Immer noch im Bann des Kunstwerkes, stand ich still in Mitten des Schlafzimmers.
Das Gemälde war gewaltig, nicht nur in seinem Motiv, sondern auch in seiner Größe.
Es nahm die komplette Breitbande der Wand ein, beide Maßlinien reichten an die zwei Meter heran.
Wie konnte es vorher nie meine Aufmerksamkeit erregen?
War ich wirklich so unaufmerksam gewesen?! Oder aber lag es am Bild selbst?
Aus der Ferne sah es aus, wie eines der vielen alten Meisterwerke, die ich mit meiner Mutter zusammen besichtigt hatte. Es war im Stil der Renaissance oder des Barocks gemalt. Zu meinem bedauern waren meine Kunstkenntnisse nicht so tiefgreifend, wie sie für eine genaue Analyse des Werks hätten sein müssen, jedoch war ich fest überzeugt, dass diese im Augenblick nicht nötig sein würden. Was auch immer dieses Bild verbarg, es müsste auch für Nichtkenner sichtbar sein. Die meisten Mafiosi hielten nicht viel von Kunst. Sie stellten sie gerne aus, oder nutzten die Gemälde als Geldanlage um Geld zu waschen, jedoch interessierten sie sich selten für Details. So lange das Bild teuer war und gut aussah, wurde es gekauft. Dieser Einstellung war ich dank meiner Mutter weit voraus. Ich konnte Künstler erkennen und sie einer bestimmten Stilrichtung zuordnen, wenn auch nicht immer ganz genau.Mein Blick fiel wieder auf das Schaubild vor mir. Das Durcheinander und die vielen Farbwechsel machten es schwer für das Auge, einen bestimmen Punkt zu fassen. Es war zu viel auf einmal.
Ein Wirbel von Licht, welches den dominanten Schatten versuchte zu verschlucken, seltsam verschlungene Schemata, Farben, die von der Leinwand bereit waren zu fliehen und die Oberfläche überfluteten. Ein Chaos und zur gleichen Zeit eine so deutliche Botschaft.
Ich hielt inne.
Dank der Entfernung, welche ich zu dem Werk hielt, wirkte es wie ein Landstrich. Im Norden schien die Sonne, die ihr hell leuchtendes Licht weit nach Westen warf. Im Osten wütete das heiße Feuer, welches gnadenlos seine hohen Flammen steigen ließ. Der Süden unterwarf sich der schwarzen Düsternis, während in der Mitte ein heller Strudel aus fallenden Menschen tobte.
Menschen!
Schlangen?
Vögel aus Rauch?
Es war kaum möglich klare Motive auszumachen. Viel zu viele Handlungen und Details spiegelten sich auf der Fläche wieder. Meine Augen waren nicht in der Lage alles auf einmal auf zunehmen.Ich entschied mich dazu näher zu treten und mit jedem Schritt, welchen ich tat, offenbarte es mir eine neue Sichtweise.
Ich verringerte den Abstand weiter und minimierte damit mein Sichtfeld auf das Motiv.
Aus der Finsternis am unteren Rand stieg ein Löwenwesen mit zum Angriff erhobenen Tatzen hervor. Das Tier war beim ersten Anblick nicht zu erkennen, weshalb es mir erst jetzt auffiel.
Ein weiteres Symbol war der Rauchvogel, er fand seinen Platz am Rande des Bilds, sodass auch er mir erst in der Nähe auffiel.Und dann sahen meine Augen das Hauptmerkmal des Bildes.
Es war gnadenlos.
Die strenge Sonne, die von dem Schild eines Engels ausging, der mit flammendem Schwert vom Himmel herunter raste.
Höllenflammen stiegen an den Seiten empor und griff nach den menschlichen Körpern, die sich fallend ihren Weg durch das Bild bannten. Es müssen hunderte davon sein.In Rubens Darstellung kam keiner in den Himmel.
Er machte keine Ausnahmen, er verdammte alle Menschen zu einem Leben in der Hölle, zu einem Sturz an diesen Ort.Hatte ich mich vielleicht geirrt und das Gemälde hatte überhaupt nichts mit dem Orden zu tun.
Die bloße Erwähnung der Verdammten ließ mich glauben, ich hätte eine Spur gefunden.
Konnte das alles nur Zufall sein?
Ein niederländischer Maler, die italienische Mafia und ein geheimer Orden, welchen Zusammenhang könnten sie haben?Ich zerbrach mir den Kopf, während meine Augen immer noch über die Malerei schweiften.
Das Bild war größer als ich und mit Sicherheit enorm schwer, sodass ich es nicht einfach so von der Wand nehmen konnte. Zudem war es auch noch unvorstellbar teuer, wieso ich es auch nicht wagte meine Finger an die Farbe zu bringen.
Bevor ich hier etwas tue, was ich nicht wieder rückgängig machen kann, recherchierte ich anderweitig.Ich machte ein Foto mit meinem Handy und machte mich dann auf den Weg zurück in die Bibliothek. Wenn ich irgendwelche Aufzeichnungen über die Beziehung der Martinelli, dem Bild und dem Orden finde, dann dort.
Die Stunden vergingen und ich las mich in die verfügbare Literatur ein. Bis jetzt fand ich nur Informationen zu der Malerei, die der Welt auch so bereits bekannt war. Auch über den Maler gab es nicht viel zu finden.
Es existierten keine Nachweise, die meine Vermutung belegen würden.
Es gab nichts.
Aber was hatte ich auch erwartet zu finden?
Dachte ich einen Code oder ein verstecktes Symbol zu finden?
Mein Leben entsprach doch nicht einer Szene aus dem da Vinci Code.War ich schon paranoid?
Die letzten Ereignisse ließen mich empfindlich auf Zufälle reagieren, da die Schnitzeljagd meiner Mutter mich ziemlich geprägt hatte.
War es vielleicht vorbei?!
Die ganze Geheimniskrämerei hatte ein Ende und ich musste bei meiner Entscheidung, mich da raus zu halten, bleiben.
Ich klappte das Buch, welches vor mir lag zu und packte es zurück in das Regal.
Es ist nur ein Titel!
Es ist nur ein Bild!Ich verließ die Bibliothek und nahm die Treppe in den zweiten Stock.
Das Fenster im Flur ermöglichte mir einen Blick nach draußen und ich bemerkte die dunkle Fassette.
Wie viele Stunden hatte ich in der Bibliothek verbracht, dass es bereits Abend war?
Die Stunden müssen unbemerkt an mit vorbeigeflogen sein.Ich ging den Flur entlang und sah mich um. Der Gang war vollkommen leer. Weder Personal noch jemand von der Familie war zu sehen. Auch Ivan und Vlad hatte ich schon eine Weile nicht mehr gesehen. Mein Onkel hatte sich Anfang der Woche auch verabschiedet, da er in der Region einige Freunde besuchen wollte. Er dachte, er könnte bei ihnen etwas über Isabellas- oder den Aufenthaltsort meines Vaters erfahren.
War ich etwa alleine Zuhause?Und ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Seit der versuchten Entführung durch Fabio war ich nie alleine. Dante sorgte dafür, dass immer jemand in der Nähe war.
Die Lichter erhellten meinen Weg und machte es etwas weniger gruselig, dennoch spürte ich meine inneren Alarmglocken.Sollte ich ihn anrufen?
Ich griff schon nach meinem Handy und wollte seine Nummee wählen, als ich es wieder weg packte.
Was, wenn er mitten in einem Auftrag ist, oder ein wichtiges Gespräch führt.
Für gewöhnlich hätte er mir eine Nachricht hinterlassen, doch mein Telefon zeigte keine verpassten Anrufe oder SMS.Ich könnte auch einfach im Kontrollraum nachsehen, denn Timur und Riccardo wären zu hundert Prozent dort.
Ehe ich den Gedanken zu ende denken konnte, führten mich meine Beine bereits ins Erdgeschoss.
Als ich an Dantes Büro vorbei ging, bemerkte ich, dass seine Tür leicht offen stand. Es war nur ein kleiner Spalt und um ein Haar hätte ich ihn nicht bemerkt.
Neugierig blieb ich stehen und drückte die Tür weitere Zentimeter auf. Der Raum war dunkel, also war niemand dort.
Sollte ich einfach gehen?
Ich könnte die Tür einfach schließen und so tun, als wäre nichts gewesen, doch irgendetwas stoppte mich.
Es war kein wirkliches Gefühl und such keine Ahnung, ich tat es einfach nicht.
Stattdessen trat ich ins Innere und schaltete das Licht an.
Alles stand an seinem Platz, ordentlich und akkurat angerichtet. Dante war also nicht in Eile aus dem Raum gerannt und hatte deswegen vergessen abzuschließen.
Ich ging zu seinem Schreibtisch herüber, doch auch dort gab es nichts ungewöhnliches.
Mitten auf dem Tisch lag ein offenes Buch. Der Einband sah edel und alt aus und auch die Blätter hatten einen hellbraunen Ton. Ich konnte mich nicht erinnern jemals so ein Buch bei ihm gesehen zu haben.
Erneut hielt ich mich nicht zurück.
Irgendwann wird mich meine Neugier noch teuer zu stehen kommen, jedoch hielt mich nicht einmal dieser Gedanke davon ab, die Seiten des Buches genauer zu betrachten.
Der Inhalt war auf italienisch, also nicht wirklich interessant, doch dann las ich meinen Namen. Die Worte davor und danach konnte ich nicht entschlüsseln, sodass mir der Kontext der Zeile verwehrt blieb, jedoch konnte das Auftreten meines Namens das schlechte Gewissen in mir zügeln.
Es handelt sich doch nicht um Dantes Tagebuch oder? Der absurde Gedanke spuckte in meinem Kopf umher, während meine Augen immer noch versuchten die darauffolgenden Zeilen zu verstehen. So abwegig die Vorstellung auch war, dies würde erklären wieso mein Name dort stand. Ich legte einen Finger zwischen die Seiten und hob das Buchcover an.
Cronaca della famiglia Martinelli stand in goldener kursiv Schrift auf dem Titelblatt.Meine bedürftigen italienisch Kenntnisse reichten aus um zu verstehen, dass ich die Familienchronik der Martinellis in den Händen hielt.
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Ace of Hearts III
ChickLitBand III -Eine Welt voller Zweifel, falschen Tatsachen und leeren Versprechen- Die Ehe zwischen Anastasia und Dante wird mit jeden Tag fester, doch die Probleme der Außenwelt lassen sie nicht in Ruhe. Während die beiden sich auf die Geburt ihres ers...