark machen würde.
Ich kämpfte nicht, als Mutter starb und mein Inneres Feuer dabei war, mich vollständig zu verschlucken. Ich wollte mich rächen, die Welt in Schutt und Asche legen, doch fürs Wohl der Mafia hielt ich still.
Ich wollte schreien und meine Wut rauslassen. Ich war bereit einen blutroten Fluss zu hinterlassen, nur um meinen Zorn zu bändigen und den Rachedurst zu stillen.

Doch wie der gute Sohn, der ich vorgab zu sein, tat ich nichts und ließ den Tod unserer Mutter von Vater rächen.

Obwohl das Vergießen ihres Blutes nicht ungestraft blieb, war das Feuer in mir bereits entfacht und nichts konnte es löschen.
Jetzt weiß ich, dass der Mann, dem meine Rache gelten sollte, noch lebt, doch damals vertraute ich unserem Vater blind.
So wurde ich erzogen, so handelt ein guter Sohn.

Mein Verstand zog mich in eine Richtung, während mein Herz mich von der anderen Seite rief und das alles fand statt, während mein Körper in heißen erbarmungslosen Flammen brannte.
Ich spürte eine schwere Last, die mich in Form von Schuld langsam, Tag für Tag, erdrückte.

Ich schreibe dir das, nicht, damit du Mitleid mit mir hast, denn ich will kein Mitleid.
Alles was ich möchte ist, dass du verstehst, wieso ich gehandelt habe, wie ich es tat.

Ich litt bereits unter den Schuldgefühlen wegen Mutters Tod, ich hätte nicht weiter leben können, wenn ich auch dir einen Schuldschein ausstellen müsste.
Dein Leben wurde mir von Mama anvertraut und bis zu diesem Tag dachte ich, dass ich meine Aufgabe als großer Bruder verantwortungsvoll ausübe.
Doch als Vater mir von seinem Plan erzählte, dich zu verheiraten und dann auch noch mit unserem jahrelangen Feind, konnte ich mich nicht beugen.
Ich konnte nicht dabei zusehen, wie du in den Fängen einer lieblosen Ehe gefangen bist und das selbe Schicksal erleidest wie sie.

Mutter weinte jeden Tag.
Sie weinte um ihre Jugend, ihre Kinder und um sich selbst.
Seit Jahren lebte sie wie ein Geist, gefangen in ihrem eigenen Körper.
Ohne Freude, ohne Hoffnung, ohne eine Seele!

Du solltest so nicht leben.

Ich wollte nichts mehr, als dass du lächelst!
Lächelst, weil der Frühling eingetroffen war,
lächelst, weil dein Lieblingssong im Radio ertönt, oder weil du das letzte Stück vom Napaleon Kuchen in der Bäckerei ergattert hast.
Ich will, dass du aus vollen Hals lachst, wenn du die Videos anschaust, die du so liebst, in denen man Tieren einen witzigen Dialog verabreicht, der wie ein menschliches Gespräch klingt.

Aber vor allem will ich, dass du lächelst, wenn du an deine Erinnerungen zurück denkst. Nicht die unserer Familie, sondern an die, die du mit deiner neuen schaffst.

Ich hatte Angst, dass das alles in der Martinelli Familie nicht möglich sein würde,
Angst Dante würde dich behandeln wie Vater es mit Mutter getan hatte.

Ich konnte nicht zulassen, dass dein junges Leben beendet wird, ehe es überhaupt angefangen hat.

Also ergriff ich meine Chance, als sie vor mir auftauchte.
Ich wusste, dass ich die Martinellis Schwächen und damit die Heirat verhindern könnte. Sie wären nicht mir in der Lage gewesen für uns eine Bedrohung darzustellen. Wir hätten die Gebiete ohne einen Kompromiss zurück erobert und du wärst nie zu einem Instrument des Tauschhandels geworden.

Mein Plan bestand einzig und allein darin dich zu retten und es war mir egal, wem ich schaden würde, solange ich dich retten könnte.

Nur wusste ich nicht, dass du meine Rettung nicht brauchtest.

Ich hatte nicht gemerkt, wie mir die Tränen das Gesicht herunter liefen und auf das Stück Papier in meiner Hand tropften.
An einige Stellen vermischten sie sich mit der Tinte und hinterließen einen blauen Fleck der Reue.

Reue, genau das fühlte ich.

Reue, weil ich ihn nicht hatte ausreden lassen.

Reue, weil ich ihn nicht verstanden hatte.

Reue, weil ich ihm nicht geglaubt und an ihm gezweifelt hatte.

Reue, weil ich ihn hatte gehen lassen.


4. Reue

Ace of Hearts IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt