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Die restlichen zehn Minuten, die von einem ständigen Husten begleitet wurden, haben wir glücklicherweise schnell hinter uns gebracht. Nachdem ich einen geeigneten Parkplatz gefunden habe, steigen wir aus und machen uns auf den Weg zum Festgelände.

Lias läuft ganz dicht neben mir und hält seinen Blick stur geradeaus gerichtet. Seine Haltung kommt mir leicht verkrampft vor und ich bin mir nicht sicher, ob ihn die ganzen Menschen beunruhigen, die wir gleich treffen oder ob er gar nicht mit mir hier sein möchte. Eventuell mache ich mir zu viele Gedanken, aber ein derartiges Maß an Verantwortung hatte ich in meinem bisherigen Leben noch nie und ich möchte keinesfalls etwas falsch machen. Je näher wir dem Gelände kommen, desto geringer wird der Platz zwischen uns beiden.

Soll ich mir jetzt seine Hand schnappen oder meinen Arm um seine Schultern legen? Ist er dafür vielleicht auch schon zu alt und würde das eher als peinlich abstempeln?

Mein Seufzer, der mir versehentlich laut entflieht, erweckt Lias' Aufmerksamkeit. "Alles okay?", fragt er verunsichert und sieht so aus, als ob ich ihn gleich in ein Becken voller Haie stoßen würde. "Alles Prima! Bei dir auch?" Mein Neffe nickt nur leicht lächelnd und lässt anschließend seinen Blick über das Gelände schweifen, da wir nun endlich angekommen sind. Am Eingang stehen zwei Kollegen, die die Gäste nach Gesichtskontrolle einmarschieren lassen, damit nicht jeder x-beliebige sich auf das Sommerfest schleichen kann. "Das sind Jonas und Muri. Die beiden kennst du noch nicht", erkläre ich, als wir bei den beiden Männern angekommen sind. "Hey, Paul. Wen bringst du denn da mit?" "Das ist mein Neffe Lias." Jonas streckt dem Jungen seine Hand entgegen und stellt sich ihm selbst vor. Als sich die Hände der beiden berühren, bekommt mein Kollege ganz große Augen: "Boah, du bist eiskalt. Frierst du?" "Ein bisschen. Ist aber nicht schlimm!" Lias zieht schnell wieder seine Hand zurück und beäugt Muri etwas genauer, der dem Kurzen durch die Haare wuschelt und ihm viel Spaß wünscht. "Danke!", nuschelt Lias vor sich hin und wirft einen Blick auf mich, da er sich jetzt doch mehr als unsicher zu sein scheint. Ich schnappe mir einfach die Hand des Burschen und drücke sie leicht, damit er sich hoffentlich etwas wohler fühlt. Im ersten Moment verkrampft sich mein Neffe noch etwas mehr und ich will mich fast schon Blödmann schimpfen, da er anscheinend doch zu alt zum Händchen halten ist. Doch kurz bevor ich seine Hand wieder loslassen will, entspannt er sich und umgreift meine Hand etwas fester.

Mit wesentlich entspannterem Gesichtsausdruck treffen wir bei meinen Kollegen ein, die Lias sofort lauthals begrüßen. Tom und Stephan rutschen ein Stück auseinander und machen uns somit Platz, damit wir uns zwischen sie setzen können. Kurz darauf treffen auch Marc und Nesrin am Tisch ein und setzen sich neben Moritz und Robin. "Hey, was bist du denn für ein Süßer?" Nesrin grinst meinen Neffen breit an, der einen leichten Rotschimmer auf seinen Wangen Einzug gewährt. "Nesrin! Lias ist doch keine fünf mehr. Etwas mehr Respekt vor dem jungen Mann, bitte!" Marc stößt seiner Nebensitzerin seinen Ellenbogen in die Rippen, worauf die Dame der Runde gequält aufstöhnt und Herrn Westernhoven mit einem finsteren Blick straft: "Das ist eine Tatsache. Er ist nunmal total süß! Aber mal eine ganz andere Frage: Woher weißt du denn seinen Namen?" "Weil Lias schon mal bei uns auf dem Revier war!" Die schwammige Aussage bringt Nesrin auf falsche Gedanken, denn sie zieht die Augenbrauen zusammen und mustert den Kurzen neben mir mit Adleraugen. Um jede falsche Vermutung aus dem Weg zu schaffen, gebe ich des Rätsels Lösung preis: "Das ist mein Neffe. Er war vor kurzem bei uns, da er mich gesucht hat. Er wusste nur meinen Namen und dass ich Polizist bin und hat sich dann eben durchgefragt." "Oh. Na dann. Ich bin Nesrin. Freut mich!" Meine Kollegin zwinkert Lias zu, der ihr darauf ein Lächeln schenkt. Ich bin froh, dass Frau Naseweis mich nicht direkt mit tausend Fragen bombardiert, sondern meine knappe Erläuterung so hinnimmt. Aber ich bin mir sicher, dass sie mich in der nächsten Schicht erbarmungslos ausfragen wird. Gut, es kommt auch nicht alle Tage vor, dass ein Kollege so plötzlich ein Kind aus dem Ärmel schüttelt und darum werde ich ihr dann auch alles in Ruhe erklären.

Lias will glücklich seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt