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POV Amara

"Skala von eins bis zehn. Wie hoch sind die Schmerzen?", fragt Léon mich schmunzelnd, während er sich von hinten nähert und eine Hand auf meine Schulter legt, doch ich schlage sie weg, weshalb er sofort beschwichtigend die Hände in die Höhe hält.

"Nicht einmal eine Eins", sage ich leise und konzentriere mich weiter auf das Baby in meinen Armen.

Vor drei Tagen hat Nathaniel mir endlich das Tattoo besorgt, welches er überhaupt erst vorgeschlagen hatte.

Die Flügel beginnen an den Narben und verzieren meinen Rücken, bis sie sich nur ein kleines wenig auf meinen Schultern über meine Oberarme ausbreiten.

"Hat Nathaniel schon erzählt. Er meinte, du hättest die gesamte Session einfach durchgepennt", lacht er, als er sich neben mir auf das Sofa fallen lässt, wobei Polly sich sofort zu rühren beginnt.

Da ich die kleine eben erst zum Schlafen bringen konnte, drehe ich meinen Kopf finster nach links und sehe ihn mahnend an.

Er hingegen grinst mir einfach nur ins Gesicht, als würde ihn nichts davon stören.

Wahrscheinlich ist meine Wut nicht darauf gerichtet, dass Léon so unvorsichtig in der Nähe des schlafenden Babys ist.

Wohl eher darauf, dass Nathaniel einfach untergetaucht ist, sobald er sich seinen Kuss von mir geholt und mir das Tattoo besorgt hat.

Seit drei verdammten Tagen, habe ich ihn maximal zweimal flüchtig zu Gesicht bekommen, doch das war auch schon alles.

Stattdessen scheint mir Léon nicht mehr von der Seite weichen zu wollen.

"Wo ist Nathaniel?", frage ich und streiche sanft mit dem Daumen über die Wange des kleinen Engels in meinen Armen.

Briana ist vor drei Tagen mit Mariposa irgendwohin gegangen, also habe ich die Chance genutzt und mich seither um Polly gekümmert.

Die kleine ist einfach ein völliger Zuckerklumpen.

Leider hat Briana mir nicht erzählt, wohin sie überhaupt gegangen ist, was mich tatsächlich unheimlich stutzig macht.

Doch um ehrlich zu sein, frisst sich die Reue noch immer so sehr unter meine Haut, sodass ich es einfach für unangebracht halte, Briana überhaupt zu fragen, wohin sie eigentlich geht.

"Der müsste wahrscheinlich gleich zurück sein", sagt er, während ich aus dem Augenwinkel sehe, wie er auf seine Armbanduhr sieht.

Doch ich schnalze mit der Zunge und hebe dabei eine Braue.

"Ich habe nicht gefragt, wann er zurückkommen wird, sondern wo er ist", sage ich mit giftiger Stimme, ehe ich ganz langsam meinen Kopf in seine Richtung drehe, um auf seine Antwort zu warten.

"Und ich habe vollkommen verstanden, was du mich gefragt hast, Amore", lächelt er mir verschmitzt ins Gesicht, doch plötzlich legt sich eine starke Hand von hinten auf seine Schulter, weshalb wir beide nach hinten blicken.

"Habe ich dir nicht gesagt, dass du sie niemals wieder so nennen sollst?", fragt Nathaniel mit einer gehobenen Braue und einem müden Blick auf dem Gesicht.

Léon beginnt zu lachen und schiebt Nathaniels Hand von seiner Schulter, wie ich es eben bei seiner gemacht habe.

"Ihr beide seid wirklich das perfekte Pärchen. Einfach zuckersüß", grinst er weiterhin, ehe er sich einfach erhebt, sich dann zu mir herunter lehnt und mir einen zögernden Blick zuwirft.

Es braucht mich einen Moment, um zu verstehen, dass er um Erlaubnis bittet, die kleine Polly aus meinen Armen zu nehmen.

Also hebe ich sie etwas an, ehe ich sie so sanft wie möglich in seine Arme lege, um sie bloß nicht zu wecken.

Für einen kurzen Moment sehe ich ihm noch nach und beobachte ihn dabei, wie er aus dem Raum verschwindet, ehe ich Nathaniels Hände an meinen Schultern spüre.

Er versucht meine angespannten Muskeln etwas zu massieren, doch ich stehe abrupt auf, sodass ihm das nicht mehr möglich ist.

"Wo warst du die letzten Tage?", frage ich gerade heraus, während ich in den Flur gehe und mein Zimmer ansteuere.

Ich höre seine schweren Schritte hinter mir und doch will ich ihm einfach nur eine reinhauen.

"Da sind Dinge, die ich erledigen muss, Kleine. Ich bin der letzte meiner Familie, also habe ich eine gewisse Verantwortung zu tragen", erklärt er mir, was mir plötzlich nur wieder klarmacht, dass ich der Grund dafür bin.

Außerdem beweist es mir wieder nur aufs neue, dass ich nichts über Nathaniel weiß.

"Du hättest wenigstens Bescheid sagen können. Stattdessen hast du dir deinen beschissenen Kuss geholt, mir das Tattoo besorgt und dich dann verzogen", knurre ich schon förmlich, als ich mein Zimmer betrete und sofort ins Badezimmer stürme.

"Kleine, können wir das bitte nicht jetzt diskutieren? Ich bin müde und verdammt genervt", sagt er hinter mir, als ich das Wasser in die Wanne lasse und den stopfen in den Abfluss lege.

Ich stütze mich mit beiden Händen auf dem Rand der Badewanne ab und sehe nachdenklich dabei zu, wie sie sich mit dem warmen Wasser füllt.

Er wollte, dass ich ihm vertraue, ihm sogar so weit vertraue, dass ich nicht mehr daran zweifle, mein Leben zu verlieren.

Und doch schenkt er mir nicht einmal das bisschen an Vertrauen, welches nötig wäre, um mir zu erzählen, wo er sich die letzten Tage aufgehalten hat?

Ich habe ja nicht einmal mitbekommen, wann er das Haus verlassen hat und wann er wieder zurückgekommen ist.

Und all das kotzt mich einfach nur an.

Es gibt mir das Gefühl, mein einziges Talent zu verlieren.

Als er mir die Hand auf den unteren Rücken legt, stelle ich mich sofort wieder gerade hin und nehme einen Schritt Abstand zu ihm.

Sofort darauf greife ich das Schaumbad und gebe etwas davon in die Wanne.

"Du hast jedes Recht, sauer auf mich zu sein, Kleine, aber bitte lass uns morgen darüber sprechen. In Ruhe", sagt er so leise, dass es mich plötzlich wirklich realisieren lässt, wie müde und ausgelaugt er eigentlich klingt.

Als hätte er den gesamten Tag mit schwerster Arbeit verbracht.

Ich stelle das Schaumbad zurück an seinen Platz und drehe mich zu ihm um, nur um ihn dann mit einer neutralen Miene zu betrachten.

"Um ehrlich zu sein, geht es mir am Arsch vorbei. Ich bin hier, weil ich keine andere Möglichkeit habe. Das ist auch alles", sage ich kühl und sehe sofort an dem Ausdruck auf seinem Gesicht, dass ich beginne, eine Grenze zu überschreiten.

Bevor er jedoch etwas sagen kann, verschränke ich die Arme vor der Brust und sehe ihn herausfordernd an.

"Ich würde jetzt gerne ein Bad nehmen. Wärst du so freundlich?", frage ich und sehe in die Richtung der Tür, doch er zeigt direkt auf mich, ehe er dieselbe Haltung einnimmt wie ich.

"Und wer hilft dir bei der zweiten Haut?", fragt er und wartet ziemlich gelassen auf eine Antwort.

Ich drehe meinen Kopf nach rechts und sehe in den Spiegel, in welchem ich die glänzende Folie auf meinem Rücken erkennen kann.

Die zweite Haut ist sowas wie ein atmungsaktives und durchsichtiges Pflaster, welches der Tätowierer auf meine Haut geklebt hat, um die offene Wunde vor Bakterien und weiterem zu schützen.

Als ich wieder zu ihm sehe, hebe ich die Schultern und lasse sie sofort wieder fallen.

"Jetzt, wo Briana weg ist, werde ich mich wahrscheinlich an Léon wenden. Immerhin ist er mir die letzten drei Tage kaum von der Seite gewichen", sage ich und weiß genau, wie sehr ihn das provoziert.

Er sieht mich wütend an und ich spüre, wie die Wut in ihm zu kochen beginnt, doch ich blicke ihn einfach nur unbeeindruckt an.

Dann dreht er sich langsam um, ohne auch nur ein Wort von sich zu geben.

"Du solltest aufpassen, was du da von dir gibst, Kleine. Ich werde meine Wut nicht immer kontrollieren können", lässt er mich wissen, als er aus dem Bad hinüber in mein Zimmer geht.

Sofort darauf fällt die Tür meines Zimmers laut ins Schloss.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt