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POV Nathaniel

Ganz entspannt liegt sie da auf dieser schwarzen von Leder bedeckten liege und hat die Augen unbekümmert geschlossen.

Zunächst hatte sie Zweifel und hat dem Mann, welcher sich mit uns in diesem Raum befindet, keinerlei Vertrauen geschenkt.

Doch genau aus diesem Grund stehe ich genau hier, habe die Arme vor der Brust verschränkt und beobachte den Typen dabei, wie er die besagte Vorlage mit einer schwarzen Tinte direkt unter ihre perfekte Haut sticht.

Auch, wenn Amara es niemals zugeben würde, verspricht ihr meine Anwesenheit, auf eine seltsame Art und Weise, eine gewisse Sicherheit.

Sie ist sogar zu stolz, um sich einzugestehen, dass der Kuss gestern Abend einfach der reine Wahnsinn war.

Seither konnte ich nicht mehr aufhören, an ihre Lippen oder an ihre perfekte Haut zu denken, welche von meinen Lippen nur so bedeckt wurde.

"Ist sie immer so?", höre ich den Typen leise fragen, da er nach der ersten Begegnung mit Amara vorhin, wahrscheinlich nicht riskieren will, dass sie ihn tatsächlich hört.

In den letzten Tagen scheine ich ziemlich vergessen zu haben, wie Streitlustig die kleine eigentlich sein kann.

Er hatte bloß eine dumme Bemerkung gemacht, mit welcher er wahrscheinlich bloß einen Witz reißen und eine lockere Stimmung aufbauen wollte und schon ist Amara ihm fast an die Kehle gesprungen.

"Wie?", frage ich ihn einsilbig und mit einem scharfen Ton in der Stimme, welcher ihn warnen soll, bloß nichts Falsches über meine Kleine zu sagen.

"So unbekümmert", antwortet er jedoch total nachdenklich, als er mit dem Tuch die oberflächliche Tinte von ihrer Haut wischt und dann die Nadel wieder ansetzt.

"Es gibt einige Leute, mit einer hohen Schmerzgrenze, aber die meisten Menschen flippen total aus, wenn sie sich am Rücken ein Tattoo stechen lassen."
Ich Blicke von dem Blonden Typen direkt wieder zu Amara, welche unbekümmert vor sich hin schlummert und unserem Gespräch nicht einmal lauschen zu wollen scheint.

Wenn man bedenkt, was sie schon alles über sich ergehen lassen musste, kann ich manchmal nur darüber staunen, wie stark sie noch immer ist.

Vielleicht haben diese ganzen Vorfälle sie auch bloß noch stärker gemacht, doch jedes Mal, wenn ich darüber nachdenken muss, überkommt mich diese unerklärliche Wut.

Seit ich sie das erste Mal verletzt gesehen habe, habe ich mir geschworen, denjenigen qualvoll umzubringen, der ihr so etwas angetan hat.

Als ich dann nach unserer Begegnung im Club erfahren musste, dass es schon immer ihr eigener Cousin war, wusste ich, dass ich es auch durchziehen würde.

"Sie ist nicht, wie die meisten Menschen", sage ich nachdenklich, während ich mir weiter die vielen Narben an ihrem Körper ansehe.

Briana ist wahrscheinlich die einzige, die verstehen kann, welchen Wert Amara eigentlich für mich hat.

Immerhin war mein Bruder auch so eine Person für sie selbst.

Ich bin fasziniert von ihr, respektiere ihr Können und ihre unermessliche Stärke und schätze sie wert.

Ohne nachzudenken, würde ich ihr die Welt zu Füßen legen und alles dafür tun, dass es ihr an nichts fehlt.

Amara ist nicht bloß eine Killerin, die ihre Aufträge so verdammt präzise ausführt, dass man die Morde nicht zu ihr zurückverfolgen kann.

Amara ist eine unbeschreiblich starke Frau mit einem großen Herzen.

Sie geht nach jedem aufgetragenen Mord in die Kirche und das alleine, zeigt von großer stärke.

Wenn sie konzentriert und gleichzeitig total überfordert ist, zieht sie diese niedlichen Grimassen, indem sie ihre Brauen zusammen zieht und die Lippen zu einer geraden Linie presst.

Oder wenn sie denkt, dass niemand auf sie achtet, hat sie manchmal dieses winzige funkeln in den Augen, während sie sich staunend ganz kleine dinge ansieht, die jeder andere Mensch für total belanglos halten würde.

Außerdem hat sie diese unbeschreiblich göttliche Angewohnheit, beim Schlafen zu lächeln, als würde sie in ihren Träumen das perfekte Leben führen, welches ihr in der Realität verwehrt wurde.

Mein Wunsch, Amara von all dem Leid, welches ihre Familie ihr zugefügt hat, fernhalten zu wollen, mag vielleicht nicht ganz selbstlos sein, doch niemals würde ich auch nur im Traum daran denken, sie für irgendetwas zu benutzen, als wäre sie eine beschissene Marionette.

Sie ist so viel mehr und sollte wie eine gottverdammte Göttin behandelt werden.

Ich würde sie ohne Zurückhaltung auf Händen tragen und doch habe ich gerade ein unglaublich großes Bedürfnis, sie dafür zu bestrafen, dass sie nicht einfach früher zu mir gekommen ist.

Natürlich liegt es an ihrem Stolz und daran, dass sie eine eigenständige Frau ist.

Trotzdem hätte ich ihr helfen können.

Erneut betrachte ich ihre Narben.

Welcher Vater ist so grausam und lässt zu, seine einzige Tochter so zu verletzen?

Und wieder überkommt mich diese unbeschreibliche Wut auf ihre Familie.

Es wird so schlimm, dass ich beginne meine Kiefer aufeinander zu mahlen, nur damit ich nicht gleich vollständig die Kontrolle über meine Emotionen verliere.

Doch genau das scheint zu passieren, als ich mein Handy aus der Innentasche meines schwarzen Jacketts ziehe und beginne, über das Display zu tippen.

Ich wähle eine ganz bestimmte Nummer, halte mir das Handy an mein Ohr und drehe mich nur ein winziges Stück zur Seite, ehe ich darauf warte, dass er den Anruf abnimmt.

"Was gibts?", fragt Léon am anderen Ende, kurz bevor ein lauter Schuss ertönt und ich genervt die Augen schließe, während ich das Handy etwas von meinem Ohr entferne.

Kurz halte ich inne, warte darauf, dass mein Trommelfell aufhört dieses unerträgliche piepsen von sich zu geben und höre dann, wie er am anderen Ende nach mir ruft.

"Ich bin noch dran. Es wäre unglaublich nett von dir, wenn du meinen Anruf das nächste Mal erst entgegennimmst, wenn du mit deinen Spielchen fertig bist."
Er lacht am anderen Ende auf.

"Iwo. Ich kann meinen besten Freund doch nicht einfach hängen lassen, nur weil er persönlich mir einen Auftrag erteilt hat. Wieso rufst du an, Großer?", fragt er mit seiner üblich gelassenen Art.

Manchmal frage ich mich wirklich, wie ich es all die Jahre geschafft habe, tatsächlich mit ihm befreundet zu bleiben und ihm nicht einfach eine Kugel in den Kopf gejagt habe, weil er so verdammt nervig ist.

Trotzdem atme ich tief ein, sehe flüchtig zu Amara und werde meine Entscheidung höchstwahrscheinlich bereuen.

"Du musst genau das für mich tun, worüber wir vor ein paar Tagen gesprochen haben", sage ich mit neutraler Stimme und schiebe meine rechte Hand in die Tasche meiner ebenfalls schwarzen Anzughose.

"Bist du dir sicher? Die kleine wird dich bei lebendigem Leibe häuten, wenn sie davon erfährt. Jedenfalls, wenn ich ihre Reaktion richtig einschätze, wovon ich ausgehe, weil ich immer recht habe und das weißt du auch, aber..."

"Leonardo", unterbreche ich ihn ruhig aber mahnend.

"Bin schon dran, Großer."
Sofort darauf ertönt das leise tuten am anderen Ende, welches mir zu verstehen gibt, dass Léon den Auftrag angenommen hat.

Wieder atme ich tief ein, stecke mein Handy zurück in die Innentasche meines Jacketts und ignoriere den skeptischen Blick des Typen auf mir.

Stattdessen beobachte ich weiterhin wie unbekümmert meine Kleine von all den Schmerzen eigentlich ist.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt