48. Er würde so etwas niemals tun

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Zwei Tage später atmete Harry erleichtert auf, als ihn die Schulklingel an diesem Montag endlich von dem Geschichtsunterricht in seiner Abschlussklasse erlöste.

Nicht, dass er sonderlich gerne zum zehnten Mal versuchte, einer Gruppe pubertäter Jugendlicher etwas über die französische Revolution zu erzählen - aber manchmal fragte er sich ernsthaft, ob er in dem Alter genauso schlimm gewesen war.

Dann fiel ihm wieder ein, dass er zusammen mit Niall Kaugummiröhrchen gebastelt und die Lehrer damit in den Wahnsinn getrieben hatte.

Vielleicht sollte er also nicht ganz so hart mit ihnen sein.

Insgeheim freute er sich schon darauf, seinen alten Lehrern beim nächsten Klassentreffen unter die Nase zu reiben, dass sie selbst Lehrer geworden waren und an der selben Schule unterrichteten.

Harry grinste, als er den Flur entlangging und seinen Freund bereits dabei musterte, wie er fluchend sein Klassenzimmer abschloss.

„Hast du ein Problem?", wollte Harry grinsend von ihm wissen.

„Die machen mich wahnsinnig", murmelte Niall und verdrehte die Augen. „Ich hätte Bestatter werden sollen."

„Na, Na", sagte Harry und schüttelte den Kopf. „So schlimm?"

„Die haben mich gefragt, ob ich noch Jungfrau bin", erzählte Niall. „Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder."

Niall blickte seinen Freund irritiert an, konnte sich ein Lachen aber nicht verkneifen. „Ist das nicht die fünfte Klasse?"

„Ja", antwortete Niall. „Das war wohl irgendeine besonders lustige Mutprobe."

Harry grinste. „Hätte ja sein können."

„Halt die Klappe."

Die beiden Männer machten sich auf den Weg nach draußen, und in dem Moment, in dem sie an der Tür ankamen, fuhr eine Polizeistreife vor.

Niall rollte die Augen. „Bitte sag mir, dass da nicht schon wieder irgendjemand auf dem Schulklo Gras geraucht hat."

„Wäre nicht das erste Mal", murmelte Harry.

„Und auch nicht das zweite Mal", fügte Niall hinzu, und gerade als er sich darüber aufregen wollte, dass es eigentlich schon halb zwei war und er keine Zeit für so etwas hatte, kam Arthur in die Aula gehetzt, Evelyn im Schlepptau.

Harry atmete hörbar aus. Die hatte ihm gerade noch gefehlt.

Hatte sie sich nicht eigentlich für heute krankgemeldet?

Insgeheim hatte er sich schon gefreut, ihr Gesicht, und vor allem ihren Ausschnitt heute nicht sehen zu müssen.

Er wollte eigentlich gar nicht wissen, was sie jetzt schon wieder angestellt hatte.

„Gut, dass Sie da sind", wetterte Arthur und sein Kopf sah aus, als hätte er im Hochsommer zu lang in der Sonne gesessen.

Harry zog irritiert die Augenbrauen nach oben, und bevor er zurückkeifen konnte, schnitt Niall ihm das Wort ab. „Warum steht die Polizei vor der Tür?"

Einer der Beamten öffnete die Schultür, sah die drei Lehrer und das junge Mädchen vor sich stehen und blickte sie irritiert an. „Haben Sie uns angerufen?", wollte er von Arthur wissen, als sein Kollege hinter ihm in den Raum trat.

Arthur nickte. „Allerdings", antwortete der Schulleiter. „Sehen Sie, dieses junge Mädchen ist heute Morgen zu mir gekommen, es geht um einen meiner Lehrer."

Niall fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. Er konnte sich ganz genau ausmalen, was das hier für ein Gespräch werden sollte.

„Ist das so?", wollte Harry entnervt wissen, verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand.

The WriterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt