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Das Haus ist leer und still.

Alles ist still und kein einziger Ton hallt durch das Haus.

Die vollkommene Definition von purer Stille.

Es ist schon sehr spät und ich warte schon seit einer ganzen Weile, dass irgendetwas passiert, doch nichts.

Ich liege einfach auf dem Bauch in dem weichen Bett, das mir zur Verfügung gestellt wird und denke wieder einmal über alles nach.

Ich habe endgültig entschieden, dass mein Vater für alles bezahlen muss und diese Bezahlung wird wohl oder übel daraus bestehen, dass er sein Leben lassen muss.

Ich werde mich von niemandem aus meiner Familie mehr aufhalten lassen und werde in der Zukunft mein eigenes Ding durchziehen.

Inzwischen nehme ich an, dass Nathaniel keine Rache an mir will, sondern ebenfalls an meinem Vater.

Immerhin hat dieser ja auch erst in Auftrag gegeben, dass ich Domenico umbringen sollte.

Ich muss für den Rest meines Lebens damit klarkommen, dass mein eigener Vater, mich an irgendwelche Männer verkaufen wollte, nur weil es ihm so einige Vorteile verschafft hätte.

Außerdem muss ich damit leben, dass mein gesamtes Leben eine Lüge war.

Hätte ich in meinem früheren Leben erfahren, dass ich einmal der Kopf dieser Familie sein würde, wäre mein gesamtes Leben wahrscheinlich anders abgelaufen.

Vielleicht hätte ich mich nie dazu entscheiden müssen, alles nötige zu tun, um in diesem Leben überhaupt am Leben zu bleiben.

Ich hätte mich niemals von Yuuri ausbilden lassen müssen.

Wahrscheinlich wäre ich niemals zu einer Auftragskillerin geworden.

Ich hätte niemals gedacht, dass ich einen Menschen, den ich auf dem Gewissen habe, mal mit meinen Brüdern vergleichen würde, doch das tue ich mittlerweile ständig.

Domenico wusste, dass ich kommen würde und er wusste, dass ich ihn umbringen würde.

Er hat sich nicht dagegen gewehrt, so getan, als hätte er mich nicht bemerkt, als ich mich an ihn angeschlichen habe und hat dann noch dafür gesorgt, dass meiner Sicherheit nichts im Wege steht.

Weil er wusste, was für eine starke Frau ich werden würde.

Weil er wusste, was für eine Macht ich haben würde, wenn ich tatsächlich dazu kommen würde, der Kopf meiner Familie zu werden.

Nathaniel schuldete Domenico einen Gefallen und diesen Gefallen hat Domenico dafür benutzt, meine Sicherheit zu gewährleisten.

Ich atme tiefer ein und langsam wieder aus.

Mein Leben, wie ich es kannte, ist ein für alle Mal vorbei.

Die Tür öffnet sich leise, doch ich ignoriere es, starre weiterhin an die gegenüberliegende Wand und denke weiterhin nach.

Ich werde mir die Rache holen und meinen Vater töten.

Und dann werde ich wahrscheinlich für immer mit meinen Brüdern auf Kriegsfuß stehen.

Auch, wenn meine Brüder nichts von dem Vertrag wissen, welchen unser Großvater damals unterschrieben hat, ist es so, als hätte mich meine gesamte Familie verraten und das fühlt sich schrecklich an.

Ich spüre die Blicke auf mir und langsam nervt es mich.

Mir entgeht nicht, dass es ohne Zweifel Nathaniel sein muss, also lege ich mich etwas gemütlicher hin.

Ich schiebe meine rechte Hand unter das Kissen und ziehe mein rechtes Bein etwas in die Höhe.

"Tu das nicht", mahnt er mit rauer Stimme.

"Ich tue doch gar nichts. Du bist derjenige, der starrt", gebe ich zurück.

Ich liege hier total gemütlich, doch nun hat er eine perfekte Sicht auf meinen Hintern.

Ein oversized Shirt bedeckt meinen Körper, doch ich trage keine Hose, weshalb er nicht nur einen perfekten Blick auf meinen Hintern hat, sondern auch auf meinen roten Slip.

"Ich starre nicht. Ich genieße die Aussicht. Das ist ein Unterschied", gibt er zurück, während jedes seiner Worte, mir durch Mark und Bein geht.

"Küss mich da, wo die Sonne nie hinscheint", brumme ich genervt.

Leise Schritte hallen durch den Raum und plötzlich schwenkt das Bett ein wenig, ehe er mein Shirt nach oben schiebt und mir einen Kuss auf den unteren Rücken, direkt über meinem Hintern drückt.

"Hey! So war das nicht gemeint!", zische ich, drehe mich dabei um und versuche nach ihm zu treten, doch er packt meine beiden Knöchel und hält sie fest.

"Hättest du eine andere Wortwahl benutzt, hätte ich es ebenfalls als Einladung gesehen. Wähle deine Worte in meiner Gegenwart Weise, Amara", raunt er und endlich kann ich ihn genauer betrachten.

Seine Kleidung ist mit Blut befleckt und total zerknittert, während er vollkommen erschöpft aussieht.

"Was ist passiert?", frage ich vorsichtig und stütze mich auf die Ellenbogen, um ihn noch genauer zu betrachten.

Nachdem wir heute Morgen in der Küche gefrühstückt haben, meinte er, dass Briana mir einige Sachen besorgen würde, doch sofort darauf meinte er, dass er noch einige Dinge zu tun hätte und ist verschwunden.

Deshalb habe ich den gesamten Tag hier in diesem Zimmer verbracht und über alles Mögliche nachgedacht.

Er lockert den Griff um meine Knöchel ein kleines wenig und sieht mich mit einer sanften Miene an.

Dann gibt er mir ein Zeichen, dass ich mich auf die Seite drehen soll, also tue ich das und weiß dabei nicht einmal, warum ich ihm gerade so gehorche.

Er bewegt sich hinter mir, zieht die Decke unter mir hervor und legt sich darunter, ehe er mich zudeckt.

Als er seinen Arm um meinen Bauch legt und mich näher an seine Brust zieht, lasse ich es zu und lehne mich sogar noch ein wenig weiter in seine Richtung.

"Ein Deal ist schiefgelaufen. Wir haben Nelio verloren", erklärt er so leise, dass es nur ein kleines Flüstern ist, doch die Emotionen in seiner Stimme sind klar und deutlich zu erkennen.

Reue.

Trauer.

Bedauern.

Schuld.

"Einer der Jungs, die mit dir hier gewohnt haben?", frage ich leise und lege instinktiv meine Hand Trost spendend auf seinen Arm, ehe ich mit sanften Berührungen mit meinen Fingerspitzen auf und ab fahre.

"Er war einer meiner längsten Freunde", bestätigt er meine Frage nach einer Weile voller Stille.

"Vor einigen Monaten ist seine Frau bei der Geburt seiner Tochter gestorben. Polly ist jetzt eine Weise."
Ich höre ihm zu und sage nichts dazu, während ich realisiere, wer vorhin mit Polly gemeint war.

Es ist ein seltsames Gefühl, mit einem Mann in einem Bett zu liegen, der alles von dir weiß, während du rein gar nichts über ihn weißt, doch irgendwie fühlt sich seine Nähe beruhigend und sicher an.

Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, dass ich viel zu schnell entspannt und dann in seinen Armen eingeschlafen bin.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt