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So leise es mir möglich ist, schließe ich Pollys Zimmertür.

Ich habe gerade eine halbe Stunde gebraucht, um sie überhaupt zum Schlafen zu bringen, weil sie heute aus irgendeinem Grund total unruhig war.

Ob heute vielleicht irgendetwas schiefgehen wird?

Sofort schiebe ich diesen negativen Gedanken bei Seite und konzentriere mich darauf, zu den anderen in den Keller zu stoßen.

"Ihr müsst mir versprechen, dass ihr verdammt vorsichtig seid", höre ich Briana sagen, als ich gerade die letzten Stufen hinuntergehe.

Wie in Trance steuere ich auf den Trainingsraum zu, in welchem Léon ein paar Waffen angesammelt hat, weil die Kids nicht in den Keller dürfen.

Als ich die Tür schließlich öffne und hineintrete, dreht sich bloß Nathaniel zu mir um und betrachtet mich für einen Moment fragend.

Er stellt mir die stumme Frage, ob alles in Ordnung ist, wie er es den gesamten Tag schon tut, also nicke ich, wie ich es zuvor schon etliche Male getan habe.

Das scheint ihm zu reichen, da er den Blick sofort wieder auf den ausgebreiteten Tisch voller Waffen richtet.

"Wir kommen klar, Bri. Sieh du zu, dass du auf die Mädels achtest. Hol dir einfach die kleine Tänzerin zur Hilfe", murmelt Léon, welcher gerade ziemlich konzentriert an einer Waffe herumhantiert.

Diese ganze Situation wirkt einfach viel zu unrealistisch.

Was ist, wenn einem von ihnen etwas passiert, weil ich mich dazu entschlossen habe, endlich gegen meinen Vater vorzugehen?

Instinktiv presse ich beide Daumen gegen meine Ringe und fahre mit der Fingerkuppe sanft über das Material.

Ich liebe unsere Eheringe und würde sie niemals mehr ablegen, was schon fest stand, als Nathaniel ihn mir an den Finger geschoben hat.

Sie sind beide ziemlich ähnlich wie der Verlobungsring, den Nathaniel mir vor ein paar Tagen an den Finger gesteckt hat.

Immerhin sieht es so aus, als würden sie aus zwei goldenen ranken bestehen, die einander umringen und verschlingen.

Genau so, wie Nathaniel mich umringt und mich von innen nach außen hin verschlingt.

"Hättest du etwas dagegen, wenn ich mir deinen Bruder vornehme? Der Typ ist ein richtiger Wichser", murmelt Léon, weshalb ich ihn für einen Moment finster betrachte und mich bereits darauf vorbereite, ihn zu Ohrfeigen.

"Von Joshua lässt du die Finger. Mit Ramon kannst du machen, was auch immer du willst. Nur lass ihn am Leben", antwortet Avion jedoch, während er sich mit vielen verschiedenen Arten von Messern ausstattet und sich bloß eine Waffe für Backup schnappt.

"Abgesehen von meinem Vater soll heute niemand sterben. Wie veranstalten kein Massaker, sondern zeigen ihnen nur, dass sie nicht länger die Oberhand haben", erkläre ich entschlossen, als ich mich schließlich zu ihnen geselle und mir ein paar Waffen genauer ansehe.

Es sind verdammt gute Waffen, das muss ich Léon alle Male lassen.

"Ich hatte gehofft, Ramiro umzulegen", murmelt Rico in sich hinein, sodass wir alle ihn für einen Moment betrachten.

Nachdem Avion vor allem sein Geheimnis verraten hat, wurde es von den anderen nicht mehr angesprochen.

Und trotzdem wirkt es so, als würde jetzt niemand mehr um die Tatsache herum tänzeln, das Avion und Rico ein paar sind.

Mein Cousin betrachtet seinen Mann mit Gleichgültigkeit in der Miene, doch seine Augen funkeln.

"Ich glaube nicht, dass es so klug ist, an einem Abend gleich beide Brüder umzubringen, Rico", sagt er tonlos und doch wirkt es so, als würde er vor Emotionen nur so kochen.

Rico blickt ihn jedoch nicht an und nickt bloß stumm vor sich hin.

Ich nehme einen tiefen Atemzug, nehme mir eine Waffe und sehe mir dann noch ein paar Messer an.

Yuuri hat mich in der Vielfältigkeit der Waffen viel gelehrt, was dazu geführt hat, dass ich mittlerweile beinahe jeden Gegenstand zur Waffe machen kann.

Ich kann mit Messern kämpfen, mit Waffen, mit Pfeil und Bogen und habe auch von ihm gelernt, wie man ein Katana führt, wobei ich damit noch nie wirklich gekämpft habe.

Katana sind einfach nicht meine Favoriten.

"Wenn all das vorbei ist, müssen wir unbedingt deinen Geburtstag nachholen, Amore", grinst Léon plötzlich, was mich leicht auflachen lässt.

"Lasst uns erst einmal dafür sorgen, dass alles problemlos abläuft."
Nathaniel tritt hinter mich, legt seine Hände an meine Hüften und presst mir einen Kuss auf den Hinterkopf.

"Wie fühlst du dich?", raunt er direkt an meinem Ohr, während die anderen uns kaum einen Funken ihrer Beachtung schenken.

Ich lehne mich ihm etwas entgegen, lasse meine Finger trotzdem noch über die vielen verschiedenen Messer wandern.

"Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl", gebe ich zu, ehe ich plötzlich zusammen zucke, weil Avion eines der Messer heftig auf den Tisch schmettert.

Mein Blick fliegt zu ihm nach oben, doch er betrachtet mich bereits.

Und das mit einer Mischung aus Wut und Sorge.

"Sag das nicht", mahnt er und schüttelt dabei den Kopf hin und her, ehe er die Hand hebt und mit dem Zeigefinger in meine Richtung zeigt.

"Wenn du sagst, du hättest ein ungutes Gefühl, ist es berechtigt. Und ich habe keine Lust darauf, heute in irgendeiner Art und Weise in Probleme zu geraten", sagt er voller Entschlossenheit, was mich irgendwie zum Lächeln bringt.

Avion kennt mich gut.

Wie gut er mich wohl kennt?

"Es ist nur unsere Familie, Avion. Das wird schon werden", sage ich, kann aber nicht ganz sagen, ob ich versuche ihn oder wohl eher mich davon zu überzeugen.

"Sie hat recht", stimmt mir Nate hinter mir zu und lässt seine Daumen sanft über meine Hüften fahren.

Ich spüre sie durch den Stoff meiner Kleidung und würde gerade alles dafür geben, wirklich zu spüren, wie sie über meine nackte Haut fahren.

"Griffin hat mir vorhin geschrieben. Emilio hat das gesamte Restaurant gebucht, also ist bloß eure Familie anwesend. Abgesehen von den Angestellten des Restaurants und eine Hand voll lächerlicher Bodyguards von Emilio, meine ich."
Ein Schmunzeln bildet sich auf meinen Lippen, doch sofort verschwindet es wieder, als sich dieses ungute Gefühl in meinem Magen breit macht.

Mir wird wieder übel.

All das wirkt auf eine gewisse Art und Weise viel zu einfach.

Als wären wir einfach nicht dazu bestimmt, ein Mal in unserem Leben zu gewinnen.

Und trotzdem nicke ich, verstaue ein paar der Waffen an meinem Körper und drehe mich um, ehe ich zur Tür laufe.

"Lasst uns die ganze scheiße endlich für uns entscheiden", sage ich entschlossen, weil ich Nathaniel unmittelbar direkt hinter mir spüre.

Wenn er in meiner Nähe ist, bin ich wahrscheinlich dazu in der Lage, alles in meinem Leben zu meistern.

Avion ist vielleicht noch etwas zu sehr von der Sache mit Nate angeschlagen, also kann ich nicht damit rechnen, ihn in meiner Nähe zu halten.

Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass Ramiro und seine beiden Söhne ebenfalls anwesend sein werden, also werde ich Avion und Nate ganz einfach dazu auffordern, die drei aus dem Restaurant zu schaffen.

Léon und Rico behalte ich bei mir, während ich mich um meine Familie kümmern werde.

So lange habe ich darauf gewartet, meinen Vater endlich umzubringen.

Und heute werde ich dazu in der Lage sein.

Bevor ich das aber tue, werde ich ihn leiden lassen und Nathaniel dann für eine Weile seine Rache an ihm ausüben lassen.

Erst, nachdem wir beide unsere rechtmäßige Rache an Emilio Salvatore bekommen haben, werde ich ihn umbringen.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt