›51‹

238 17 2
                                    

"Ich habe dir gesagt, dass sie dich bei lebendigem Leibe häuten wird, wenn sie davon erfährt. Langsam sollte ich wirklich anfangen, wetten für sowas aufzustellen", murmelt Léon vor sich hin.

"Halt die Klappe, Léon!"

"Halt die Klappe, Leonardo!", kommt es zeitgleich von uns beiden, was mich nur noch wütender stimmt.

Nathaniel kommt wieder etwas näher, doch während ich gerade das Messer hebe, um es wieder in seine Richtung zu halten, stellt sich Avion plötzlich vor mich und schiebt mich direkt hinter sich.

"Auf ein Mal willst du sie beschützen? Vor mir? Wie niedlich", spottet Nathaniel angewidert in seine Richtung und will gerade noch einen weiteren Schritt gehen, da lege ich Avion sein eigenes Messer in die Hand.

"Du hast die Erlaubnis, dich zu verteidigen. Nicht mehr und nicht weniger", sage ich, während ich Nathaniel mit einem kalten Blick in die Augen sehe.

Für einen Moment bleibt es still und der Blickkontakt intensiv, doch dann lacht er auf und senkt den Blick.

"Du willst dir irgendwann die Rache an deinem Vater holen und ich will mich endlich an demjenigen rächen, der das verletzt hat, was mir gehört", sagt er mit dunkler Stimme, doch ich schüttle den Kopf hin und her.

"Ich gehöre dir nicht, Nathaniel. Das habe ich nie und jetzt werde ich es sicherlich nicht mehr."
Sofort sehe ich ihm an, wie sehr meine Worte ihn tatsächlich treffen, doch was erwartet er auch?

Dass ich ihm dafür danke, dass er meinen Cousin entführt und ihn gefoltert hat, weil Avion mir wegen der vielen Aufträge dasselbe angetan hat?

Sicher nicht.

"Was hast du jetzt vor, Amore?", höre ich Léons Stimme.

Und das erste Mal, seit ich ihm damals hier begegnet bin, hört sich seine Stimme wirklich etwas bedrückt an.

Abgesehen davon, dass mich der Spitzname in diesem Moment überhaupt nicht stört.

Ich nehme Avions Arm und lege ihn über meine Schultern, ehe ich meinen linken Arm an seinen Rücken lege, um ihn sanft stützen zu können.

Das hätte alles nicht so sein müssen.

"Ich werde meinen Cousin hier rausbringen. Er sollte überhaupt nicht hier sein", sage ich und will einen schritt nach vorne gehen, doch Avion hält mich davon ab.

"Ich kann nicht zurück, Mara", haucht er leise mit seiner rauen und tiefen Stimme.

Sofort sehe ich verwirrt zu ihm auf, weshalb er meinen Blick erwidert und mich ansieht.

Erst jetzt fällt mir auf, wie schmerzhaft es für ihn sein muss, überhaupt gleichmäßig zu atmen.

Er wird mit Sicherheit einige Rippen gebrochen haben.

Alleine dafür, könnte ich Nathaniel den Schädel einschlagen.

"Dein kleiner Freund hier..."
Er holt tief und hebt flüchtig den Arm, um auf Nathaniel zu zeigen, welcher noch immer mit den Händen in der Hosentasche steht und zu uns sieht.

Doch inzwischen ist er still.

Einfach stumm.

Wahrscheinlich habe ich tatsächlich einen Nerv bei ihm getroffen.

"Sie haben mich überrumpelt als ich gerade einen neuen Auftrag bekommen habe", erklärt er mit Mühen.

Mir entgeht nicht, wie verdammt müde er ist und wie viel Kraft es ihn kostet, auf den Beinen zu bleiben.

"Ich verstehe nicht", sage ich und schüttel den Kopf hin und her.

"Sie haben mir befohlen, dich zu finden und dich umzubringen, Mara", erklärt er bedrückt.

Es sollte mich schockieren, dass sie ausgerechnet Avion auf mich ansetzen, welcher der zweitbeste Killer in meiner Familie ist, doch das tut es nicht mehr.

Nicht nach allem, was ich in den letzten Wochen durchmachen musste.

Ich nicke, als ich beginne, die Puzzleteile zusammenzusetzen.

"Und was bedeutet das jetzt? Wieso solltest du nicht zurückgehen können?", fragt Léon unglaublich leichtsinnig.

Ich atme tief ein und sehe nach vorne, ehe ich Nathaniel mit meinem Blick zu töten versuche.

"Du hast gerade dafür gesorgt, dass ein weiteres Mitglied in meiner Familie zum gesuchten wurde. Jetzt sind sie auch hinter ihm her", lasse ich ihn mit wütender Stimme wissen.

Als ich zögerlich zu Léon sehe, erkenne ich, dass er noch immer nicht ganz versteht, warum das der Fall ist.

"Geh aus dem Weg, Nathaniel", befehle ich und warte einen ganzen Moment, ehe er tatsächlich einige Schritte zur Seite tritt.

Ich stütze Avion so gut es mir möglich ist und gehe auf den Ausgang zu.

Léon geht sofort aus dem Weg und schiebt die Tür sogar noch ein weiteres Stück auf, damit wir ohne Probleme hindurch können.

Nathaniel stattdessen, rührt sich nicht weiter vom Fleck.

"Ich bringe dich erstmal in mein Zimmer. Deine Verletzungen müssen versorgt werden", sage ich, während ich mit Avion zur Treppe laufe.

Er zieht sich mit Mühen und schmerzhaftem stöhnen an dem Gelände hoch, während ich mit aller Kraft versuche, ihn nicht noch mehr zu verletzen.

"Denkst du, dass das eine gute Idee sein wird?", fragt Léon, welcher uns zu folgen scheint.

"Zum einen interessiert es mich nicht, was du denkst", sage ich und öffne eilig die Tür vor uns, ehe ich sofort darauf wieder nach Avions Arm über meinen Schultern greife.

"Und weiter?", fragt Léon dann recht ungeduldig.

Ich beiße die Zähne zusammen und frage mich, wie wir in so wenigen Tagen, wirklich so weit gehen könnten.

Avion stöhnt weiterhin vor Schmerzen, während ich ihn durch den Flur führe und den Schmerz in meiner Brust ignoriere.

Es fühlt sich schlimmer an, als von meiner eigenen Familie verraten worden zu sein.

"Richte ihm aus, dass ich ihn umbringen werde, wenn er sich meinem Zimmer auch nur nähert", knurre ich schon fast, ehe ich höre, wie Léon hinter uns einfach stehen bleibt.

Das soll mir jetzt aber erstmal egal sein.

Jetzt ist erstmal Avions Wohlergehen wichtiger.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt