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Klaus' Sicht

Als unsere Streifenwagen neben dem Heim Areal parken, ziehen wir natürlich die Aufmerksamkeit der draußen befindlichen Kinder auf uns. Die kleineren laufen sofort an den Zaun, damit sie so nah wie möglich an die Streifenwagen herankommen. "Wen verhaftet ihr?", fragt ein schwarzhaariger Junge, der ein großes Pflaster auf der Stirn vorzuweisen hat. Mir kommt sofort der Gedanke auf, dass dafür einer der Betreuer verantwortlich ist, rufe mir dann aber ins Gedächtnis, dass das immer noch Kinder sind und die sich auch mal gerne unabsichtlich selbst verletzen. Auf alle Fälle werde ich diesen Jungen im Hinterkopf behalten.

"Wir wollen gerne ein bisschen mit euch reden, wenn ihr Lust dazu habt!", antwortet Stephan. "Nehmt ihr Fabius jetzt doch mit?", fragt ein älterer, vielleicht vierzehnjähriger Junge. Er sieht so aus, als ob er sich bereit machen würde, um diesen Fabius zu warnen. Ich schüttle mit meinem Kopf: "Nein. Wegen einem Fabius sind wir nicht hier. Keine Sorge!"

Ein schriller Schrei dringt an unsere Ohren, dem wir allesamt sofort unsere Köpfe zuwenden. Direkt vor den Eingangstüren steht eine junge Frau, die einen Gegenstand in die Höhe hält. Vor ihr hüpft ein kleines rothaariges Mädchen herum, das lauthals schreit und bittere Tränen vergießt. Wir setzen uns sofort in Bewegung und nähern uns der Situation, da uns die Dame noch gar nicht bemerkt hat. "Lotta?", ruft Stephan, als wir nur noch einige Meter entfernt sind. Das kleine Mädchen dreht sich um, wischt sich mit dem Ärmel über die Augen und nimmt uns ins Visier. "Die müsst ihr verhaften. Die klaut mir immer meine Puppe", schreit sie uns zornig entgegen und deutet mit dem Zeigefinger auf die Blonde Frau, die, wie ich jetzt erkenne, eine Puppe in die Höhe hält. Die Puppendiebin hat uns jetzt auch endlich wahrgenommen und versteckt das begehrte Schmuseding hinter ihrem Rücken. Das rothaarige Mädchen kommt uns ein paar Schritte entgegen gelaufen und klammert sich sofort an Stephans Bein: "Du bist sogar gekommen, ohne dass ich dich angerufen habe!"
Herr Sindera lächelt die Kleine an und streicht ihr sanft über den Kopf: "Willst du mir erzählen, was passiert ist?"

"Mitkommen!", blaffe ich die junge Frau an und laufe an ihr vorbei, auf den Eingang zu. "Aber warum? Ich habe doch gar nichts verbrochen!" "Das, gnädige Frau, werden wir gleich herausfinden. Bevor sie mir folgen, geben sie dem Mädchen sofort ihre Puppe zurück!" "Das geht nicht! Lotta muss ihre Tabletten nehmen und weigert sich. Darum..." "Darum denken sie, dass man mit Erpressung weiterkommt? Viel Erfahrung im sinnvollen und sorgsamen Umgang mit Kindern scheinen sie nicht zu haben! Ich will nur hoffen, dass sie nicht zur Gruppe der Betreuer gehören!" Hinter mir ertönt die Stimme des Mädchens, das mittlerweile auf Stephans Arm thront: "Doch! Das ist Clarissa und die ist immer so böse zu mir!"

Das wird eine Menge Arbeit, Klaus.

"Das Eigentum wandert bitte wieder zum rechtmäßigen Besitzer zurück und dann folgen sie mir stillschweigend. Ich will erst wieder etwas von ihnen hören, wenn ich sie zum reden auffordere!" Ich muss mich beherrschen in einer neutralen Tonlage zu bleiben, denn ich will die Kinder nicht verschrecken. "Siehst du. Hab ich doch gesagt, dass der Polizeimann wieder kommt. Ätsch!" Lotta reißt der Betreuerin die entgegengestreckte Puppe aus den Händen und drückt sich dann mitsamt dieser gegen Stephan. "Ist Paul auch da? Und wo ist Lias? Habt ihr den ins Gefängnis gesteckt? Das dürft ihr nicht, weil Lias wieder hierher kommen soll."
"Lias ist im Krankenhaus und Paul arbeitet", antwortet Stephan und geht nicht auf die weiteren Fragen ein, da er sonst zu viel verraten oder eine Lüge aussprechen müsste. Beides wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehr sinnvoll und ist auch nicht Teil unseres Vorhabens. Tom tritt jetzt ein paar Schritte an die Betreuerin heran, umfasst sie locker um ihren Oberarm und sorgt somit dafür, dass sie uns ohne Widerstand folgt.

Im Inneren werden wir von einer Horde neugieriger Kinder empfangen, die sich alle um uns herum in einem Kreis aufstellen. Ich fühle mich fast wie im Zoo, kann es den armen Kindern aber kaum verübeln. "Wer ist denn von euch der Chef?", frage ich, da ich davon ausgehe, dass auch hier so eine Art Hierarchie herrscht. "Felix!", sagt eine braunhaarige im Teeniealter und schubst einen Jungen in meine Richtung. "Du hast hier also was zu sagen?" Plötzlich scheint sich der Kerl nicht mehr so sicher zu sein, ob er gerade jetzt der Anführer sein will. Mit Sicherheit hat der Junge es auch faustdick hinter den Ohren, das sehe ich ihm sofort an. Da ich aber eher zum Wohle der Kinder hier bin, nehme ich ein bisschen den Druck raus, denn wenn die Kleinen auf Felix hören, ist es gut, wenn ich ihn auf meiner Seite habe. "Ich würde gerne kurz mit dir unter vier Augen reden, wenn es möglich ist. Ich benötige deine Hilfe!" "M-Meine Hilfe?" "Richtig. Können wir kurz irgendwo ungestört reden?" "Klar doch. Folgen Sie mir!" Felix dreht sich um und steuert auf eine große zweiflügelige Türe zu, die er mit etwas Kraftaufwand öffnet und mich hindurch winkt. Als er ebenfalls im Raum angekommen ist und die Türe hinter ihm ins Schloss fällt, sieht er mich mit einem unsicheren Blick an.
"Hör mal, Felix. Wir haben ein paar Dinge über einen Betreuer erfahren, denen wir nachgehen müssen. Wie mir scheint, ist er grob gegenüber den Kindern, bestraft sie und droht ihnen auch manchmal. Ich..." "Sprechen wir hier über Ronny?", will der Junge mit weniger überraschten Gesichtsausdruck wissen. "Ja. Genau." "Hat Lias geredet?" Ich seufze leise vor mich hin: "Ja, aber nur weil es einen weiteren Vorfall gegeben hat. Es hat einiges an Überzeugungsarbeit gebraucht, bis er uns einiges verraten hat. Wir sind hier, da wir euch alle über Herrn Fuchs befragen wollen." "Kommt er denn wieder?" Felix wirkt auf einen Schlag fast genauso ängstlich wie Lias und Anton. Das lässt den Hass gegenüber dieser Heimleitung weiter ansteigen. "Das liegt jetzt unter anderem an euch. Wenn ihr ehrlich seid und uns erzählt, welche Erfahrungen ihr mit ihm gemacht habt, können wir unter Umständen dafür sorgen, dass ihr ihn nicht mehr ertragen müsst. Auch wenn einer der restlichen Betreuer sich nicht korrekt gegenüber euch verhalten hat, möchten wir das gerne wissen. Denkst du, dass wir das zusammen hinbekommen? Vielleicht könnt ihr Älteren den Kleinen etwas Unterstützung bei der Befragung bieten, damit sie eine vertraute Person bei sich haben. Meinst du, das wäre machbar?" "Natürlich. Ich regele das!" "Danke, Felix! Ihr braucht wirklich keine Angst zu haben! Wir wollen euch vor solchen Leuten schützen. Ihr sollt hier keine Angst vor irgendwelchen Betreuern haben, sondern angstfrei leben können. Okay?" "Ja. Danke. Geht es Lias gut?" "Den Umständen entsprechend, ja. Sein Onkel ist bei ihm!"
Felix huscht sofort ein aufrichtiges Grinsen über das Gesicht, bevor er sich umdreht und wieder die Türe öffnet. Er bleibt direkt im Türrahmen stehen, nimmt zwei Finger in den Mund und lässt einen schrillen Pfiff verlauten.
Im gesamten Gebäude ist es auf einmal gespenstisch still und alle starren den Jungen vor meiner Nase an.

Lias will glücklich seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt