Klaus' Sicht
Es ist schon über eine halbe Stunde vergangen, seitdem Richter zum Jugendamt aufgebrochen ist. Ich weiß selbst, dass sich solch ein Gespräch nicht innerhalb von ein paar Minuten erledigt hat, aber ich sitze auf glühenden Kohlen. Es ist mir doch ein großes Anliegen, dass der Zwerg zu unserem Paul kommt und nicht mehr zurück in dieses Heim muss. Natürlich nur, weil mein Polizist bei der Arbeit funktionieren muss und sich nicht andauernd Sorgen um seinen Neffen machen sollte. Reiner Eigennutz. Vielleicht auch etwas Mitgefühl für den Zwerg und die restlichen Kinder. Eventuell auch wegen der großen Wut, dass das System versagt hat und diese Kriminellen in einem Kinderheim hat arbeiten lassen.
Wie dem auch sei, habe ich einen Deal mit unserem wundervollen Richter abgeschlossen, der selbst Kinder hat und gesunden Menschenverstand besitzt. Normalerweise hätte es bei dem Anfangsverdacht für Herrn Fuchs nur ein paar Strafanzeigen gehagelt und ich hätte ihn wieder gehen lassen müssen. Allerdings hat mir mein Bauchgefühl gesagt, dass das noch nicht alles war, was in Bezug auf diesen Mann auf uns zukommt und Richter Janthost hat es mir genehmigt, den Herrn Betreuer ein paar Tage in unserer Zelle schmoren zu lassen. Wie ich vermutet habe, hat es weitere Offenbarungen über diesen Mistkerl gegeben. Nicht nur von Lias, sondern auch von dessen Kumpel Anton, der anscheinend jetzt zu einem der Ärzteschaft gehört, gab es weitere schwerwiegende Vorwürfe. Aufgrund dessen habe ich meine Nase ein bisschen tiefer in diese Angelegenheit gesteckt und bin auf für mich unverständliche Dinge gestoßen. Ronny Fuchs ist ein verurteilter Straftäter, der auf Bewährung freigelassen wurde. Schon alleine dieser Aspekt lässt mich im hohen Strahl kotzen, denn wer lässt denn bitte einen Straftäter in einem Kinderheim arbeiten? Unter den vielen Delikten sind zum Teil schwere Körperverletzungen verzeichnet, die den Umgang mit Schutzbefohlenen somit komplett ausschließt. Auch dass ich erst ganz tief graben musste, um herauszufinden, dass dieser Fuchs auf Bewährung ist, hat mich stutzig werden und sofortige Maßnahmen ergreifen lassen, damit auch dem Bewährungshelfer an den Karren gefahren wird. Mir scheint, dass es einige Leute in den oberen Rängen gibt, die sich haben schmieren lassen und das ging auf Kosten der Kinder.
Herr Fuchs wird morgen abgeholt und vorübergehend in Untersuchungshaft gesteckt, bis alle Umstände aufgedeckt und die Anklage vervollständigt werden kann. Dass er so oder so wieder einsitzen muss, da er gegen jegliche Auflagen des Gerichts verstoßen hat, ist klar, aber ich möchte alles dafür tun, damit er am besten nie wieder das Tageslicht außerhalb der Gefängnismauern sehen kann.
Nach meiner Bitte um einen eintägigen Aufschub der Abführung und deren Bewilligung, muss ich mich jetzt in die untere Etage begeben und dem Herrn auf den Zahn fühlen. Denn ohne ihn nochmals persönlich ausgefragt und mit den neuen Vorwürfen konfrontiert zu haben, will ich ihn nicht gehen lassen.
Ich erhebe mich ächzend von meinem Schreibtischstuhl und verlasse mein Büro. Auf dem Flur kommt mir Nesrin entgegen, die ich sofort ausbremse: "Nesrin! Ich bin unten bei unserem Freund. Sorgen Sie dafür, dass Paul das nicht mitbekommt!" Frau Yaman zieht sofort eine Schnute: "Meinen Sie nicht dass es fair wäre, Paul zu sagen, dass Fuchs noch hier ist?" "Ich möchte nichts riskieren. Paul hat verständlicherweise einen Hass auf diesen Kerl und wenn ich ihn auf Fuchs aufmerksam mache, weiß ich nicht, ob unserem Paulchen die Sicherungen durchbrennen und er unter Umständen falsch handelt. Das wäre in keinerlei Hinsicht vorteilhaft und deswegen bewahren wir stillschweigen. Wir hintergehen ihn nicht, sondern schützen ihn vor Dummheiten. Verstanden?", erkläre ich meine Absichten und gebe keinen Spielraum für Diskussionen. Mit einem Nicken signalisiert mir meine Polizistin, dass sie verstanden hat und geht weiter ihres Weges. Ich weiß, dass Paul auch ein Recht darauf hätte sich diesen Kerl zur Brust zu nehmen, aber wenn ich schon alleine daran denke, wie wütend ich bin, möchte ich mir das Wutpotenzial des Herrn Richter gar nicht ausrechnen, denn es betrifft schließlich seinen Neffen.

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Lias will glücklich sein
FanficAls wäre das Leben mit einer täglich quälenden Erkrankung nicht schon schwer genug, muss Lias sich von seinem besten Freund Anton verabschieden. Die beiden Heimkinder hatten so viele Dinge zusammen geplant, die Lias helfen sollten, im täglichen Kamp...