Kapitel XXVI

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Anastasia

Ich hörte jedes Wort.
Sie strömten auf mich ein, wie ein Tsunami spülten sie mich davon.
Das Blut in meinen Adern gefror zu Eis und ließ meinen Körper endgültig erstarren.
Meine Gedanken überschlugen sich und ich brauchte ein paar Augenblicke, bis ich wieder klar denken konnte.
Immer noch vor den Monitoren stehend hielt ich den Blick direkt auf die Bildschirme gerichtet.
Der Nachklang von meinem Schrei erschütterte immer noch die Wände und ich umfasste die Ecke der Tischplatte, um mein Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Meine Knie wurden, mit jeder weiteren Sekunde voller Unwissenheit, weicher.
Der Schuss erschrak mich bis in die Knochen und wehte wie ein kalter Schneesturm über mich hinweg.

Riccardo und Timur hantierten wie wild herum und versuchten eine Antwort von der anderen Seite der Leitung zu bekommen, ich jedoch betete, dass diese noch einige Minuten schweigen würden.
Nur ein wenig mehr Zeit war alles, worum ich Gott bat.
Nur ein weiterer Moment ohne Neuigkeiten, der den Tempus unseres Lebens einfriert und meine Welt nicht in Trümmer zerlegt.
Nur ein paar mehr Augenblicke, in denen ich glauben konnte, dass alles gut wird.
Die Hoffnung in meinem Herzen, so klein sie auch war, würde in dem Moment verschwinden, in dem der erste Klang durch den Funk kam. Ich schloss die Augen und versuchte meine Atmung zu regulieren.
Murmelnd schickte ich ein Stoßgebet an eine mystische Figur im Himmel, um dessen Hilfe ich zum zweiten Mal in meinem Leben flehte. Ich legte alles was ich hatte in die Waagschale, bereit alles zu opfern um meinen Bruder und die anderen zu beschützen.

"Dante! Was ist los bei euch?"
Riccardos Stimme zwang mich dazu, den Blick wieder auf den Bildschirm zu richten.
"Luca! Dante!" Seine Rufe wurden von den Tippgeräuschen seiner Tastatur begleitet und die Panik in mir verstärkte sich mit jedem Atemzug.
"Meinst du die Verbindung ist wieder weg?" Timur drehte sich fragend zu Riccardo, doch dieser konzentrierte sich auf seine Arbeit.
"Nein, ich kann Hintergrundgeräusche hören, sie antworten nur nicht."

Meine Nerven spannten sich noch mehr an. Die Angst um Ivan weitete sich nun auch auf die Sorge um Dante und meine Schwager, sowie um Vlad aus.
Wieso sagten sie denn nichts?
Ich bewegte meinen Kopf leicht nach rechts und links, da meine Sicht anfing unscharf zu werden.
Plötzlich hörte ich Ivans Stimme.
Sie war leise, als würde sie von einem Gerät der anderen einfangen werden, doch ich konnte sie problemlos erkennen.
Er lebte!
Meine Lungen füllten sich mit neuem Sauerstoff und ich konnte mich ein wenig entspannen.
Er lebte!
Mein Inneres empfang eine kaum zu beschreibende Freunde. '
Die Spannung, welche meinen Körper die letzten Augenblicke aufrecht hielt, ließ mit einem Mal nach und ich fiel in meinen Stuhl zurück.
Dankbar schloss ich die Augen und legte meinen Kopf in den Nacken.

Es vergingen weitere Minuten, in denen das Funkgerät schwieg, ehe Luca zu uns sprach.
"Riccardo, la missione é fallita!" (Die Mission ist fehlgeschlagen.)
Riccardo hörte sofort auf zu tippen und hielt in seiner Bewegung inne.
Seine sonst eher gebräunte Hautfarbe ähnelte nun der eines Geistes und er wurde mit jeder Sekunde bleicher.
Er sackte in seinem Stuhl zusammen und starrte regungslos vor sich hin.
È fallita...É fallita
Lucas Worte wanderten durch meine Gedanken und ich versuchte verzweifelt eine Übersetzung zu finden. Meine mangelnden Sprachkenntnisse waren nicht der Grund, wieso ich die Worte nicht verstand. In jeder anderen Situation hätte ich ihre Bedeutung schon längst abgeleitet und ihren Inhalt verstanden, doch der Druck, welcher auf meinem Verstand lastete war zu viel, als dass die Neuronen funktionieren könnten.
Timur übernahm das Mikro und fing eine Unterhaltung mit Luca an. Die beiden besprachen den kommenden Ablauf und Timur befolgte alle Anweisungen zur Planung der Abreise.
Während dessen hörte ich immer wieder Isabellas Namen. Diesmal klang es anders, niemand suchte sie mehr und rief nach ihr, in der Hoffnung sie zu finden.
Es war fiel mehr ein Schrei.
Ein verzweifelter Versuch den Schmerz und die Emotionen raus zu lassen und das zerreisende Gefühl in der Brust zu betäuben.
Im Hintergrund hörte ich ein Schluchzten und der Klang bereitete mir eine Gänsehaut.
Ich musste Lucas Worte nicht mehr verstehen, denn mein Herz begriff sie ehe mein Verstand es tat.

Ace of Hearts IIIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt