Ich höre bereits die ersten Gäste, doch ich befinde mich noch immer in meinem Zimmer.
Eingesperrt und nachdenklich, wie sonst auch.
Jedenfalls seit ich Nathaniel wieder über den Weg gelaufen bin.
Ich will nicht darüber nachdenken und doch tue ich es unbewusst.
Seine Worte haben Gewicht und das stört mich am meisten.
Laut atme ich aus und betrachte das weiße Kleid auf meinem Bett.
Meine Entscheidung stand bereits fest, als meine Mutter mir befohlen hat, dieses Kleid zu tragen.
Dementsprechend gehe ich auf meinen begehbaren Kleiderschrank zu und greife nach dem grünen Cocktailkleid, welches die perfekte Sicht auf meinen Rücken bietet.
Meine Haare habe ich bereits hochgesteckt und freue mich schon auf den Blick meiner Mutter, wenn sie sieht, dass ich das genaue Gegenteil von dem gemacht habe, was sie mir befohlen hat.
Mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen lasse ich das Handtuch um meinen Körper zu Boden fallen und schlüpfe in das Kleid.
Es hat ungefähr dieselbe Farbe wie meine Augen, weshalb ich es früher immer gerne tragen wollte.
Doch abgesehen davon, dass ich nie wirklich die Chance dazu hatte, bin ich nicht wirklich der Typ von einer Frau, welcher gerne Kleider trägt.
Ich bin eher der Typ einer Frau, welcher sich ganz unbemerkt an jemanden heranschleichen kann, um diese Person umzubringen.
Weiterhin nachdenklich, schließe ich das Kleid und nehme mir das passende Paar Highheels aus dem Schrank.
Dann nehme ich mir noch mein Handy, hebe mein Kleid an und Klemme es unter das Strumpfband an meinem rechten Oberschenkel, da die linke Seite des Kleides immerhin recht offen ist.
Erst dann verlasse ich mein Zimmer und mische mich unter die Leute.
Alle starren mich an, da wirklich jede einzelne Person vollständig in Weiß gekleidet ist, doch auch das ignoriere ich ohne Probleme.
Wenn man die einzige Frau in solch einer gefährlichen Familie ist, lernt man viele Dinge.
Vor allem, die Blicke der ganzen Menschen zu ignorieren.
Anstatt mich um diese Leute zu scheren, steuere ich auf direktem Wege die Küche an, in welcher normalerweise nicht viele Leute sein sollten, doch als ich meinen Namen höre, bleibe ich so im Wohnzimmer stehen, dass ich nicht gesehen werde.
"Halt die Klappe, Ramon!", zischt mein anderer Cousin Joshua seinen Bruder an.
"Was denn? Ist ja nicht so, als wäre es nicht längst bekannt. Die einzigen, die davon keinen blassen Schimmer haben, sind seine Söhne und Amara selbst. Emilio sollte sich beeilen, sie zu verheiraten, wenn er seinen Platz an der Spitze nicht an sie weitergeben will", lacht Ramon ziemlich unbekümmert.
Ist mein Vater deshalb so scharf darauf, mich an irgendeinen daher gelaufenen Kerl zu verheiraten?
Weil er sonst dazu verpflichtet ist, mich an die Spitze zu setzen?
Das ergibt absolut keinen Sinn.
Es gab noch nie eine Frau an der Spitze der Salvatore.
Nicht, dass es zuvor jemals eine Frau in dieser Familie gegeben hat, die dazu in der Lage gewesen wäre, diesen Platz zu beanspruchen.
Plötzlich spüre ich eine Hand an meiner Hüfte und schon will ich die Person überwältigen, doch als ich sehe, dass es Avion ist, legt er mir eilig den Zeigefinger auf die Lippen.
Er schüttelt den Kopf und sieht mir direkt in die Augen, während seine jüngeren Brüder weiter darüber reden, wie verzwickt die Lage meines Vaters eigentlich ist.
Und da Avion nicht versucht, mich von hier wegzubringen, gehe ich davon aus, dass es ihn nicht interessiert, ob ich davon weiß oder nicht.
"Warte einfach ab. Emilio wird schon dafür sorgen, dass Amara klein beigibt. Er hat Vater erzählt, dass er Amara heute zur Show stellen wird. Dabei wird es bestimmt einige Männer geben, die sowohl Interesse an ihr zeigen, als auch so niedrig in der Rangliste stehen, dass Onkel sie kontrollieren kann", lacht Ramon auf, ehe ich aus dem Augenwinkel sehe, wie Rico zu uns stößt.
Trotzdem löse ich meinen Blick nicht von meinem Cousin.
Ich starre ihm förmlich in die Augen, während seine rechte Hand noch immer auf meiner Hüfte liegt und sein Finger mir immer noch zu verstehen gibt, dass ich nicht auch nur einen Ton von mir geben darf.
Rico bekommt nur die Hälfte der Situation mit und schon eilt er zur Hilfe.
"Ramon!", ruft er, als er die Küche betritt.
Ich höre, wie die drei sich begrüßen und schon ist das Thema bereits Geschichte.
Trotzdem bin ich nicht dazu in der Lage, die ganze Sache einfach so zu akzeptieren.
Ich brauche Antworten und bezweifle, dass Avion sie mir geben wird.
Er ist loyal.
Auch, wenn er mich das alles hat hören lassen, wird er niemals auch nur daran denken, ein einziges Wort darüber zu verlieren.
Zu meinem Glück kenne ich eine Person, die mir mehr als nur genug darüber erzählen kann.
Langsam entfernt Avion seinen Finger von meinen Lippen und schüttelt mahnend den Kopf, doch seine Warnung nervt mich so sehr, dass ich ihn einfach von mir stoße und in die Küche platze.
Ich ignoriere die drei anwesenden Männer und konzentriere mich nur darauf, meinen geliebten Wodka zu besorgen.
Als ich ein komplett gefülltes Glas in meinen Händen halte, verlasse ich die Küche wieder und widme Avion einen finsteren Blick.
Ich spüre seinen Blick auf meinem Rücken und kann nur hoffen, dass er sich für all das hasst, was er mir in den vergangenen Jahren alles angetan hat.
Und das alles hat er für einen Mann getan, der seine eigene Tochter für seinen eigenen Vorteil an fremde Männer abgeben will.
Scheiß auf diese gottverdammte Familie!
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Passionate Vengeance
ЧиклитAmara ist der einzige weibliche Nachwuchs einer sehr bedrohlichen und gefürchteten Mafiafamilie. Ständig wird sie von ihrem Vater unter Druck gesetzt und zu Dingen gezwungen, die sie niemals tun würde. Als ihr Vater dann jedoch etwas Unglaubliches i...