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Es ist heute schon das zweite Mal, dass ich zu Nathaniel stoße, weil ich mit ihm reden möchte.

Doch anders, als es vorhin der Fall war, sitzt er dieses Mal nicht auf dem Bett und ist auch sonst in Schlafzimmer nicht zu sehen, also gehe ich hinüber ins Badezimmer.

Als ich das Bad betrete, kann ich gerade noch sehen, wie Nathaniel sich etwas Wasser in sein Gesicht wirft und den Wasserhahn dann abstellt, nur um sich im Endeffekt mit beiden Händen am Waschbecken abzustützen.

Seine Schultern wirken angespannt und seine Augen sind geschlossen, während er eine leidende Miene aufgesetzt hat.

Ob ich überhaupt wissen möchte, was gerade so durch seinen Kopf geht?

Verdammt langsam gehe ich auf ihn zu und versuche keinen Ton von mir zu geben, weil er mich bis jetzt noch nicht bemerkt zu haben scheint.

Direkt hinter ihm bleibe ich stehen und schlinge meine Arme um seinen Körper, nur um mich dann an ihn zu drücken.

"Léon hat es erklären müssen", gebe ich mit leiser Stimme zu und wünschte, ich müsste es nicht tun.

Ich wünschte, ich hätte es von Anfang an verstanden und wäre nicht so dumm gewesen.

"Léon wird sterben, sobald er mir das nächste Mal unter die Augen kommt", murmelt er mit tiefer und belegter Stimme, als hätte er gerade keine Kraft mehr dazu, sich überhaupt noch anzustrengen, um auch nur ansatzweise normal zu klingen.

"Damit meinte ich, dass ich es nicht verstanden habe, Nathaniel. Ich war dumm."
Er lacht humorlos auf.

"Dein erster Gedanke war, diesen Rico um Hilfe zu bitten, also kann ich dir dieses Mal nicht widersprechen", sagt er mit seiner dunklen Stimme, sodass ich mich sofort noch schlechter fühle.

Mir war nicht einmal aufgefallen, dass so offensichtlich gewesen ist, was ich als allererstes darüber gedacht hatte.

Frustriert lasse ich meine Stirn an seinen muskulösen rücken fallen und atme tief ein.

"Es tut mir leid", gebe ich schließlich zu, weil es definitiv der Wahrheit entspricht.

Seit ich Nathaniel kennengelernt habe, habe ich ihn ständig infrage gestellt und nie in Betracht gezogen, dass er nur das Beste für mich will, weil er mich tatsächlich liebt.

Und vielleicht war das bisher immer so, weil es so unsinnig auf mich gewirkt hat.

In meinen gesamten Leben habe ich nie wirkliche Liebe erlebt und muss daher erst einmal richtig damit klarkommen, dass es überhaupt möglich ist, mich zu lieben.

"Ich kann nicht", murmelt er so leise, dass ich es beinahe nicht verstanden hätte, doch als ich realisiere, was er gerade gesagt hat, hebe ich den Kopf an und sehe über seine Schulter hinweg in den Spiegel vor ihm.

Er hat den Kopf gesenkt und sieht in das Waschbecken, als wäre er nicht dazu in der Lage, seinen Kopf aufrecht zu halten.

"Wenn du mich nicht heiraten kannst, ist das in Ordnung. Ich werde bestimmt..."

"Ich kann dir die bitte nicht ausschlagen", unterbricht er mich mit fester Stimme und hebt schließlich den Kopf an, sodass wir einander durch den Spiegel in die Augen sehen können.

"Selbst, wenn du mir dadurch die Möglichkeit nimmst, das ganze richtigzumachen, könnte ich dir diese bitte niemals ausschlagen. Du verdienst es, endlich mal zu gewinnen. Und ich könnte niemals dabei zusehen, wie du einen anderen Mann heiratest. Nicht einmal, wenn es nur für den Schein ist."
In meinem Hals bildet sich ein riesiger Kloß.

Passionate VengeanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt