In seiner nächsten Mittagspause erzählte Harry seinem Freund, wie sehr er den gestrigen Abend genossen hatte.
Er erzählte ihm von den Kerzen und Lichtern in der Bibliothek, von dem guten Rotwein und von Louis' Vorschlag, ihn seinen Eltern vorzustellen.
Besonders Letzteres verwunderte Niall tatsächlich.
Louis ließ sich kaum in die Karten schauen.
Von niemandem.
Doch er schien nach so kurzer Zeit von Harry so überzeugt gewesen zu sein, dass er ihm einen verletzlichen Punkt anvertraute: seine Familie.
Die ganze Nacht hatte Harry darüber nachgedacht, was das wohl für Leute waren.
Ob sie auch so lebten wie Louis, der manchmal wirkte, als wäre er einer anderen Zeit entsprungen.
„Na, siehst du", riss Niall ihn aus seinen Gedanken und grinste. „Ich hab' dir doch gesagt, er meint es ernst mit dir."
Ein ehrliches Lächeln fand sich auf den Lippen seines besten Freundes.
Ja, wahrlich, er hatte ein gutes Gefühl bei dieser Sache.
Er wusste Harry in guten Händen.
Ganz im Gegenteil zu damals, als er eine Affäre mit Jack hinter dem Rücken von dessen Frau geführt hatte.
Doch Harry war verliebt, und er genoss dieses Gefühl, die Schmetterlinge, das Kribbeln in seiner Bauchgegend. Die Aufregung, die sich in seinem gesamten Körper ausbreitete, selbst wenn er nur für einen einzigen Moment an Louis dachte.
Am Nachmittag schließlich war Harry auf dem Weg zu seinem Nachmittagskurs.
Eigentlich hätte er gut und gerne auf diesen verzichten können.
Er hatte mehr als genug Klassenarbeiten zu korrigieren und wusste, dass die Frist, sie wieder herauszugeben, fast verstrichen war.
Aber dieser Kurs war anders.
Denn dies war der Kurs, in dem Harry ‚Ephemeral' behandelte.
Tatsächlich hatte er es geschafft, die Schüler für das Projekt zu begeistern.
Nicht, weil er ein sonderlich guter Motivator war, sondern weil das Buch einfach jeden zu fesseln schien, der es ausschlug.
Abgesehen davon natürlich, dass er eine Abschlussklasse unterrichtete und diese ihre mündlichen und schriftlichen Noten um jeden Preis verbessern wollten.
Die Anonymität des Autors sorgte noch für den restlichen Nervenkitzel.
Also besprach er mit seinen Schülern die ersten Kapitel.
„Der Protagonist Danny findet also eine Kiste mit uralten Briefen auf dem Dachboden", leitete er ein. „Nach dem Tod seiner Urgroßeltern möchte er deren Haushalt auflösen und überlegt für einen Moment, die Bücher wegzuwerfen."
Ein Nicken ging durch die Reihen.
„Schließlich entscheidet er sich dagegen und liest jeden einzelnen von ihnen", gab Harry wieder. „Sie reichen zurück bis ins Jahr 1914. Wer kann mir sagen, was an diesem Jahr so besonders war?"
Eine Schülerin meldete sich, und Harry hätte sie am liebsten ignorieren. Natürlich war es diejenige, die ihm ständig Avancen machte und ein Nein einfach als solches nicht akzeptieren konnte.
Da sich leider sonst niemand meldete, musste er sie aufrufen.
„Der erste Weltkrieg hat in diesem Jahr angefangen", erklärte sie, und der Rest der Klasse nickte.
„Richtig", lobte Harry, obwohl es ihm widerstrebte und sah einmal in die Runde. „Und wie ihr im Prolog und den ersten Kapiteln sicher gelesen habt, ging es um einen Soldat an der Westfront, der sich damals in eine junge Französin verliebt hatte."
Er machte einen Moment Pause, um ein Glas Wasser trinken zu können. „Und so beginnt eine Liebesgeschichte, die durch unendlich viele Briefe unsterblich gemacht wurde."
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Hallo meine Lieben🥰🤍
Hier etwas leichtere Kost als bei "Pearl Harbor"...🤍
Mich würden eure Vermutungen interessieren: Was denkt ihr, wie wird es weitergehen?🤍All the love,
Helena xx

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The Writer
Fiksi PenggemarIn seinem Beruf als Lehrer hat Harry bereits einige Bücher gelesen, die ihn berührt haben. Trotz allem hat ihn nie ein Werk auf die gleiche Art und Weise gefesselt, wie ein Roman mit dem Titel 'Ephemeral' - doch der Autor des Buches bleibt ein Rätse...