›27‹

241 15 2
                                    

Scharf ziehe ich die Luft ein, als Nathaniel beginnt, die Stichwunde an meinem unteren Rücken zu nähen.

Nach dem Essen mit meiner Familie bin ich sofort in Brunos Club gefahren und habe innerhalb von einer halben Stunde bereits mehrere Aufträge bekommen.

Als ich dann noch in derselben Nacht, dem ersten Auftrag nachgegangen bin, war ich für einen Augenblick unaufmerksam.

Einer der Männer hat mir wortwörtlich ein Messer in den Rücken gerammt und dann versucht, mich vollständig aus dem Weg zu räumen.

Schon irgendwie lustig, wenn man bedenkt, dass sich sofort darauf herausgestellt hat, dass diese Männer von meinem Vater angeheuert wurden, mich umzubringen.

Anscheinend kann es ihm nicht schnell genug gehen, mich aus dem Weg zu räumen.

Mein Verhalten gegenüber der Männer, welche mein Vater mir an seinem Geburtstag vorgestellt hat, hat dazu wahrscheinlich auch nichts Gutes beigetragen.

"Wie ist das passiert, Kleine", fragt Nathaniel mich mit seiner rauen und verschlafenen Stimme, während er sich gerade um die Stichwunde kümmert.

Schon irgendwie witzig, dass ich keine andere Lösung gesehen habe, als hier bei ihm aufzutauchen.

Erneut.

Mitten in der Nacht.

"Ich war Unaufmerksam", sage ich und vergrabe meine Finger tief in dem Stoff seines Kissens, auf welchem ich mit dem Kopf liege.

Immerhin liege ich auf dem Bauch in seinem Bett, habe meinen Kopf auf das Kissen gelegt und meinen Kopf so von ihm weg gedreht, sodass ich nach links direkt an die Wand sehe.

"Das bist du sonst nicht. Was war der Auslöser dafür?", fragt er ziemlich leise, doch ich starre nur an die weiße Wand und konzentriere mich auf den Schmerz, der gerade das einzige ist, was mich davon abhält, zu weinen.

"Keine Sorge. Ich habe mein Handy nicht mitgenommen. Keiner wird mich hier finden können, also bleibt dieses Haus unentdeckt", sage ich ebenso leise und ramme meine Finger noch tiefer in sein Kissen, während ich die Nadel in meiner Haut spüre.

"Das war nicht meine Frage. Mir ist klar, dass du niemals so dumm wärst und dich erwischen lässt, wie du mit mir interagierst. Du könntest nicht zurück, wenn es jemand erfahren würde", sagt er und wischt mit einem Tuch über die Wunde.

"Ich werde nicht zurückgehen, Nathaniel", hauche ich unglaublich leise, was ihn sofort dazu bringt, in jeglicher Bewegung zu verharren.

Mich stört es nicht, dass ich nicht zurück zu meinem Elternhaus gehen kann.

Mich stört eher, dass es jetzt wirklich ernst zu werden scheint.

Meine Brüder.

Rico.

Was wird mein Vater meinen Brüdern dieses Mal erzählen, um sie gegen mich aufzubringen?

"Was wird aus unserem Plan?", fragt er nach einer Weile, ehe er die letzten Stiche setzt und dann die Wunde vollständig zu Ende versorgt.

Unser Plan war ursprünglich, dass ich noch so viel Zeit bei meiner Familie verbringe, wie es möglich ist, damit wir mehr über das Vorhaben meines Vaters erfahren.

Doch inzwischen hat sich das alles drastisch geändert.

"Ich kann nicht zurück, Nathaniel", sage ich mit einem harschen Unterton, welcher ihm zu verstehen geben soll, dass er nicht weiter nachhaken soll.

Was bringen mir die ganzen Fähigkeiten, die ich mir in meinem Leben aneignen musste, wenn ich mich nicht einmal gegen meinen eigenen Vater verteidigen kann?

"Solange ich bis zu meinem Geburtstag nicht umgebracht werde, muss ich doch den Platz meines Vaters einnehmen, richtig?", frage ich ihn und sehe weiterhin stur an die mir gegenüberliegende Wand.

"So läuft das nicht, Amara", sagt er, was mich für einen kurzen Moment an meiner Idee zweifeln lässt.

Doch dann legt er mir die Hand an die Wirbelsäule und streicht sanft über meine Haut.

"Du kannst nicht einfach mitten in der Nacht total gebrochen bei mir auftauchen und mir dann nicht erzählen, was passiert ist", sagt er zwar mit einer ruhigen Stimme, doch seine Worte stimmen mich sofort wütend.

Genau aus diesem Grund, schiebe ich meine Hände unter meinen Körper, schiebe mich von der Matratze weg und ignoriere jeden Schmerz, ehe ich aus dem Bett steige und direkt vor ihm zum Stehen komme.

Ganz langsam hebe ich die Schere an, welche er dazu verwendet hat, mich zu behandeln und halte sie an seine Kehle.

Aber er sieht nur unbekümmert zu mir auf, während ich zwischen seinen Beinen stehe und wütend auf ihn herab blicke.

"Ich bin nicht gebrochen", knurre ich, als hätte ich Gift in der Stimme und könnte ihn damit ohne Probleme umbringen.

Leider funktioniert das nicht so leicht.

Wäre das der Fall, hätte ich es viel einfacher.

Ich starre ihn an, drücke die Spitze der Schere immer tiefer in seine Haut und versuche womöglich nicht nur ihn davon zu überzeugen.

Ganz langsam legt er eine Hand an mein Handgelenk und die andere an meine Hüfte.

Doch er entfernt meine Hand nicht von der Schere oder versucht sie von ihm fernzuhalten.

Er hält einfach mein Handgelenk und sieht mir tief in die Augen.

"Du zitterst, Amara. Das bist nicht du", haucht er mir so sanft entgegen, dass seine Worte nicht nur auf mein Gehör treffen.

Sie machen etwas mit mir und haben Gewicht.

Mit einem Mal ziehe ich meine Hand aus seinem Griff und werfe die Schere dann auf den Boden, ehe ich mich umdrehe, mein Oberteil vom Bett nehme und es wieder anziehe.

Als ich jedoch stumm zur Tür gehe und diese öffne, taucht er plötzlich hinter mir auf und schließt sie wieder, indem er seine Hand einfach dagegen drückt.

"Wohin willst du gehen, wenn du mein Haus verlässt, Kleine? Willst du für Wochen gejagt, gefoltert und vielleicht sogar umgebracht werden?"

"Vorsicht, Nathaniel. Du vergisst, mit wem du sprichst", warne ich, ohne mich auch nur einen Millimeter zu rühren.

"Ich spreche mit dir, Amara. Ich spreche mit der Frau, die ich bewundere und die immer wieder meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mit der Frau, von der ich inzwischen mehr als nur besessen bin. Aber ich spreche auch mit der Frau, die in den letzten Monaten mehr durchmachen musste, als sie eigentlich ertragen kann."
Ich stehe hier, starre auf die Tür und verlange von meinem Kopf, dass er sich irgendeinen verdammten Konter einfallen lässt.

Doch nichts.

Reine Leere.

"Du hast gesagt, du vertraust mir dein Leben an. Tu das und bleib", sagt er, als er sanft nach meinen Hüften greift und mich an ihnen zurück zum Bett führt.

Dann dreht er mich vor dem Bett zu sich um und sieht mich für den Bruchteil einer Sekunde an, ehe er nach dem Ende meines Oberteils greift.

Ich zögere, doch dann hebe ich meine Arme und lasse es geschehen.

Sofort darauf öffnet er meine Hose und streift sie ganz ohne Hintergedanken von meinen Hüften.

"Das Bett", sagt er, als er hinter mich nickt.

Ich drehe mich um, steige wie in Trance zurück in das Bett, während Nathaniel die Decke zurückzieht.

Als ich mich in seine Kissen gelegt habe, legt er die Decke über mich, doch ich starre wieder an die Wand, während die vielen verschiedenen Gedanken zurückkommen.

Tränen bilden sich in meinen Augen und wollen einfach nicht wieder verschwinden.

"Ich lasse dir etwas Freiraum", sagt er leise hinter mir, doch ich versuche gerade verdammt verzweifelt, nicht vor ihm zu weinen, also ignoriere ich ihn.

In dem Moment, in dem ich jedoch höre, wie die Tür sich hinter ihn schließt, breche ich zusammen, wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt