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"Wie heißt du?"
Ziemlich erschrocken drehe ich mich um und sehe das kleine Mädchen an, welchem ich unter keinen Umständen begegnen wollte.

Schon gar nicht in solch einem Aufzug.

Wenn Nathaniel eben sie meinte, wovon ich gerade mal ausgehe, da er den anderen Leuten immerhin gewisse Aufgaben erteilt hat, dann hat sie ihn ganz schön ausgetrickst.

Nicht, dass es nicht schon schlimm genug wäre, dass ich mich in dem Haus ihres Vaters befinden, welchen ich mit eigenen Händen umgebracht habe.

Nein, sie muss auch noch von alleine auf mich zukommen und ein Gespräch mit mir beginnen.

Wie glücklich ich doch bin.

"Ich bin dir bisher aus gutem Grund aus dem Weg gegangen, Mariposa", sage ich und schiebe mir eine Haarsträhne hinter das Ohr, ehe ich wieder nach vorne sehe.

Auch, wenn ich weiß, dass sie seine Tochter ist, kann ich es einfach nicht übers Herz bringen, mir irgendeine Information über sie zu beschaffen, oder ihr einfach nur in die Augen zu sehen.

Ich kenne nicht einmal ihren Namen und irgendwie hoffe ich, dass es auch dabei bleibt.

Meine Arme verschränke ich vor der Brust und starre von meinem Platz aus direkt zur Arbeitsfläche, auf welcher mein unfertiges Frühstück auf Nathaniels Rückkehr wartet.

"Wieso nennst du mich so? Was bedeutet das?"
Laut seufze ich auf und drehe mich wieder zu ihr um, ehe ich mich von meinem Hocker erhebe, mich zu ihr herunter lehne und mich dann vor sie Knie.

"Das ist Spanisch und bedeutet Schmetterling. Ich nenne dich so, weil du versucht hast, einen Zitronenfalter zu fangen, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Es ist wirklich nichts Persönliches, aber trotzdem versuche ich, unseren Kontakt auf das mindeste zu beschränken, also wäre es nicht von Vorteil, wenn ich dir meinen Namen verraten würde. Jetzt geh wieder spielen, Mariposa."
Ihre Augen liegen gespannt auf meinen, doch sie rührt sich nicht.

Ich will nicht gemein auf sie wirken, aber ich ertrage es nicht, ihr ins Gesicht zu blicken.

Normalerweise hätte ich angenommen, sie würde zumindest ein wenig Erfahrung mit ihrer Sprache haben, doch wie mir scheint, hat sie keinen blassen Schimmer und keinerlei Erfahrungen mit dem Sprechen ihrer eigenen Sprache.

Auch, wenn ich gebürtige Italienerin bin, ist es in meinem Leben immer nur von Vorteil gewesen, beide Sprachen zu sprechen.

So konnte ich schon einige Dinge erfahren, ohne dass Leute überhaupt wussten, dass sie mir in meiner eigenen Anwesenheit ihre Pläne verraten haben.

"Wie heißt du?", fragt sie ein weiteres Mal, was mich schon fast verzweifelt den Kopf nach hinten werfen lässt.

Nathaniel hat mich damals hier her geschliffen, hat mich förmlich dazu angebettelt, hier zu bleiben, wo er mich im Blick behalten kann und trotzdem hat er wahrscheinlich nicht über die Folgen nachgedacht.

Um ehrlich zu sein, kann ich in meiner momentanen Situation ganz gut darauf verzichten, den zurückgebliebenen Verwandten meiner Opfer über den Weg zu laufen.

Vor allem, wenn es ein Kind ist.

Schließlich gebe ich trotzdem, in der Hoffnung darauf, dass sie mich in Ruhe lässt, einfach nach und sehe die kleine mit dem hellen Haar an.

"Amara."
Unbeschreiblich begeistert reißt sie die Augen weit auf und wirkt plötzlich total aufgewühlt.

"Wie die Göttin des Lebens?", fragt sie so energisch, dass es mich zum Schmunzeln bringt.

Niemand, der je meinen Namen gehört hat, hat so darauf reagiert, also nicke ich schmunzelnd.

"Ganz genau", gebe ich zurück und vergesse für den Bruchteil einer Sekunde, dass es ironisch ist, so genannt worden zu sein, wenn ich das Leben von mehreren Menschen beendet habe.

Das ihres Vaters eingeschlossen.

Sie sieht mich staunend und fasziniert zugleich an und wirkt so, als wolle sie jedes kleinste Detail über mich erfahren.

Jeder in ihrer Familie hat diese einzigartige Schönheit, die man mit der eines Gottes vergleichen könnte, doch nun diesen kleinen Engel vor mir stehen zu haben, lässt mich das erst wieder realisieren.

Sie hat dunkelblondes und gleichzeitig helles Haar, während ihre Augen in ein atemberaubendes Meeresblau getränkt sind.

Domenico hatte dieselben Augen, doch die Haarfarbe, hat die kleine eindeutig von ihrer Mutter.

Sie greift zögerlich nach einer Strähne meines langen Haares und lässt sie sich durch die Finger rinnen, als wäre ich ihre Faszination wert.

Ihre Reaktion wirkt auf mich, als würde sie wirklich davon ausgehen, dass ich eine Göttin sei.

Wäre ich eine Göttin, dann wäre ich bloß eine, die Unheil und Tod bringt.

Und solche Götter sind bekanntlich nicht gerade beliebt.

Bloß nützlich, wenn es den Menschen um Rache geht.

"Hast du Nathaniel ausgetrickst?", frage ich, was sie mit dem kleinen Kopf nicken und leicht darüber schmunzeln lässt.

"Ab und zu, ist mir total langweilig, also schaue ich, was Onkel Nathan macht. Er mag es aber nicht, wenn ich zuhöre, wie er mit anderen Leuten spricht. Er sagt, es wäre manchmal nicht für meine kleinen Ohren bestimmt", murmelt sie traurig und gleichzeitig mit meinem Haar spielend.

"Aber wenn Mama und die anderen immer weg sind, versuche ich meine Zeit so zu verbringen, dass ich mich nicht langweile. Onkel Nathan ist derjenige, der am meisten zu Hause ist. Und Freunde habe ich keine, weil ich hier zu Hause unterrichtet werde und auch nicht mit Polly spielen darf. Alle sagen, sie ist zu jung, um mit mir zu spielen", beschwert sie sich.

Ich habe zwar keine Ahnung, wer Polly ist, aber wenn die Kleine meine Tochter wäre, würde ich sie auch nicht wirklich gerne in diese absurde Welt bringen wollen.

"Tut mir leid, Mariposa, aber ich bin auch keine Person, mit der du dich abgeben solltest. Um ehrlich zu sein, bin ich ein ziemlich böser Mensch, also geh einfach wieder spielen, in Ordnung?"
Sie sieht mich traurig an, doch ich versuche so ernst zu bleiben, wie es mir in diesem Moment möglich ist.

Ich kann nicht nachgeben und erklären kann ich einem kleinen Kind auch nicht, dass ich ihren Vater ermordet habe.

Weiterhin traurig beginnt sie zu nicken, dreht sich um und trottet bedrückt davon.

Als sie gerade die Küche verlässt, kommt Nathaniel gerade wieder hinein und sieht sie mahnend an, ehe er ihr einen kleinen Vortrag hält und sie dann in ihr Zimmer schickt.

Er kann wirklich gut mit Kindern.

Nicht einmal, wenn er dem Kind einen Vortrag hält, wirkt er zu streng.

Er wirkt ausgeglichen.

Und attraktiv...

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt