13. Staatsfeind Nummer Eins

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Am nächsten Morgen betrat Harry das Schulgebäude mit dem festen Vorsatz, sich den Tag nicht ruinieren zu lassen.

Immerhin konnte er nicht ewig mit einem unguten Gefühl in der Magengegend zur Arbeit gehen.

Er machte sich wie gewohnt auf den Weg ins Lehrerzimmer und stellte seine Tasche auf seinem Stuhl ab.

Sein Kollege Zayn schien schon eine Weile hier zu sein, der halb leeren Kaffeetasse neben seinen Unterlagen zu urteilen. Er korrigierte die Mathearbeit einer Abschlussklasse.

„Morgen", murmelte Harry, während auch er sich zur Kaffeemaschine umdrehte.

Ansonsten würde aus diesem Tag ohnehin nichts werden.

„Guten Morgen", erwiderte Zayn. „Wie war deine Fortbildung?"

Harry spürte das altbekannte Kribbeln in seinem Bauchraum aufsteigen.

Eine leichte Röte zierte seine Wangen.

Zayn schien das allerdings nicht aufzufallen.

„Anders als erwartet", gab er möglichst beiläufig zurück, als er sich Milch in den Kaffee kippte.

„Doch nicht so schlimm?", hakte Zayn grinsend nach.

Er fuhr sich durch das schwarze Haar und steckte die Kappe auf seinen Stift.

Es war kurz vor Acht.

„Nein, es war eigentlich sogar ziemlich interessant", antwortete Harry. „Der Seminarleiter war wirklich-"

Harry wurde von der Schulklingel unterbrochen, die die erste Stunde ankündigte.

Zayn nickte. „Wir unterhalten uns in der Pause."

Damit war er auch schon zur Tür hinaus.

Harry machte sich widerwillig auf den Weg zu seiner siebten Klasse.

Jeden Montag musste er erneut auf den Stundenplan schauen, weil er sich einfach nicht merken konnte, wo er in der ersten Stunde unterrichten sollte.

Auf halbem Weg kam ihm Arthur entgegen, der vermutlich gerade auf dem Weg in sein Büro war.

Harry unterdrückte den Impuls, einfach weiterzugehen und so zu tun, als hätte er ihn gar nicht gesehen.

„Guten Morgen", murmelte er also, wich seinem Blick aus und ging an ihm vorbei.

Arthur allerdings lächelte ihn freundlich an, und das ließ Harry verdutzt innehalten.

War er etwa krank?

„Wie war die Fortbildung?", wollte er von ihm wissen.

In seiner Stimme fand sich nicht die geringste Spur von Ironie oder einem abschätzenden Unterton.

Harry zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Er zuckte die Schultern und versuchte, sich kurz zu fassen.

„Interessant", sagte er also, „Sehr interessant sogar."

Arthur nickte ihm zu, wie zu einer Bestätigung. „Scheint Ihnen gut getan zu haben."

Mit diesen Worten setzte er seinen Weg fort.

Harry sah ihm verwirrt hinterher und drehte sich langsam wieder um, um den Flur hinunter zu gehen.

Er war sich ziemlich sicher, dass Arthur seine Meinung über ihn nach wie vor nicht geändert hatte.

Entweder er hatte einfach einen guten Tag, oder aber das war eines von seinen seltsamen Psychospielchen, um ihm bei der nächstbesten Gelegenheit reinzudrücken, dass er ihn am liebsten entlassen würde, wäre er nicht verbeamtet.

Während seiner Mittagspause machte er zusammen mit Niall einen Spaziergang an der Themse entlang.

Er steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke.

Langsam wurde es draußen unangenehm kalt.

„Das kaufe ich ihm nicht ab", kommentierte Niall Arthur's morgendliche Begegnung mit seinem besten Freund. „Er führt irgendwas im Schilde."

Harry verdrehte die Augen und spürte, wie der Wind ihm das Haar aus dem Gesicht strich. „Hat dieser Mann nichts anderes zu tun?"

Niall konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Natürlich nicht", antwortete er schließlich. „Du bist der Staatsfeind Nummer Eins."

Auch Harry musste lachen. „Na, dann hab ich es ja weit gebracht."

Niall zuckte die Schultern. „Das schafft nicht jeder", quittierte er und sah ihn schließlich einen Moment lang an. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Was ist mit Louis?", hakte er vorsichtig nach. „Hast du ihn schon angerufen?"

Harry wich seinem Blick aus.

Normalerweise hätte er längst von sich aus über den Stand der Dinge erzählt.

Aber er hatte darüber nicht im Schulgebäude sprechen wollen.

Irgendwer war immer in der Nähe, der die Gespräche belauschte und sich im Anschluss wichtigmachte.

Harry hatte absolut keine Lust darauf, erneut schief von seinen Kollegen angeschaut zu werden, nur weil er sich mit einem Mann traf.

Als wäre er deshalb ein schlechter Mensch.

„Ja", antwortete er also mit einem vorfreudigen Unterton. „Wir treffen uns heute Abend bei mir, um gemeinsam zu kochen."

Ein ehrliches Lächeln fand sich auf Niall's Lippen.

Er freute sich für ihn – und mehr als alles andere war er froh, dass es für Harry endlich bergauf ging.

Immerhin hatte er in den letzten Wochen einiges einstecken müssen.

Er konnte sehen, dass sein Freund voller Vorfreude war.

Und er hatte Recht.

Harry hatte schon fast vergessen, wie sich das anfühlte.
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Einen schönen Donnerstagabend meine Lieben!🤍
Na, was glaubt ihr, warum Arthur so nett ist?
Bin gespannt auf eure Vermutungen🤓🤍

All the love,
Helena xx

The WriterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt