Dante
Seit einigen Stunden saß ich jetzt in dem Sessel neben unserem Bett und wachte über sie.
Mein Blick lag wachsam auf ihr, während ich den Whisky in meinem Glas leicht hin und her schwenkte.
Die braune Flüssigkeit war das einzige, was mich nach dem heutigem Tag davon abhalten konnte meinen Verstand zu verlieren.Es war noch früh in den Morgenstunden, sodass nur ein weicher Lichtstrahl ins Zimmer fiel. Das helle Mondlicht traf auf ihr Gesicht und zeichnete ihre Züge nach.
Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine kleine Falte gebildet, die durch permanentes Anspannen der Muskelregion entstand. Ich wusste nicht, ob sie schlecht träumte, oder aber ob sich die Folgen des Tages an ihrem Gesicht abzeichneten, was es auch war, es gab ihr keine Ruhe.Ich wollte mich gerade vorbeugen, um die Falte mit meinem Finger zu glätten, als sie anfing sich zu regen.
Zunächst drehte sie ihren Kopf nach links, eher sie es in der selben Art und Weise zur rechten Seite tat.
Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf ihrer Stirn und ich griff sofort nach einem Handtuch, um ihn abzutupfen.
Danach prüfte ich ihre Temperatur, indem ich meine Lippen an ihre Stirn führte.
Auch wenn ich kein Fieber feststellen konnte, entschied ich mich dazu sie abzukühlen.
Ich ging ins Badezimmer, um das Handtuch in kaltem Wasser zu tränken und legte es anschließen vorsichtig auf ihre Stirn.Gerade, als ich meine Hand wegnehmen wollte, griff sie fest danach. Verwundert sah ich zu ihr, doch Anastasias Augen waren immer noch geschlossen.
Ihre Augenbrauen hingegen hatten sich noch stärker zusammen gezogen und auch ihr Körper spannte sich an.
Ihre Augenlider waren fest zusammen gedrückt, als wollte sie sich daran hindern etwas zu sehen.
Ich setzte mich an den Rand des Bettes und hielt ihre Hand.
"Брат?" (Bruder?)
Anastasia fing an etwas auf russisch zu murmeln, jedoch verstand ich kein Wort.
Ich beugte mich leicht nach vorne und näherte mich ihren Lippen.
"Помоги. Брат я не могу дышать."
(Bruder, ich kann nicht atmen, hilf mir)Diesmal konnte ich erkennen, dass sie in ihrer Muttersprache sprach, was mir jedoch nicht weiter half.
Meine russisch Kenntnisse waren noch schlechter als ihre italienisch Kenntnisse.
Ich strich ihr mit der freien Hand zärtlich durchs Haar, bevor ich sie auf ihren Bauch legte. In dieser Position verweilte ich eine Weile, während sich meine Gedanken wieder in meinen Sorgen verirrten.Unsere Rückkehr zurück nach Italien verlief wie in Trance.
Ich agierte rein maschinell und ließ mich von meinen Instinkten leiten, da mein Kopf nicht in der Lage war vernünftig zu funktionieren.
Es war nicht die Zeit zu trauern, also erlaubte ich mir keinen Gedanken darüber, doch jetzt strömten alle Erinnerungen auf mich ein.
In mir braute sich ein Sturm an Gefühlen zusammen und ich hatte Mühe daran diese zu unterdrücken. Ich würde Lügen, würde ich behaupten, dass die Schuldgefühle mir nicht die Luft abschnürten. Jeder Atemzug seit dem Vorfall raubte mir eine enorme Menge an Kraft.
Also tat ich das einzige, was mich am Leben halten würde, ich verdrängte alles in die hinterste Ecke meines Verstandes.Nachdem ich die Überführung von Isabella und Ivan nach Italien organisiert hatte, sprangen meine Gedanken immer wieder zu dem Moment, an dem ich meiner Familie entgegen stehen würde.
Mein Verstand malte unzählige Szenarien aus, in denen ich meiner Frau die Nachricht überbringe.
Ich versuchte alle möglichen Varianten gedanklich durchzuspielen, doch es kam immer zum gleichen Ende, egal was ich versuchte.Es hatte mir den Boden unter den Füßen weggerissen, als wir nach Hause kamen und ich erfuhr, dass meine Frau das Bewusstsein verloren hatte. Ich wusste, dass Anastasia am Mikro war, als wir Isabella fanden, dennoch hatte ich gehofft, dass Riccardo sie von dem Funk abgeschirmen konnte, nachdem er begriff, was vor sich ging. Zu wissen, dass sie bereits vor meiner Ankunft von Ivans Tod erfuhr, machte meine Aufgabe nicht einfache.
Ganz im Gegenteil, es beunruhigt mich noch mehr.
Die Situation entzog sich damit auch noch meiner letzten Kontrolle.
Alles was ich jetzt noch tun konnte, war mich auf ihre Reaktion vorzubereiten und zu hoffen, dass sie sich in ihrer Trauer nicht verlor.
Mein Blick fiel wieder auf den Zugang in ihrem Arm, ehe er zu ihrem Bauch wanderte.
Nicht nur ihre Gesundheit stand auf dem Spiel, sondern auch die unseres Sohnes.
Ich musste dafür sorgen, dass die beiden in Sicherheit waren und ihnen keine Gefahr drohte.Meine Frau würde mich in der kommenden Zeit brauchen und ich würde für da sein.
Anastasia
Um mich herum befand sich ein Meer aus Bäumen. Sie alle waren mehrere Meter hoch, doch ihre Kronen waren alle kahl.
Mein Blick richtete sich zum Himmel und ich sah eine beängstige Mischung aus grauer und blass blauer Farbe. Im Kontrast zu den himmlischen Pigmenten stand ein tiefschwarzer Fleck, welcher kreisend über meinem Kopf schwebte.
Die breite Spannweite seiner Flügel warf einen Schatten über mich und ich verspürte ein Gewicht auf mir, welches nicht da war.
Ein lauter Ruf hallte durch den Wald und der Klang brachte mein Blut zum gefrieren.
Ein Rabe!Eine kalte Brise wehte an mir vorbei und ich verspürte eine Gänsehaut, die meinen Nacken herunter krabbelte.
Der Windstoß wurde stärker und warf mich nach links.
Ich verlor beinahe das Gleichgewicht, schaffte es aber noch im letzten Moment mich wegzudrehen.
Die Böe änderte die Richtung und kehrte mit einer noch stärkeren Kraft zurück.
Diesmal wurde ich von ihr hinweg getragen und musste mich ihrem Willen beugen.
Ich stolperte nach Westen, ohne eine Vorstellung davon, wohin sie mich führen würde.
Der Boden schwankte gleicht und gab bei jedem meiner Schritte ein wenig nach, fast als wäre er gepolstert.Ich passierte unzählige Bäume und nach einiger Zeit hatte ich die Orientierung endgültig verloren. Meine Umgebung hatte sich kein Stück verändert, alles sah genau gleich aus, zumindest kam es mir so vor.
Meine Beine trugen mich weiter voran, immer noch begleitet von den permanenten Windstößen.
Sie wurden irgendwann so stark, dass ich auf meine Knie fiel. Mit den Fingern konnte ich den Boden fühlen.
Er bestand zum größten Teil aus Nadeln, welche die Tannen abgeworfen hatten. Der herbe Duft des Waldes stieß mir in die Nase und mischte sich mit dem leicht stehendem Geruch vom Kieferharz, der von Boden hervorstieß.Mühevoll stand ich auf und rannte wieder los.
Diesmal schneller und viel geschickter, auch, wenn ich immer noch keine Ahnung hatte, wohin genau ich lief.
Am Waldrand kam ich zum stehen. Erst dort erkannte ich, dass ich mich auf einem Berg befand.
Bis zum Gipfel waren es noch zahlreiche Meter, dennoch befand ich mich auf einer berechtigten Höhe.
Ich wollte gerade näher an den Abhang treten, als ich eine Gestalt wahrnahm.Sie stand am anderen Ende des Pfades, den Blick zum Horizont gerichtet. Ich konnte nur den Rücken erkennen, aber es war zweifelsfrei eine männliche Person.
Die Seiten des Berghanges waren verziert mit gelben Narzissen, die in zweier Gruppen gepaart wuchsen. Sie formierten einen Weg, der direkt zu der Gestalt führte.
Die Silhouette kam mir bekannt vor, doch ich verstand nicht woher. Als würde ich ein vertrautes Bild durch eine Brille mit verschmierten Gläsern betrachten.
Ich ging näher heran und mit jedem Schritt, welchen ich hinter mir ließ, säuberte sich mein Blick.
Zehn Schritte von ihm entfernt blieb ich stehen.
Das Puzzle hatte sich zusammen gefügt."Брат!" (Bruder)
Meine Knie wurden weich und ich fiel zu Boden.
Der Klang meiner Stimme veranlaste Ivan dazu sich umzudrehen.
Ich konnte meinen Augen nicht glauben.
Er stand da, direkt vor mir.
Meine achtsaner Blick wanderte über seinen Körper, auf der Suche nach Verletzungen, doch da waren keine.
Er wies keinerlei Wunden auf.
Er trug einen schwarzen Anzug, kombiniert mit einem schwarzen Hemd und einer schwarzen Krawatte.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht blickte er mir entgegen.
Seine blauen Augen, strahlend wie das Meer, leuchteten mich an und ich konnte die Tränen nicht zurück halten.
Ich wollte ihm so viel sagen, so viel erzählen, doch es kam kein Wort über meine Lippen.
Es war, als würde sich ein Knoten in meinem Hals bilden, welcher mich daran hinderte zu sprechen. Sein Anblick lähmte meine Stimmbänder und ließ mich wortlos zurück.Ivan stand einfach da und sah mich an.
Die Stille drückte auf meine Brust und ich rang nach Atem.
Wieso sagte er denn nichts?Sein liebevoller Gesichtsausdruck verstärkte, mit jeder Sekunde die ich ihn ansah, den Druck auf meiner Kehle und ich umfasste meinen Hals mit beiden Händen. Es war, als würde mich eine unsichtbar Schnur würgen.
Panik und Angst erfassten mich.
Ich wollte schreien, ihn um Hilfe bitten, doch ich konnte nicht.Mein Körper gab nach und ich fiel zu Boden.
Erneut sah ich zum Himmel.
Graue Wolken auf einem blass blauem Hintergrund.
Trostlos, quälend, trist, düster, monoton, aschfahl, dunkel, bitter, hoffnungslos, freudlos, hoffnungslos.
Ende!Schwarze Schimmer flackerten vor meinen Augen auf und meine Augenlider fielen zu.
Wieso stand er einfach da?
Wieso sagte er nichts?
Wieso half er mir nicht?Schweiß gebadet wachte ich auf.
Panisch sah ich mich suchend um.
Wo war Ivan?Wieso hatte er mich nicht gerettet?
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Ace of Hearts III
ChickLitBand III -Eine Welt voller Zweifel, falschen Tatsachen und leeren Versprechen- Die Ehe zwischen Anastasia und Dante wird mit jeden Tag fester, doch die Probleme der Außenwelt lassen sie nicht in Ruhe. Während die beiden sich auf die Geburt ihres ers...