24. Ich möchte das auch

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Mitten in der darauffolgenden Samstagnacht lag Louis gedankenverloren in Harry's Armen und fuhr mit den Fingerspitzen sanft über dessen nackte Brust.

„Es tut mir so unwahrscheinlich leid", sagte er zu ihm, seit dem vergangenen Montag, bestimmt schon zum zehnten Mal.

Harry schüttelte den Kopf und lächelte seinen Freund seufzend an. „Du kannst nichts dafür."

Obwohl, oder gerade weil die Reaktion seines Vaters Louis so wenig überraschte, fühlte er sich für die Situation mitverantwortlich.

Er hätte sich eigentlich denken können, wie das Ganze ausging.

„Kannst du nicht einfach die Schule wechseln?"

Harry stöhnte, war er diese Idee doch schon mehrfach selbst durchgegangen. „Das müsste ich erst beantragen", antwortete er also. „Und der Antrag würde vermutlich abgelehnt werden. Ich habe keine Frau, keine Kinder, kein Haus, oder irgendetwas, was eine Versetzung an eine andere Schule rechtfertigen würde."

Grinsend strich Louis ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. „Ich könnte doch vorgeben, deine Frau zu sein."

Nun konnte Harry sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. „Ja, klar", gab er ironisch zurück. „Das fällt sicher nicht auf."

Louis räusperte sich und reichte Harry seine Hand. „Darf ich vorstellen?", fragte er mit einer unnatürlich hohen Stimme. „Louisa."

Harry warf den Kopf in den Nacken und kicherte. „Täuschend echt."

Louis, der sich ansonsten immer betont geordnet und höflich zeigte, war selbst überrascht von seiner witzigen Seite, die er eigentlich nur Liam gegenüber zeigte.

Er spürte, dass er Harry vertrauen konnte.

Dass Harry für ihn jemand ganz besonderes war.

Schließlich aber wurde seine Miene wieder ernst, geradezu frustriert. „Soll ich nochmal mit ihm reden?"

Harry verneinte sofort. „Ich bin froh, wenn er mich nach dieser Aktion nicht rauswirft."

Ein verächtliches Schnauben drängte sich aus Louis' Brust. „Eigentlich kann er froh sein, wenn du nicht abhaust."

Harry zog die Augenbrauen nach oben und überlegte einen Moment lang.

Eigentlich hatte Louis Recht.

Mehr als das.

Eigentlich hätte er längst kündigen und sich etwas Neues suchen müssen.

Doch wählen konnte man nur, wenn man eine Alternative hatte.

Und das war als Lehrer nicht ganz so einfach.

„Ich hätte mir denken können, dass du von meinem Vater redest", sagte Louis da plötzlich. „Niemand ist jemals gut genug für ihn."

Harry bemerkte, dass Louis nachdenklich wurde und beschloss, sich langsam an die Sache heranzutasten. „Was meinst du damit?"

Resigniert zuckte Louis die Schultern. „Du willst gar nicht wissen, wie viele Stunden ich als Kind damit verbracht habe, zu versuchen, ihm zu genügen."

Der junge Lehrer schluckte. Irgendwie wusste er plötzlich nicht mehr, was er sagen sollte.

Es überraschte ihn – genau wie Louis – nicht im Geringsten, und trotzdem war er nicht darauf gefasst gewesen.

„Was hat er denn von dir erwartet?", wollte er schließlich wissen.

„Alles", gab Louis zur Antwort. „Beste Noten, fehlerfreies Klavierspielen, stundenlanges Lernen, ein Medizinstudium und natürlich in keinem Fall Zeitverschwendung, beispielsweise in Form von Spielen mit Freunden."

The WriterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt