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"Wo willst du mich?", fragt Nathaniel mich, als ich gerade umgezogen zurück ins Zimmer komme.

Ich habe mich gerade im Badezimmer gewaschen und mich dort direkt umgezogen, um mir einiges mit Nathaniel zu ersparen.

"Am liebsten würde ich sagen, dass du verschwinden sollst, aber ich habe einen Deal gemacht und den werde ich der Mädchen zuliebe auch halten. Also ist es mir egal, wo auch immer du schläfst", sage ich und werfe meine Sachen auf den Sessel, welcher vor einem leeren Schreibtisch steht.

Dieses Anwesen ist noch viel majestätischer, als das, in welchem Nathaniel ursprünglich lebt.

Es ist größer, viel altmodischer und trotzdem so unglaublich modern.

Die Einrichtung besteht von Anfang bis Ende aus modernen Möbeln, während der Grundriss und all das Zeug einfach an ein Schloss erinnert.

Ich ziehe die Decke auf meiner Seite des Bettes zurück und lege mich hinein, ehe ich mich dann damit zudecke und einfach an die Decke starre.

Nathaniel zögert, doch dann legt er sich neben mich.

Da das Bett groß genug für mindestens drei Leute ist, spüre ich ihn nicht einmal neben mir, doch er ist so nah, dass ich seinen so perfekten Geruch nicht ignorieren kann.

Er schaltet das Licht der Lampe neben sich aus und legt dann seinen Arm unter seinen Kopf, ehe ich mich auf die Seite drehe, sodass ich mit dem Rücken zu ihm liege.

Wenn man sein gesamtes Leben lang immer wieder schlecht behandelt und verraten wird, erwartet man das irgendwann von jeder Person aus seinem Umfeld.

Das wiederum führt dazu, dass man irgendwann niemandem mehr vertraut.

Doch bei Nathaniel war es anders.

Ich habe es bei ihm nicht erwartet und tatsächlich angefangen ihm zu vertrauen.

Ich habe mich unglaublich wohl bei ihm und seiner Familie gefühlt und dann hat er es mit dieser Sache völlig ruiniert.

Gezwungen schließe ich meine Augen und versuche mich zu entspannen, doch inzwischen kann ich ihn durch die vollkommene Stille hinter mir atmen hören.

Genau aus diesem Grund kann ich mich einfach nicht entspannen.

"Wieso wollte Léon, dass du bei mir schläfst?", frage ich ihn schließlich, da mich diese lästige frage einfach nicht loslassen will.

"Ich habe keine Ahnung", sagt er so, als würde er seinen Freund überhaupt nicht kennen und nicht verstehen, was er sich dabei gedacht hat.

"Und trotzdem hast du eine Vermutung", stelle ich fest, ohne das wirklich genau zu wissen.

"Mag sein."
Genervt verdrehe ich in der Dunkelheit meine Augen, ehe ich sie wieder schließe und meine Hand unter mein Kopfkissen lege.

"Hast du Léon wirklich mit der zweiten Haut helfen lassen?", fragt er nach einer Weile voller Stille beinahe flüsternd.

Ich behalte die Augen geschlossen und will ihn einfach ignorieren, um ihm zu zeigen, wie sehr mir seine Eifersucht am Arsch vorbeigeht, doch dann spüre ich, wie er sich hinter mir bewegt.

Mit einem Mal spüre ich, wie seine Finger sich an meinen Hüften ihren Platz suchen, ehe er mich ganz einfach zu sich zurückzieht.

Diese Situation erinnert mich an die Nacht, in welcher er mir erzählt hat, dass sie einen Freund verloren hatten.

Er legt seinen linken Arm um meinen Körper und platziert seine Hand direkt an meinem Bauch, ehe er sich erneut bewegt.

Ich vermute mal, dass er seinen Arm unter seinen Kopf gelegt hat, da ich ihn nirgendwo in meiner Nähe spüren kann.

"Antworte auf meine Frage, Amara", sagt er mit seiner rauen Stimme.

Als ich gerade wütend auf seinen Befehl reagieren will, überrascht er mich sofort wieder.

"Bitte."
Es hört sich so verzweifelt an, sodass ich tatsächlich nicht anders kann, als mich zu ihm umzudrehen.

Er hebt seinen Arm etwas an und lässt es zu, bis ich zu ihm gedreht bin und ihn in der schlichten Dunkelheit betrachte.

Das wenige Licht des kommenden morgens scheint bereits durch die Fenster, doch es ist so spärlich, dass es nicht genug ist.

"Wieso interessiert es dich so sehr?", frage ich, doch meine Stimme wirkt, als sei sie bloß ein mageres Flüstern.

Plötzlich hebt er den Arm, welchen er um meinen Körper gelegt hat und streicht mir sanft eine dunkle Strähne hinter das Ohr.

"Ich habe das Gefühl, als wäre ich bisher der einzige gewesen, dem du deine Narben gezeigt hast. Wenn man die Stripperin und den Tätowierer natürlich nicht mit zählt."
Total überrascht betrachte ich ihn, während er damit beschäftigt ist, mein gesamtes Haar nach hinten auf meinen Rücken zu verfrachten.

Es überrascht mich immer wieder, wie stark ihm solche winzigen Details eigentlich auffallen, doch irgendwie schenke ich ihnen auch nicht genügend Beachtung.

Wenn es nicht um meinen Job geht, neige ich manchmal dazu, einfach alles um mich herum so zu nehmen, wie es ist.

Manchmal gibt es Ausnahmen.

Und manchmal eben nicht.

"Ich habe Claudia gefragt", sage ich dann unglaublich leise, weshalb sich sein Gesicht sofort zu einer verwirrten Miene verzieht.

Genervt verdrehe ich die Augen.

Kann sich denn kein Mann die Namen seiner Angestellten merken?

"Die Frau, welche sich ursprünglich um Polly kümmert", erkläre ich ihm und schon scheint er wieder zu wissen, von wem ich spreche.

"Verstehe", sagt er unglaublich leise, ehe er seine linke Hand an meine Hüfte legt und versucht mich noch etwas näher zu sich zu ziehen.

Doch ich halte ihn davon ab, indem ich dagegen stemme.

"Deine Vermutung, Nathaniel", verlange ich und sehe ihn sofort abwartend an.

Er atmet etwas tiefer ein und sieht mir erst dann direkt in die Augen.

"Ich neige dazu, viel nachzudenken. Vermutlich zu viel. Wahrscheinlich hat Léon es für keine gute Idee gehalten, mich heute Nacht alleine zu lassen. Vor allem nicht, nachdem er von dir und dem Kerl erfahren hat."

"Sein Name ist Ricardo. Rico für Freunde und Bekannte", erkläre ich ihm, obwohl mir bewusst ist, dass es vollkommene Absicht von ihm war, Rico nicht bei seinem Namen zu nennen.

"Mir egal. Ich kann ihn nicht leiden", murrt er, ehe er seine Finger fester in meine Haut gräbt und mich schließlich wirklich näher an sich heranzieht.

Er dreht sich auf den Rücken und wartet darauf, dass ich genau das tue, was er stumm von mir verlangt.

Also rücke ich näher an ihn heran, lege meinen Kopf auf seine Brust und mein linkes Bein über seine.

"Das hast du alles nicht verdient, Nathaniel", sage ich, mache aber trotzdem keine Anstalten, mich von ihm zu entfernen.

"Ich weiß, meine Kleine", flüstert er förmlich in mein Haar, ehe er mir einen Kuss auf den Scheitel setzt und beginnt mit den Fingerspitzen über meine Schulter zu streichen.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt