Kapitel XVIX

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Anastasia

Ich stand in der Küche und half meiner Schwiegermutter dabei das Mittagessen zu kochen.
Na gut, was heißt half, ich saß auf dem Stuhl und sah ihr dabei zu.
"Geht es Letizia besser?"

Ich griff nach der Obstschale und nahm mir einige Weintrauben. Das Frühstück war schon einige Zeit her und so wie es aussah, würde das Mittagessen noch einige Zeit dauern.
"Ja sie ruht sich in ihrem Zimmer aus." Der gestrige Tag hatte mich eine menge Energie gekostet. Nicht nur die traurige Geschichte von Luca ließ mich nicht friedlich schlafen, sondern auch Letizias Traum beschäftigte mich. Nachdem Dante mir gesagt hatte, dass sie einen Raben gesehen hatte, spuckten meine Gedanken um den Tod herum. Die Tatsache, dass der schwarze Rabe als Bringer des Todes gesehen wird, machte mich nervös.
Es war nicht so, dass ich Symboliken und Mythen glauben schenkte, doch egal wie rational man dachte, man konnte sich nicht komplett vom Aberglauben befreien.
Es ist fast wie bei Astrologie, man glaubt nicht wirklich an die Vorhersagen seines Sternzeichens, dennoch will man sie wissen. Und sobald man sie erfährt, hält man sich unbewusst von den Dingen fern vor denen man gewarnt wurde.

Wir unterhielten uns noch etwas über die Großmutter, ehe ich das Thema zu einem weniger bedrückenden Gespräch lenkte. Valeria sah stark und gefasst aus, doch ich konnte zu jedem Augenblick den Schmerz in ihren Augen sehen.
"Welche Füllung wählst du für die Tortellini?" Alles was mir einfiel was über das Essen zu sprechen und mein Versuch Valeria aufzubauen war mehr als nur erbärmlich.
"Die, die mein Enkel möchte." Liebevoll lächelte sie mir zu und ich erwiderte die Geste.
Stimmt ja, gestern ließ Dante die Bombe über das Geschlecht unseres Kindes einfach so nebenbei fallen und hinderte jeden daran uns zu gratulieren oder irgendwie zu reagieren. Nun wusste seine Familie nicht, wie sie sich verhalten sollte. Schlau wie meine Schwiegermutter nun mal war, wählte sie den indirekten Weg und ich schätzte das sehr.
So konnte ich unser Gespräch auf meine Schwangerschaft und das Baby fokussieren und musste nicht die Unannehmlichkeit des vorherigen ertragen.

Gerade, als wir über mögliche Babynamen sprachen, sah ich, wie Marco an der Küche vorbei rannte. Es sah so aus, als wollte er ein Feuer löschen, so schnell war er unterwegs. Die Richtung, welche er einschlug, deutete auf den Kontrollraum hin.
Ob es wohl Neuigkeiten von Isabella gab?

Ich erzählte Valeria, dass ich telefonieren müsste und ging aus der Küche.
Mein schwangerer Zustand hinderte mich zwar noch nicht stark in meinen Bewegungen, dennoch wurde meine Geschwindigkeit durch ihn etwas gedrosselt. Marco war bereits nicht zu sehen, als ich den Flur erreicht hatte, sodass ich meinem Verdacht folgen musste.

Ich ging den Flur weiter entlang und versuchte mein Gehör zuspitzen.
Zunächst war es still, doch dann hörte ich die Stimme meines Mannes. Er sprach laut genug, sodass ich jedes einzelne Wort von meiner Position aus verstand.
Na gut, die offene Tür des Kontrollraums half dabei natürlich auch.
"Luca, die Organisation übergebe ich dir. Sorg dafür, dass wir spätestens Nachts in der Luft sind."
Moment mal, in der Luft? Sie wollten wieder wegfliegen?
Das hieß, dass sie eine neue Spur hatten.

Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder traurig sein sollte. Dante und die anderen waren gerade erst wieder von einer erfolglosen Mission gekommen und ich hatte meinen Bruder noch nie so gebrochen erlebt. Ich hatte angst davor, in welchem Zustand er diesmal zurück kommen würde, sollten sie Isabella erneut nicht finden.
Aber nicht nur Ivans Psyche machte mir Sorgen. Jeder einzelne wurde von den ständigen Niederlagen emotional beeinflusst.
Dante tat zwar so, als hätte er alles unter Kontrolle, aber ich war nicht so leicht zu täuschen.
Die anderen waren nicht besser. Marcos Lächeln war mit Isabella verschwunden. Er scherzte nicht mehr und die albernen Seiten seines Charakters überdeckte eine finstere Wolke. Riccardo verschanzte sich in seinem Kontrollraum und ich machte mir ernsthaft Sorgen um seinen Vitamin D Stand. Dieser Junge hatte seit Monaten keine Sonne mehr gesehen. Leonardo war dauernd gereizt. Früher hielt er sich oft zurück und zeigte uns nur seine naive und spielerische Seite, doch jetzt sah ich ihn immer öfter wütend und zerrissen.
Und dann war da noch Luca.
Die enge Beziehung, welche wir seit dem ersten Tag meiner Ankunft aufgebaut haben, wich mit jeder Minute. Er zog sich immer mehr in sich zurück und sprach kaum noch mit jemandem.
Das Gespräch, welches wir gestern auf der Dachterrasse hatten, war das erste in Wochen gewesen.

Isabellas Abwesenheit hatte einen enormen Einfluss auf ihre Familie, an ihre Eltern will ich erst gar nicht denken. Valeria lief seit Monaten mit roten Augen durch das Haus und musste es im Endeffekt sogar verlassen, da ihr die Decke auf den Kopf fiel.
Sergio war nur noch sein eigener Schatten. Der starke und weise Mann, welchen ich kennenlernt hatte, war gegangen und an seinem Platz tauchte ein verwirrter und gealterter Mann auf, welcher wie aufgescheucht von einem Ort zum anderen wanderte, da er seinen eigenen Platz verloren hatte.
Und Chiara, nun ja, sie hielt die Nachricht nicht einmal aus. Sie flüchtete in ein anderes Haus, um nicht eine Sekunde daran denken zu müssen, dass ihre geliebte Schwester vermisst wird.

Diese Familie war erschüttert und ich hatte Angst, dass ein weitere Treffe sie zerreißen würde.
"Ihr habt zwei Stunden." Die Besprechung des Plans war vorüber und
Dante entließ sie zum packen.
Sie stürmten in den Flur, auf ihren Gesichtern ein selbstsicherer Ausdruck und sie kamen genau auf mich zu.
Leonardo und Marco hatten den Arm übereinander gelegt und alberten herum. Ihre Laune vor dieser Nachricht und die danach unterschied sich wie Tag und Nacht. Sie nickten mir beide zu und gingen freudig an mir vorbei.
Auch Luca und Lorenzo sahen viel entspannter aus.
"Dante ist noch drinnen." Luca zeigte mit dem Kopf auf die Tür, aus der sie eben noch gekommen waren und schritt ebenfalls davon.
Ich atmete einmal tief ein und trat durch die Tür.

Mein Mann stand am anderen Ende des Raum, zusammen mit Vlad. Sie sahen mich nicht kommen, wieso sie ihre Unterhaltung weiter führten.
"Mmh." Mit einem Räuspern wollte ich auf meine Anwesenheit aufmerksam machen, jedoch klappte das nicht so ganz. Die beiden waren viel zu vertieft in ihre Planung, als das sie mich hören könnten.
Ich wiederholte mein Räuspern, diesmal jedoch lauter.
Sofort lagen zwei Augenpaar auf mir. Ich fühlte mich, als hätte ich sie bei etwas erwischt, denn die drei sahen mich an wie Rehe im Scheinwerferlicht.
"Amore, ich muss.." Dante braucht diesen Satz nicht zu beenden, denn ich wusste bereits, was er sagen wollte. Ich hob meine Hand leicht an, um ihm zu signalisieren, dass es in Ordnung war und ich es bereits wusste.
"Wann fliegt ihr?"
Ich durchquerte den Raum und stellte mich an seine Seite. Liebevoll drückte Dante mir einen Kuss auf die Stirn. "In ein paar Stunden, sobald alles organisiert ist."
Ich nickte und legte meinen Kopf gegen seine Brust. Ich brauchte nur ein paar Sekunden, nur einen Augenblick ehe ich ihn konnte gehen lassen.
Sein herber Duft umkreiste meine Nase und eine Note von Sandelholz kitzelte meine Geruchsnerven. Ich hob meinen Blick und musterte ihn aufmerksam.
"Warst du duschen?" Ich hatte seine nassen Haare bis eben gar nicht wahrgenommen.
Dann sah ich zu Vlad, welcher auch nasse Haare hatte.
"Wart ihr beide duschen?"
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und fokussierte sie mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen.
"Was auch immer du dir in deinem dreckigen Hirn zusammen fantasiert hast, so ist es nicht. Wir waren einzeln duschen."
Mein bester Freund kannte mich viel zu gut. Er hatte meine Anspielung sofort verstanden und brachte mich damit zum Lachen. Dantes Griff um mich wurde fester und er beugte sich leicht nach vorne, um in mein Ohr zu flüstern.
"Ich werde deine dreckigen Gedanken in Realität verwandeln, sobald ich wieder da bin. Mach dich schon mal bereit."
Mit einer solchen Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Ich musste fest schlucken und brachte etwas Abstand zwischen mich und meinen Mann.

Genau ihn dem Moment kam mein Bruder in den Raum.
"Es ist alles erledigt." Er wollte noch etwas sagen, doch als er mich neben Dante erblickte, hielt er inne.
Mein Mann nickte Ivan zu und dieser erwiderte die Geste.
Ich musterte Ivan etwas genau und mir fielen nun auch seine nassen Haare auf.
Ich unterdrückte ein Lachen, jedoch huschte ein kleines Lächeln dennoch über meine Lippen.
Ehe ich etwas anmerken konnte, mischte sich Vlad ein und hielt mich davon ab, meinen Witz in einer dritten Runde zu nutzen.

"Boss, wir sollten los." Vlad legte mir kurz die Hand auf die Schulter und machte sich dann auf den Weg nach draußen. Dante drückte mir einen knappen Kuss auf die Lippen und folgte ihm, sodass ich nun alleine mit Ivan war.
Mein Bruder ließ sich auf eines der Sofas nicht weit von mor entfernt fallen und ich tat es ihm nach.
Kurz überlegte ich, ob ich ihn wegen seinem Verhalten vorhin ansprechen sollte. Meine Neugier wollte unbedingt wissen, wieso meine Anwesenheit ihn zum Schweigen gebracht hatte, jedoch unterliegen ich das Verhör.
Die angenehme Stille zwischen uns war viel zu friedlich, sodass ich sie nicht mit unnötigen Fragen zerstören wollte.
Nach ungefähr zehn Minuten brach Ivan jedoch unser Schweigen und zauberte mir damit ein Lächeln auf die Lippen.

"Ich bekomme also einen Neffen."

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