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Pauls Sicht

Nerviges Handyklingeln reißt mich aus meinem Schlaf. Völlig verwirrt greife ich nach dem Smartphone auf meinem Nachttisch und nehme den Anruf an. "Ja?", gähne ich mehr vor mich hin, als dass mir Laute entkommen. "Klinik am Südring, Angelika Hoppe. Entschuldigen Sie die Störung, Herr Richter. Sie haben darum gebeten, dass sie bezüglich irgendwelchen Vorkommnisse von Lias Richter informiert werden. Nun, es ist so, dass wir den Jungen momentan nicht finden können." "Bitte was?" Durch meine leichte Benommenheit denke ich, dass ich die Gute nicht richtig verstanden habe. "Habe ich richtig verstanden, dass Lias verschwunden ist?", wiederhole ich das, was ich denke gehört zu haben. "Ja, Herr Richter. Wir lassen den Jungen auf allen Stationen suchen, aber..." "Ich bin auf dem Weg!", unterbreche ich Frau Hoppe und beendet das Gespräch. Im Turbomodus springe ich aus dem Bett und renne ins Bad. Dort schrubbe ich mir einhändig die Zähne und ziehe mit der freien Hand meine Jeanshose an.

In meinem Kopf rattert es ununterbrochen und das Naheliegendste, das mir einfällt, ist dieser Betreuer, der an Lias' Armbruch schuld ist. Eventuell könnte der meinen Neffen entführt haben, falls Klaus ihn nicht festnageln konnte. Das Lias weggelaufen ist, kann ich mir nicht vorstellen. Zumindest werde ich diese Flucht-Option in den Hintergrund stellen und erst alle anderen Punkte berücksichtigen.

Nachdem mein Gesicht gewaschen ist und ein Pullover an meinem Körper verweilt, renne ich weiter in den Flur und ziehe mir meine Schuhe an. Mit Autoschlüssel in der Hand stürme ich aus der Wohnung und werfe mich regelrecht in mein Auto. Während der Fahrt lasse ich eine telefonische Verbindung zu Stephan aufbauen, da ich jetzt unbedingt Unterstützung brauche.

Auch mein Kumpel bringt kaum ein Wort über die Lippen, als er meinen Anruf entgegen nimmt. "Paul?" "Ja. Stephan, Lias ist weg!" Ich falle gleich mit der Türe ins Haus, da es an dieser Situation nichts gibt, was man schön reden könnte. "Hä? Wie weg?" "Er ist verschwunden. Die Klinik hat mich gerade informiert. Ich habe echt ein ungutes Gefühl und glaube, dass dieser Fuchs dahinter steckt!" Nach einem gemurmelten "Fuck" hört man eine Bettdecke rascheln. "Ich mache mich auch gleich auf den Weg. Fahr vorsichtig! Ich versuche auch Tom zu erreichen. Je mehr wir sind, desto besser. Bis gleich. Verlier nicht die Nerven!" Auf diese Aussage hin lache ich genervt auf. Mir platzen gleich sämtliche Blutgefäße vor lauter Anspannung und am liebsten würde ich die PS meiner Karre voll ausreizen. Da ist nichts mit "verlier nicht die Nerven". "PAUL! Reiß dich jetzt zusammen. Es nützt Lias nichts, wenn du durchdrehst!" "Ja. Du hast ja recht. Beeile dich bitte. Bis gleich!"

In der Klinik angekommen, renne ich sofort durch die Flure und lasse mich mithilfe des Aufzuges auf die Kinderstation befördern. Dort treffe ich einige vom Personal auf dem Flur an, die aufgeregt umher wuseln. Das Geschnatter ist so laut, dass sicherlich bald die komplette Etage wach ist. Während ich mir einen kurzen Überblick verschaffen und ein mir bekanntes Gesicht ausfindig machen will, ertönt ein kurzer, schriller Pfiff. Alle bleiben wie angewurzelt stehen und verstummen sofort. "Jetzt bewahren bitte alle Ruhe. Wer hat den Jungen zuletzt gesehen?", will Alex wissen und wird auf die erhobene Hand einer Schwester aufmerksam. "Um wie viel Uhr?", fragt er weiter. "Einundzwanzig Uhr!" Herr Hetkamp zieht eine Augenbraue nach oben und wirft einen Blick auf seine Armbanduhr: "Wir haben es jetzt drei Uhr morgens. Das bedeutet, dass sechs Stunden vergangen sind.." "Tut mir leid, aber...", stammelt die Schwester, doch Alex will jetzt gar keine Entschuldigungen hören: "Darüber sprechen wir später. Wurden alle anderen Zimmer kontrolliert?" "Nein. Wir wollten die Kinder nicht wecken!", antwortet dieselbe Schwester, was mich ungläubig mit dem Kopf schütteln lässt. "Unglaublich”, auch Alex schüttelt den Kopf und würde die junge Frau, seinen Blicken nach, gerne erwürgen. “Jeder nimmt sich jetzt bitte ein Zimmer vor. Es wird überall nachgeschaut, ob der Junge sich irgendwo versteckt hält. Auf geht's!" Alex klatscht in die Hände und stürmt das Zimmer, aus dem ich ihn heute morgen schon habe herauslaufen sehen. Es dauert nicht lange, bis er wieder mitten im Flur steht: "Anton ist auch weg!"

Lias will glücklich seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt