16. Die Stadtbibliothek

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Zwar hatten Harry und Louis erst für Freitag wieder verabredet, doch der Lehrer hatte sich vorgenommen, ihm einen Besuch auf der Arbeit abzustatten.

Schließlich wollte er ohnehin für Recherchezwecke in die Bibliothek und konnte so seine Nachforschungen mit einem Überraschungsbesuch verbinden.

Er freute sich, Louis wiederzusehen.

In den letzten Tagen hatte er an nichts anderes mehr denken können. Nichts anderes hatte mehr Platz in seinen Gedanken und er fühlte sich, als wären alle unangenehmen Dinge plötzlich viel angenehmer zu ertragen.

Nichts schien ihn mehr zu stören.

Die Welt schien plötzlich viel farbiger zu sein, viel mehr Silhouetten zu haben.

Im Grunde genommen war das Leben mit einem Mal viel schöner zu sein.

Das Kribbeln in seiner Bauchgegend, das ihn mit jedem Gedanken an Louis begleitete, erinnerte ihn stetig daran, wie glücklich er eigentlich war.

Nichts und niemand hätte ihm diese Glückseligkeit wieder nehmen können, dem war er sich ganz sicher. Denn plötzlich schien alles seinen Platz im Leben gefunden zu haben.

Als er die Bibliothek betrat, war es, als hätte er die hektischen Geräusche der Innenstadt ausgesperrt.

Harry wunderte sich darüber, wie lange er eigentlich schon nicht mehr hier gewesen war. Das letzte Mal musste im Studium gewesen sein, als er sich für sein letztes Examen belesen hatte.

Die hohen Decken und die Galerie, die bis oben hin mit Bücherregalen bestückt war und der Geruch nach altem Papier ließen ihn zusammen mit der ruhigen Atmosphäre einen Moment lang innehalten.

Es war, als hätte die Welt für ein paar Momente Pause gemacht.

Louis staunte nicht schlecht, als er Harry plötzlich am Tresen stehen sah.

Er hatte gerade unter der Kasse nach Ersatzpapier gesucht, als er aufstand und die Rolle erschrocken fallen ließ, weil sein Freund ihm beinahe einen Herzinfarkt beschert hätte.

Louis atmete erleichtert auf, als er in Harry's Gesicht blickte. „Willst du mich umbringen?"

Harry grinste und drückte seinem Freund einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken."

„Was machst du denn hier?", wollte Louis flüsternd wissen, obwohl außer ihnen niemand hier war.

Die meisten Studenten kamen erst nach ihrer Mittagspause, um sich Bücher auszuleihen oder direkt vor Ort zu lernen, wenn sie in der Bibliothek ihrer Universität nicht die passende Lektüre hatten finden können.

Trotzdem schlich sich Vorfreude in seine Mimik, die seine Wangen rötete.

Harry grinste. „Ich habe ein paar Nachforschungen zu machen", erklärte er. „Ich dachte, die Stadtbibliothek wäre der perfekte Ort dafür."

Ein Lächeln legte sich auf Louis' Lippen. „Fleißig wie immer", zwinkerte er. „Worum geht es denn?"

„Ich habe Gerüchte gehört, nach denen die Briefe aus Ephemeral tatsächlich existiert haben könnten", erzählte Harry und konnte es kaum erwarten, sich zwischen uralte Dokumente zu wälzen. „Außerdem sagt man, der Autor könne aus London stammen."

Louis' Lächeln wurde schwächer, doch er ließ sich nicht viel anmerken, wodurch Harry zuerst gar nicht bemerkte, dass er mit sich kämpfte.

„Ich glaube nicht, dass du hier in der Bibliothek fündig werden wirst..."

„Wie kommst du darauf?"

„Glaub mir, das wüsste ich", antwortete Louis kühl. „Zumindest, wenn die Briefe oder irgendwelche anderen Dokumente hier wären."

„Ich würde trotzdem gerne nachsehen", beharrte Harry.

Louis' Fassade wirkte plötzlich sehr kühl, in seinem Inneren allerdings brannte ein Feuer. „Denkst du nicht, der Autor hatte seine Gründe, anonym zu bleiben?"

Harry, der irritiert war von Louis' plötzlichem Stimmungsumschwung, sah ihn irritiert an. „Ich möchte es doch nur für mich selbst herausfinden..."

„Das wirst auch auch noch", entgegnete Louis, „Und zwar dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen und er soweit ist."
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Einen schönen Samstagabend wünsch ich euch!🤍
Könnt ihr Louis verstehen oder eher nicht?🥺🤍

All the love,
Helena xx

The WriterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt