46. Ja, er ist bei mir

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Als Mary eine Stunde später nach unten kam, fuhr sie sich verschlafen durch die Haare und griff sich eine Kaffeetasse.

„Schlafen die Kinder noch?", erkundigte Niall sich, bevor er ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte.

„Ja", gab die junge Mutter zur Antwort. „Vermutlich aber nicht mehr lange. Hanna hat-"

Sie brach abrupt ab, als sie Harry auf dem Sofa liegen sah, vor ihm der mittlerweile ausgewaschene Eimer.

Ihr irritierter Blick wanderte zu ihrem Mann, der ein tiefes Seufzen aufstieß.

„Er stand um sieben Uhr Morgens sturzbetrunken vor der Tür und war sauer, weil ich mit Louis gesprochen habe", erklärte er, und irgendwie musste er mittlerweile zugeben, dass er ihn ein Stück weit verstehen konnte. „Irgendwann ist ihm schlecht geworden und ich habe ihn ein wenig schlafen lassen."

Mary beobachtete ihren Freund einen Moment lang, wie er da auf ihrem Sofa lag, erschöpft und reglos. „Was ist denn passiert?"

„Er hat sich mit Louis gestritten", antwortete Niall. „Du weißt schon, wegen der Sache mit dem Buch. Jetzt ist er natürlich der festen Überzeugung, dass die Liebe ohnehin keinen Sinn hat, zumindest, solange er betrunken ist. Vielleicht sieht er die Dinge etwas anders, wenn er wieder nüchtern ist."

Mary schüttelte den Kopf. „Ich kann ihn verstehen. Ich wäre auch enttäuscht gewesen."

„Er ist nicht einfach nur enttäuscht", betonte Niall und fuhr sich über das Gesicht. „Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los war. Nach Louis' Aktion und dem vielen Alkohol kamen natürlich einige unschöne Dinge hoch."

„Der Tod seiner Mutter", schlussfolgerte Mary und setzte sich betreten an die Küchentheke.

Niall nickte. „Das war zu erwarten."

Mary legte ihren Blick mitleidig auf Harry. „Der arme Kerl."

„Mary...", begann Niall und sah seiner Frau bittend in die Augen. „Denkst du, du könntest heute mit den Kindern zu einer Freundin fahren? Du weißt schon, damit Harry sich ordentlich ausschlafen und ich noch einmal in Ruhe mit ihm reden kann."

Sie lächelte ihren Mann an und zog ihn ein Stück näher an sich. „Kein Problem", flüsterte sie und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen.

Niall lächelte erleichtert und legte eine Hand an ihre Hüfte, um sie ein Stück näher zu ziehen. „Danke", murmelte er. „Er muss erst einmal seinen Rausch ausschlafen."

„Allerdings", stimmte sie ihm zu. „Du bist ein guter Freund, Niall."


Als Mary schließlich mit den Kindern aus dem Haus war, sah Niall noch einmal nach Harry.

Er schlief unruhig, aber er schlief.

Die schulterlangen Locken hingen ihm tief ins Gesicht und seine Hände waren kalt.

Niall deckte ihn weiter zu, strich ihm das Haar aus dem Gesicht und versuchte schließlich, sich mit einem Teil des Haushalts abzulenken.

So hatte er Harry zumindest immer im Blick.

Dann klingelte plötzlich sein Telefon.

Niall war nicht überrascht, Louis' Name auf seinem Display zu lesen. Er hatte mit diesem Anruf gerechnet.

Als er abhob, war der junge Mann ganz aufgelöst. „Niall", rief er aufgebracht ins Telefon. „Gut, dass ich dich erreiche. Harry muss mitten in der Nacht abgehauen sein, und ich kann ihn nicht erreichen. Ist er vielleicht bei dir?"

„Ja, er ist bei mir", beschwichtigte er ihn und verließ den Raum, um Harry nicht zu wecken. „Seit sieben Uhr, um genau zu sein. Er schläft gerade seinen Rausch aus."

The WriterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt