Die beiden Männer schlossen die Tür hinter sich und ließen sich nebeneinander auf dem Sofa nieder.
Louis griff nach Harry's Hand und sah ihm schuldbewusst in die Augen.
„Es tut mir leid", murmelte er. „Ich habe mich aufgeführt, wie ein Idiot."
„Allerdings", gab Harry trocken zur Antwort.
„Ich hätte einfach mit dir zu dieser verdammten Lesung gehen sollen."
„Warum hast du es dann nicht getan?", wollte Harry wissen. „Was genau ist es, das dich die Nerven verlieren lässt, sobald dieses Buch im Spiel ist?"
Ein tiefes Seufzen drängte sich aus Louis' Brust, als er über eine passende Antwort nachdachte.
Eigentlich wäre jetzt einer der Zeitpunkte, an denen sich die Gelegenheit bot, Harry reinen Wein einzuschenken. Ihm die Wahrheit zu erzählen.
Aber er würde wütend auf ihn sein, verständlicherweise.
Er selbst wäre doch auch enttäuscht gewesen.
Aber er konnte ihn nicht verlieren.
Harry war sein Seelenverwandter. Er war der Mensch, den er am meisten liebte, für den er alles getan hätte.
Viel zu groß war seine Angst, dass er den richtigen Moment schon längst verpasst hatte.
Immerhin führten sie diese Beziehung nicht erst seit zwei Wochen.
Nach so langer Zeit hätte eine gewisse Vertrauensbasis vorhanden sein müssen, und das war sie auch - das Einzige, was ihn zurückhielt, war seine Angst.
„Ich habe in meinem Leben schon so viele Bücher geschrieben und sie ausnahmslos anonym veröffentlicht", erklärte er also. „Und das hatte gute Gründe."
Irritiert zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Welche denn?"
Louis zuckte die Schultern. „Weißt du... Wenn ein Buch richtig erfolgreich ist, gerät der Autor sofort in den Fokus der Leser. Ich möchte das nicht. Ich möchte nicht, dass mein Privatleben in der Öffentlichkeit breitgetreten und kritisiert wird. Und ich möchte auch nicht, dass dieser ständige Druck auf mir lastet, weil die Leser ständig mehr wollen und nach mehr verlangen. Das hemmt meine Kreativität und widerspricht meiner Vorstellung des Lebens an sich."
Einen Moment lang herrschte Stille zwischen den beiden Männern.
Harry wusste offen gestanden nicht, was er dazu sagen sollte.
Natürlich war die Argumentation irgendwie nachvollziehbar, vor allem wenn man Louis und dessen Lebensführung kannte.
Er war kein großer Fan übermäßiger Aufmerksamkeit und hielt sich lieber im Hintergrund auf.
Er war ein sehr introvertierter Mensch, vor allem denjenigen gegenüber, die er noch nicht so gut kannte.
Harry war der erste, der seine Sprache wiederfand. „Warum habe ich noch nie etwas von dir lesen dürfen?"
Louis zuckte die Schultern. „Du hast nie gefragt", antwortete er. „Oder vielleicht hast du das ja bereits und weißt es schlicht nicht..."
Harry presste nachdenklich die Lippen aufeinander. „Dürfte ich ein paar deiner Manuskripte lesen?"
Louis spürte, wie sein Herz ihm plötzlich bis zum Hals schlug.
Nervosität ergriff Besitz von jeder einzelnen Zelle in seinem gesamten Körper.
Ob das wirklich eine so gute Idee war...?
Andererseits ... Wenn er Harry nicht vertrauen konnte, wem dann?
Er musste irgendwann einmal irgendwo anfangen.
Wie sollte diese Beziehung funktionieren können, wenn er nichts von all dem, was er so sehr liebte, mit ihm teilte? Aus der Angst heraus, es könnte ihm nicht gefallen? Oder aus der Angst heraus, er könnte nicht für sich behalten, was er da gelesen hatte?
Er musste über seinen Schatten springen, und das wusste er auch.Also seufzte er einmal tief auf, bevor er antwortete. „Ich habe sie noch nie jemandem außerhalb des Verlages gezeigt", gestand er. „Aber ... Ich vertraue dir. Bitte enttäusch' mich nicht."
Irritiert legte Harry den Kopf schief. „Was denkst du, wer ich bin? Ein Spion?"
Nun mussten beide Männer lachen.
Die Stimmung lockerte sich langsam.
„Nein", antwortete der Autor schließlich. „Aber ich muss mich auf dich verlassen können."
„Das kannst du", versprach Harry. „Und das weißt du auch."
Ein Lächeln fand sich auf Louis' Lippen wieder.
Eigentlich hatte er ja Recht.
Natürlich wusste er, ganz tief in seinem Inneren, dass er ihm zu einhundert Prozent vertrauten konnte.
Aber er hatte immer dieses winzig kleine Restrisiko im Kopf, dass das ganze ihm um die Ohren fliegen könnte.
„Aber eine Frage habe ich noch", sagte Harry schließlich. „Was hat das Ganze mit Ephemeral zu tun?"
Louis presste die Lippen zusammen und spürte, wie sein Herz begann, zu rasen.
„Autoren, die ihre Werke anonym veröffentlichen, haben einen guten Grund dafür. Ich finde, das sollte man respektieren. Nicht mehr und nicht weniger."
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Hallo meine Lieben und einen schönen Freitagabend!🤍
Bin gespannt, eure Meinungen zu dem Kapitel zu hören.🥰
Was sagt ihr zu dem Gespräch zwischen den beiden?
Das nächste Kapitel gibt es wie gewohnt am Donnerstag.🤍UND:
Auf PummelHummelFeen gibt es von Sara und mir ab heute Abend ein neues Buch mit dem Titel "I don't think so" zu lesen - schaut gern mal vorbei!🤍
All the love,
Helena xx
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The Writer
FanfictionIn seinem Beruf als Lehrer hat Harry bereits einige Bücher gelesen, die ihn berührt haben. Trotz allem hat ihn nie ein Werk auf die gleiche Art und Weise gefesselt, wie ein Roman mit dem Titel 'Ephemeral' - doch der Autor des Buches bleibt ein Rätse...