~•~ 14 ~•~

644 68 33
                                    

"Lias! Aufstehen!" Eine nervige Stimme quiekt in meinem Zimmer herum und ich bin mir zu tausend Prozent sicher, dass das nur Lotta sein kann. "Hey! Clarissa kommt gleich und die is echt nicht nett heute. Die hat mir meine Puppe weggenommen und versteckt. Die bekomme ich erst wieder, wenn ich Wiedamiiiine gegessen habe!" "Das heißt Vitamine, Lotta!", nuschele ich ihr mit geschlossenen Augen entgegen und kann mir bildlich vorstellen, wie sie jetzt die Augen verdreht.

"Lias. Steh jetzt auf! Ich möchte nicht alleine mit der sein. Jona kommt erst heute abend und Clarissa is so blöd. Bitte, bitte. Li-as, Li-as, Li-as!" "BOAH, LOTTA. BITTE HÖR AUF. MIR GEHTS NICHT GUT!" Ich weiß ganz genau, dass ich bei Lotta und auch bei der bald eintreffenden Clarissa keine Chance habe, im Bett liegen zu bleiben, aber ein Versuch pro Woche gönne ich mir dann doch.

Zu meiner Verwunderung hört das kleine Monster auf, mich zu nerven und schlüpft einfach ungefragt unter meine Decke. Ihr schmaler Rücken drückt sich fest gegen meine Brust. "Darf ich mit dir kuscheln?" Obwohl ich liebend gerne meine Ruhe hätte, kann ich ihr Bedürfnis nicht ignorieren und lege vorsichtig meine Arme um sie: "Klar doch. Aber nur wenn du nicht die ganze Zeit am Quatschen bist!" "Versprochen!" "Dann ist gut!"

"Lias?" "Das waren nicht mal zwei Minuten!", murre ich vor mich hin, doch Lotta stört das nicht im geringsten: "Ich mag es nicht, wenn es so still ist!" Ihre Aussage versetzt mir sofort einen Stich ins Herz, denn Jona hat mir mal erzählt, warum bei Lotta sowohl tagsüber als auch nachts immer Musik zu hören ist. Ihre Eltern sind, sobald die Kleine geschlafen hat, immer feiern gegangen. Leider ist sie immer wieder aufgewacht und hat natürlich nach ihren Eltern gerufen, jedoch nie eine Antwort bekommen. Somit wusste sie, dass wenn alles ruhig ist, sie ganz auf sich alleine gestellt ist.
"Also schön... Weißt du schon, ob heute irgendetwas geplant ist?", frage ich die kleine Nervensäge, lasse meine Augen allerdings geschlossen. Lotta dreht sich in meiner Umarmung, so dass sie mir in mein Gesicht schauen kann. Auf meine Frage bekomme ich keine Antwort, sie scheint mit etwas anderem beschäftigt zu sein.

"Was ist denn das?"
Als ich meine Augen öffne, sehe ich, wie Lotta mein Kuscheltier unter der Decke hervorzieht und es mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert. Im ersten Moment will ich es ihr aus der Hand reißen und wieder in sein Versteck packen, da es mir unendlich peinlich ist. In dem Gesicht des kleinen Mädchens ist allerdings keinerlei Belustigung zu sehen und darum lasse ich sie den kleinen Miniaturlöwen auch genauer begutachten.

"Du, Lias. Dein Löwe ist ganz kaputt. Schau mal, da kommt schon die Füllung raus. Soll ich ein Pflaster holen?" Die riesigen, grünen Kulleraugen nehmen mich ins Visier und ich kann echtes Mitgefühl darin vorfinden. "Nein, ist schon in Ordnung. Dass der Löwe bei mir wohnt, ist ein Geheimnis und ich möchte nicht, dass das jemand weiß, okay?" "Aber warum denn? Der ist bestimmt traurig, wenn er immer nur versteckt wird! Meine Kuscheltiere dürfen alle auf meinem Bett sitzen. Das macht die ganz froh, weil die dann immer frische Luft bekommen und von allen bewundert werden, die mich besuchen!" Ich seufze schwer auf, denn bei diesem Thema merkt man einfach, dass sie erst sechs Jahre alt ist. "Weißt du, bei mir würden die Besucher nur lachen!"
"Warum? Weil der Löwi so kaputt ist?"
"Nein. Weil ich zu alt für Kuscheltiere bin!"
Lotta mustert einen kurzen Augenblick mein Gesicht, wühlt sich unter der Decke hervor und setzt sich auf ihren Hintern: "Ab wann darf man denn keine Kuscheltiere mehr haben?" "Das... Weißt du, wenn man in einem gewissen Alter ist, dann...." Meine Worte werden von einer verärgerten Clarissa unterbrochen, die in mein Zimmer stürmt: "Herrgott, Lotta. Ich suche dich überall. Du kannst nicht einfach abhauen und dich irgendwo verstecken. Abmarsch jetzt! Du musst deine Tabletten nehmen!" "Nein!", protestiert die Rothaarige sofort los, legt sich wieder auf die Matratze und zieht sich die Decke über den Kopf.
"Lotta! Ich habe keine Lust, jeden Tag dieses Theater mitzumachen. Entweder kommst du freiwillig oder es gibt jetzt wirklich Konsequenzen!" Lotta rollt sich unter der Decke zu einer Kugel zusammen und drückt ihre Stirn fest an meinen Körper. Ich hasse es selbst, täglich diese blöden Tabletten zu nehmen, aber ich weiß auch, wie wichtig es ist. Warum Lotta Tabletten nehmen muss, hat mir noch keiner gesagt, aber ich schätze, dass es auch bei ihr wichtig sein muss.

Lias will glücklich seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt