Am Abend entschlossen Niall und Harry sich, den Tag bei einem Spaziergang ausklingen zu lassen.
Das große Kloster war umgeben von Wäldern und unzähligen, kleinen Wanderwegen.
Der Tag neigte sich dem Ende zu, und trotzdem schien die Sonnen noch kräftig zwischen den Baumwipfeln hindurch und malte die Schatten der Bäume in sanftem Grau auf den Waldboden.
Harry zog seine Jacke weiter zu, als ein kühler Windstoß ihn frösteln ließ.
Draußen wurde es langsam kälter.
Er vergrub die Hände tief in seinen Taschen, während sie in zügigem Tempo einen der Spazierwege entlanggingen. „Hast du eigentlich schon etwas von Mary gehört?"
Niall lächelte und nickte. „Natürlich", gab er zur Antwort. „Zu Hause ist alles in Ordnung. Ihr und den Kindern geht es gut – ich bin ja nur für eine Woche weg."
Harry lächelte. „Das ist doch schön zu hören."
„Allerdings", pflichtete Niall ihm bei. „Ich würde nicht mit ihr tauschen wollen."
„Das glaube ich dir gern", kicherte Harry und stellte sich einen Moment lang vor, wie es wäre, einen Alltag allein mit zwei Kleinkindern zu führen.
Vermutlich wäre er längst reif für eine Therapie gewesen.
Mary hingegen liebte das, was sie tat – und sie machte ihre Sache als Mutter verdammt gut.
Niall hatte großes Glück, und das wusste er auch.
Genau, wie Harry es wusste.
Manchmal gab es Tage, an denen er sich auch nach einem solchen Leben sehnte.
Vielleicht nicht unbedingt mit Kindern – aber mit einem Partner an seiner Seite, auf den er sich verlassen, und dem er vertrauen konnte.
Aber so einfach war das alles leider gar nicht.
Niall bemerkte den niedergeschlagenen Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes. „Hey", sagte er tröstlich und legte ihm brüderlich die Hand auf die Schulter. „Jetzt mach dir nicht so viele Gedanken. Nur, weil die Sache mit Nick schiefgelaufen ist, bedeutet das ja nicht, dass es immer so weitergehen muss."
Harry hätte am liebsten laut losgeschrien.
Niall kannte ihn einfach viel zu gut.
Er sprach nicht gern über das Thema.
Nick war einer der Lehrer in seinem Kollegium.
Eigentlich war er auch verheiratet und hatte zwei kleine Kinder.
Nachdem sie monatelang miteinander geschlafen hatten, war es schließlich zu der einzig logischen Konsequenz gekommen: Nick hatte Harry völlig unerwartet fallen gelassen – mit der Begründung, ihm sei plötzlich klargeworden, dass er seine Frau noch liebe.
Harry hatte diese Sache schwer getroffen, immerhin hatte er damals bereits tiefe Gefühle für Nick entwickelt, und obwohl Niall ihn immer vorgewarnt hatte, traf ihn dieses Ende wie ein Schlag in die Magengrube.
Für ihn kam die Trennung aus dem Nichts.
Harry hatte Nick jeden Tag sehen müssen.
Und jeden Tag hatte er so tun müssen, als wäre nie etwas gewesen, als wäre nichts passiert, als wäre es keine Qual für ihn, jeden verdammten Tag auf den Mann zu treffen, der ihm sein Herz gebrochen hatte.
Nick verhielt sich ihm gegenüber, als würden sie sich kaum kennen, wechselte nur die nötigsten Worte mit ihm und machte ihm somit unmissverständlich klar, dass die Sache vorbei war. Dass auch keine Hoffnung mehr darauf bestand, dass sich die Dinge irgendwann wieder ändern würden.
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The Writer
FanficIn seinem Beruf als Lehrer hat Harry bereits einige Bücher gelesen, die ihn berührt haben. Trotz allem hat ihn nie ein Werk auf die gleiche Art und Weise gefesselt, wie ein Roman mit dem Titel 'Ephemeral' - doch der Autor des Buches bleibt ein Rätse...